Sonntag, 28. Juli 2013

Naughty Boy starring Sam Smith La La La



Wenn wir uns anschauen, welche Kulturtechniken derzeit die spannendsten Ergebnisse hervorbringen, dann werden wir unweigerlich auf das Verschmelzen verschiedener Stile und Ausdrucksformen stoßen – gern auch mit Fusion beschrieben. Nach gut 20 Jahren des Remixens und Zitierens, also des Einfügens kleiner Ausschnitte in einen neuen Zusammenhang, können wir nun schon ein paar Jahre lang beobachten, wie aus dem bloßen Einfügen ein Akt des Amalgamisierens wurde. Die neuen Zusammenhänge werden mehr und mehr miteinander vermischt und solange aufeinander losgelassen, bis ein neues Ganzes ohne Brüche entsteht. In der Musik macht das gerade sehr schön Cliff Martinez vor. Sein Soundtrack zu Only God Forgives mischt klassische Orgel mit elektronischem Sound – ein fulminant-pathetisches Gemisch, dass auch ohne die ästhetisierte Bildwelt von Nicolas Winding Refn umhaut. - Im Mainstream-Pop waren es die Chemical Brothers, die 2005 mit Galvanize erstmalig sehr eindrucksvoll und erfolgreich vormachten, welches Potenzial darin steckt Sounds und Stile zu mischen.





2013 ist Fusion zwar keineswegs überpräsent im Mainstream, aber Versatzstücke lassen sich ohne weiteres finden. Ein Song, der es momentan ganz schön vormacht ist La La La, der aktuelle Hit von Naughty Boy. In diesem Fall ist es weniger die musikalische Fusion, die mich zwingend auf das Thema stößt – da hält sich Shahid Khan doch ziemlich zurück, seine besten Produktionen für Emeli Sandé lassen da noch einiges an schlummerndem Potenzial vermuten – das Video zum Song wagt da einen ganz anderen Brückenschlag. Wir landen nämlich ohne Vorwarnung mitten in der bolivianischen Mythenwelt. Ein kleiner Junge, der kein Gehör hat, ist in der Lage durch sein Schreien das Böse zu vertreiben. So zieht er in die Welt und bringt seinen Freunden das Glück zurück. Für europäische und nordamerikanische Menschen ist diese Geschichte vielleicht ein bisschen schwierig. Zu viele Dämonen und unfassbare Geister oder Zauberkräfte. Klassischerweise wird hier doch sehr viel mehr mit realen Figuren gezaubert und verhext. Eins der modernen Märchen ist zum Beispiel Der Zauberer von Oz. Diesen gekreuzt mit der bolivianischen Legendenwelt und heraus kommt die Clipgeschichte zu La La La.



Warum die Bebilderung eines westlichen Songs ins ferne Bolivien verlegt werden muss, das ist mir nicht ganz klar. Vielleicht erscheint diese Welt noch als einfacher einordenbar. In Südamerika, da wo Dämonen und Zaubereien noch Macht haben, da lässt sich einfacher das Böse identifizieren. Gewalttätige Eltern und selbstsüchtige Fitness-Idioten zum Beispiel sind eindeutig böse. Niedliche Hunde und kleine bolivianische Jungs sind gut.

Vielleicht ist die Verschmelzung von westlicher und bolivianischer Kultur auch ein positives Zeichen dafür, dass die Fremdheit zwischen den Kontinenten endlich abnimmt. Ob Südamerika oder Europa – Ungerechtigkeit und Glück sind auf beiden Kontinenten gleich vorhanden. Und gleich bewertet.

So wie also die Bildwelt global zu funktionieren scheint, so ist auch der Text des Liedes eine universelle Geschichte. Sie lässt sich lesen als Abrechnung im privaten Beziehungsgeflecht, genauso wie sie auch als Botschaft an Politik und Gesellschaft verstanden werden kann. Medienmachende und Kulturindustrie sollten den Song genauso ernst nehmen wie Verkaufsprofis und Bankmanager: Das was ihr erzählt und macht ist la-la-langweilig, ich halt mir einfach die Ohren zu und singe La la la.



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