Freitag, 27. September 2019

Capital Bra X Samra Feat. Lea:
110



Auweia - Lea und Capital Bra. Das verspricht schlimm zu werden. Für den schmerzlosen Bra, der sowieso alles immer mitmacht, Hauptsache die Kohle stimmt, ist das nix Neues. Und für die Sängerin aus Kassel?

Vor zwei Jahren ging es los mit dem richtig kommerziellen Erfolg. Der Gestört aber Geil-Remix einer ihrer Songs tobte durch die Sommerhitlisten und half ihr Leiser zum mittleren Hit zu machen. Auf einem flockigen Dance-Sound verabschiedet sie sich von ihrem zu egozentrischen Freund. So befreiend kann eine Trennung also auch sein.

So fröhlich war Lea aber eher seltener. Meist beschäftigt sich die 27-Jährige mit den Kompliziertheiten von Beziehungen. Vorbei der jugendliche Leichtsinn. Je näher die 30 rückt, umso panischer wird sie. Wie soll das nur gehen mit dem Lebensplan? Muss doch irgendwie funktionieren. Warum nur sind Menschen so verschieden?

Dagegen lehnt sie sich auf. Steht da mit ihren Gefühlen und Gedanken, die sie zurecht sehr ernst nimmt. Und landet doch immer wieder bei vielen Fragen, statt bei Antworten.

So ist es auch bei 110. Und sie schafft es, die Fragen wirklich so zu stellen, dass ich denke: Hey, das müsste doch ganz einfach sein. Das muss doch gehen!

Und dann kommen die Macker. Klar, dass es mit solch selbstverliebten Hengsten nicht so einfach ist. Ich will zwar was von dir, aber mich ändern - geht nicht. Oder auch: Ich finde keine Worte um meine Gefühle auszudrücken. Und deshalb besaufe ich mich lieber. Hmmmm... immer noch nix gelernt. Rollenklischees erfüllen, weil es einem niemand anders gezeigt hat. - Über den eigenen Schatten springen - funktioniert nicht.

So ist 110 ein gnadenloses Abbild der Unfähigkeit miteinander klar zu kommen. Sich nicht gegenseitig zu verletzen. Und irgendwie ist es auch die Erklärung dafür, dass der deutsche HipHop so oft zum Jammerlappen-Gewäsch wird. Selbstmitleid steht hoch im Kurs. Selbst eine andere Richtung zu wählen, fällt den wenigsten ein.

Dabei könnte es auch ganz anders laufen. Juju & Henning May haben es im Frühjahr vorgemacht. Nicht, dass die beiden glücklicher wären. Sie sind lediglich in einer Phase, in der sie bereits agiert haben. Und das ist vielleicht der Unterschied. Lea, Capital & Samra rechtfertigen sich die ganze Zeit und scheinen unfähig irgendwas zu tun. Juju & Henning May gehen dagegen mit den Konsequenzen ihres Handelns um. Wahrscheinlich sind die beiden letzteren genau deshalb das schönere Traumpaar des Raop.


Freitag, 20. September 2019

Tones And I: Dance Monkey



Es ist gut ein Jahr her, dass zum letzten Mal eine Dance-Nummer auf Platz 1 der deutschen Charts stand. Im späten Oktober 2018 erreichte Dynoro zum insgesamt vierten Mal den Top Spot und machte In My Mind zum erfolgreichsten Track des Jahres.

Im beginnenden Herbst 2019 ist es Tones And I. Wobei wir uns schon über die Klassifizierung hübsch streiten können. Der Track heißt zwar Dance Monkey und ja, er animiert in gewisser Weise auch zum Tanzen. So ein wirklicher Track aus den Clubs ist es am Ende aber nicht - insgesamt zu akustisch ... gut, zum Refrain hin gibt es ein paar elektronische Sequenzen. Insgesamt platziert sich der Song dann aber doch eher in Gefilde, in denen sich auch Feel It Still vor zwei Jahren rumtrieb: Tanzbarer Indie-Pop. Mal so ganz schwungvoll ausgeholt.

Diese Zuordnung kommt nicht von Ungefähr. Tones And I ist eine Sängerin, die sich laut wikipedia eher als Straßenmusikerin versteht. Das muss nicht immer Ethno-Folk oder Hippie-Gedudel sein, auch nicht Hammond-Gewimmer - das kann im besten Fall ziemlich zeitgemäßer Sound sein. Tones And I macht es vor.

Als Singer-Songwriterin hat die Künstlerin dem Song Dance Monkey dann aber doch eine eher dünne Story beschert. Immerhin, hier gehts um die Lust und Freude, der Geliebten beim Tanzen zuzuschauen oder eben auch für sie zu tanzen. Das kann schon atemberaubend oder lebenserhaltend sein. Durchdrehen bei jedem Move, den der Geliebte macht - das ist Verlangen pur. Da braucht es nicht vioele Worte. Erst recht nicht im Jahr 2019.

Um das beschriebene Verlangen im Gesang auch zu entdecken brauche ich eine ganze Weile. Zuerst löscht mich die Stimmlage doch ordentlich ab: Kindergesang? Autotune? Schlumpfenlied? - Das mag der 19-jährigen ungerecht tun. Dennoch bewegt sie sich nicht im luftleeren Raum und hat ziemlich Pech, dass auf im Popbusiness mit quäkenden Stimmen schon reichlich Schindluder betrieben wurde. Als rein akustische Erfahrung auf Spotify & Co. höre ich irgendwann dann doch stimmliche Qualitäten. Das, was mich dannallerdings jedes Mal wieder komplett erdet ist der dazugehörige Videoclip.



Da stimmt ja leider gar nichts dran. OK - es ist ehrenwert älteren und alten Menschen zuzugestehen, dass sie auch Spaß haben dürfen, ausrasten, tanzen. Aber warum muss diese Lust dann so albern rüberkommen? Die tanzenden Alten kann ich in keiner Minute ernst nehmen - das sind groteske Schaubilder. Die Botschaft rauscht durch den Gulli des Bloß-nichts-ernst-Meinens. Irgendwie auch schade.

Wäre natürlich zu viel verlangt, an der Entwicklung einer Idee zum Pop-Clip auch Ältere zu beteiligen. Wie sieht ihr Rausch aus? Ihre Lust? Das hätte zu dem vorliegenden Sound vielleicht sogar richtig gut gepasst. Und wäre ungewöhnlich gewesen.

Einfacher war es hier ein von jungen Menschen ausgedachtes Zerrbild zu inszenieren. Logisch: die Zielgruppe sind am Ende auch nicht die 70- oder 80-Jährigen. Lachen sollen die Teenies. Und das tun sie vermutlich. Unbeschwert sogar. Immerhin macht der eine oder andere Opa den ganzen Quatsch sogar mit.

Belassen wir den Song also bei dem, was er sein will: unbeschwerter Tagessound. Für ein paar nette Momente. Mit bloß nicht zu vielen Hintergedanken. Dance-Music irgendwie.




Freitag, 13. September 2019

Loredana Feat. Mero: Kein Plan



Miksu & Macloud haben wieder einen schönen Beat gebastelt, ein paar hübsche Geräusche hinzugefügt - der Sound geht gut nach vorn. Was macht Loredana damit? - Nicht allzu viel. Liegt vielleicht auch daran, dass sie wirklich recht hat, wenn sie singt "Ich hab' kein Plan."

Das kann man ihr eigentlich wirklich glauben. Sie hat keine Ahnung, wie das alles so kommt mit ihrem Erfolg und dem vielen Ruhm. Deshalb passiert es auch immer wieder mal, dass sie tüchtig daneben greift, am Finanzcrash vorbeischliddert, den Wald vor Bäumen nicht sieht. Das macht ihr nicht viel aus. Das findet sie eher lustig. Davon erzählt Kein Plan.

Und irgendwie ist das ja auch schön, dass man so unbedarft zum Star werden kann, sich verwirklichen kann ... Da haben sich die Versprechungen des Internets nun also doch bewahrheitet. Wer hätte das gedacht.

Das Schlimme an Loredana ist, dass sie so wirklich gar nichts checkt. Chice Klamotten anziehen, das kann sie. Ein debiles Porno-Gesicht machen, das tut sie ohne mit der Wimper zu zucken. Nur das, was sie so von sich gibt ist gequirlter Unsinn: "Ich hab's verdient - auch wenn ich gar nicht weiß warum." Kann man ja mal so von sich geben. Passt auch gut in die aktuelle Zeit, einfach irgendwas Paradoxes behaupten und dabei bleiben. Fertig.

Loredana verkörpert sehr schön den aktuellen Zustand gesellschaftlichen Austauschs: Auf die Kacke hauen bis es spritzt und dran drüber lachen, wenn Leute Flecken auf ihrer Jacke entdecken. Das Ganze ist nie ernst gemeint, alles nur Spiel. So inszeniert sie sich dann auch zusammen mit Mero. Die beiden klatschen und spielen sich durch ihr Video. Hübsch ist das anzusehen. Und reichlich belanglos.


Freitag, 6. September 2019

Apache 207: Roller

Und jetzt hat er es doch noch geschafft: Apache 207 landet auf der Nr.1 der deutschen Songcharts. So schnell geht das also. Erste Veröffentlichungen im Sommer 2018, erster Chartkontakt im April und im September Nummer 1. Ja klar, geht alles auch schneller, siehe Mero. Beeindruckt mich trotzdem, wenn so ein Anti-Teenie-Star mit eher abwegiger Inszenierung sich so schnell beliebt macht.

Denn irgendwas Besonderes hat Apache. Sei es dieses fürchterliche und völlig übertriebene Früh-90er-Jahre-Outfit. Seien es die musikalischen Anleihen beim 80er Synthpop oder 90er Eurodance - seine besten Tracks heben sich angenehm ab vom üblichen DeutschRap-Mainstream.

Das trifft auf Roller zwar nur bedingt zu - irgendwie klingt der Track schon ordentlich nach der KMN Gang. Oder einem anderen beliebigen Hit-Rap-Fabrikanten-Team. Da sehen ich mich wirklich zurück an Nicht wie du. Aber schauen wir uns Roller mal genauer an.



Wunderbar, weil eher die Ausnahme bleibt die Verweigerung des Luxus-BlingBlings. Stylish ist es trotzdem, nur eben sehr eigenwillig. Das muss man erstmal schaffen in solchen Klamotten cool auszusehen. All die übriggebliebenen Opas, die auf Dauerjugendlich machen, haben das Zeug ja immer noch im Schrank hängen. Apache dagegen entdeckt es neu, übertreibt, kombiniert Neues dazwischen ... und lebt damit auf einem komplett anderen Planeten als beispielsweise der überpräsente Bra.

Dem äußeren Bild fügt Apache einen entsprechenden Text hinzu "Ich trag' Gucci-Sandalen nur aus Trotz ... Scheiß auf Kawasaki ..."
Muss man nicht gleich Konsumverweigerung nennen, aber vielleicht Bodenständigkeit. Apache weiß, dass 10 PS schon völlig glücklich machen können. Messerstechereien und kriminelles Leben - laangweilig. Lieber 'n paar Runden drehn mit dem Roller.

Das sieht irgendwie auch ganz schön provinziell aus, und ist genau genommen wirklich die komplette Anti-Haltung zum Leben in der immer maßloser werdenden globalen Großstadt. Nur eben, dass es auf die ansonsten immer hübsch mitschwingende Biederkeit verzichtet. Deshalb mag ich Apache 207. Er macht schlichtweg sein eigenes Ding, lässt sich nicht vorschreiben was gerade ON ist und was OFF. Und kann mit seiner Haltung wirklich überzeugen. Früher haben wir dazu Authentizität gesagt. Bis der Begriff zum Schimpfwort wurde. Weiß nicht, ob wir für Apache eine Wiederbelebung versuchen sollten.