Freitag, 30. Dezember 2016

Mariah Carey: All I Want For Christmas Is You



Die letzte Woche des Jahres – nicht viel Neues in den Musiklisten und -verkaufsangeboten. Aber in den Midweek-Charts eine kleine Überraschung: Auf der Nr.1 steht All I Want For Christmas Is You von Mariah Carey.

OK - der abgedeckte Zeitraum ist genau der 23.–25. Dezember, also die heilige Weihnachtszeit in Höchstform und Komplettheit. Und auch, wenn doch alle immer nur klagen: zu viel Kommerz, zu viel Familie, zu viel, zu viel, zu viel ... Am Ende sind doch so ziemlich alle immer fleißig mit dabei, wenn es gilt, das Fest in seinen Traditionen zu feiern. Nicht nach Hause zu den Eltern fahren – ein Sakrileg! Am 24. oder 25. arbeiten – geht gar nicht. Selbst meine coolsten und abgebrühtesten Freunde können sich von diesen tief ins Unterbewusste eingebrannten Regeln nicht frei machen. Es sei denn, sie haben wirklich einen anderen Glauben. Aber das ist in Deutschland nach wie vor die Minderheit.

Insofern: Kitschige Weihnachtslieder gehören zum Standard-Repertoire der Festtage. All I Want For Christmas Is You auf der 1 zu sehen, ist trotzdem ein bisschen überraschend. Denn egal wie heilig und festlich die Vorjahre waren: An der Spitze der Charts stand doch stets ein irgendwie gelaunter Pop-Song. Höchstens mal eine Charity-Single. Das weihnachtliche Glöckchenklingeln, das landete vielleicht auf Platz 20 oder vielleicht auch mal Platz 13. Das war's dann aber auch schon.

2008, da gab es eine kleine Sensation als nach 23 Jahren der Wham!-Klassiker Last Christmas plötzlich auf Platz 4 sprang. Das hatte auch mit den plötzlich zu den Charts gezählten Download-Verkäufen zu tun. Und einer ordentlich angekurbelten Medienmaschine. Die CD-Single gab es bis mindestens 2010 jedes Jahr neu in den Regalen zu erwerben.

Mariah Carey hat seit gut drei Jahren Wham! von ihrem Thron des beliebtesten Weihnachts-Pop-Klassikers verdrängt. Nicht weniger mit Glöckchen verziert, aber doch um einiges unkitschiger. Die Midweek-Nummer 1 ist die Krönung dieses Aufstiegs. In den regulären Charts, herausgegeben am Freitag, steht All I Want For Christmas Is You dann tatsächlich auch immer noch auf Position 5. Gleich hinter den Pentatonix mit ihrer Version von Hallelujah. Bestplatzierung. Nach 21 Jahren!

Warum ist dieses Liedchen nun ausgerechnet in den 10ern so beliebt? Emma Green hat im vergangenen Jahr einen sehr hübschen Artikel im Atlantic veröffentlicht und die philosophische Dimension des Songs herausgearbeitet. Auch mit einem kleinen Augenzwinkern. Die Absage an den Konsum- und Geschenketerror mit Hinwendung zu einem geliebten "You" - einem singulären Objekt der Begierde und Liebe. Wollen wir nicht alle zu Weihnachten (oder ähnlichen Festen, in denen sich die Menschen in diversen Konstellationen versammeln und Gemeinschaft zelebrieren) irgendwie andere auch einbeziehen, mit Liebe und Fürsorge überschütten?

Ich fürchte, die eine oder andere sagt hier dann doch "Nein". Meint es aber nicht so. Denn selbst die härtesten Jungs und Mädels umgeben sich doch derzeit mit Haustieren, um wenigstens einen treuen Gefährten zu haben, der sich nicht vor zu viel Zuwendung wehrt.

Nun ging es bei Wham! ja auch schon darum, wem man sein Herz schenkt. Ganz 1980er-mässig natürlich vor allem um eine möglichst treue Person – romantisch verklärt und immer auf der Hut vor Verletzungen. Mariah Carey ist da zehn Jahre später schon etwas anders drauf. Ein Blick in ihre Biographie verrät auch warum. Mit Verletzungen und Enttäuschungen kann sie umgehen – Hauptsache es ist überhaupt jemand da. Die Angst davor an diesem gesellschaftlichen Komatag wirklich draußen zu sein ... und im Fernsehen kommt ja auch nur Müll. Zumindest in den 90ern eine echte Gefahr – da gab's noch kein Netflix und Co.

15 Jahre später, im Jahr 2008, gab es dann eine Neuaufnahme des Songs. Mit Duettpartner Justin Bieber. Da geht es vor allem im Video deutlich expliziter zu. Zwischen erotisch-lasziver Körperlichkeit und Mami-Sohn-Beziehung kann man sich aussuchen, welche Art Zuneigung und Nähe gesucht wird.



Es hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten in unserem Verlangen und auch in den Möglichkeiten unserer Beziehungen einiges getan. Ob das nun gut oder schlecht ist soll jede/r selbst entscheiden. Erwachsener als das peinliche Hündchenvideo von 1994 ist die 2008er Version allemal.



Bei aller Freude am Text zerlegen sollten wir hier aber nicht vergessen: Der nostalgische Blick auf die Vergangenheit gehört in den 2010ern zur gesellschaftlichen Norm. Und die 1950er/60er sind da besonders beliebt. Ob es nun vor fünf Jahren Mad Men war oder die kurz darauf einsetzende Hipster-Mode oder die Teenie-Version in Form von Meghan Trainor – der Sound der schönen, alten Zeit klingt uns in den Ohren und bringt ein warmes, heimeliges Gefühl mit sich. Würde man bei All I Want For Christmas Is You die Synthesizer durch analoge Instrumente ersetzen, könnte der Song gut und gerne auch aus dieser glorreichen Zeit stammen. Wer ein bisschen sucht, findet auch das extra gedrehte Schwarzweiß-Video, in dem mariah Carey ganz fleißig die Ronettes zitiert.



Allein mit diesen drei Varianten ist klar, warum Mariah Carey so unglaublich populär ist. Jede/r kann sich seine/ihre Version aussuchen. Das hat Wham! nicht geschafft. Da bleibt mir maximal die Interpretation durch andere Künstler. Und die gibt es ja tatsächlich reichlich. Bei All I Want vor Christmas Is You hat die Coverlust erst so richtig in den vergangenen fünf Jahren eingesetzt. Ist also so gut wie sicher, dass wir auch im nächsten Jahr den Song wieder zelebrieren werden.

Freitag, 23. Dezember 2016

Pentatonix: Hallelujah

Über die Jahre hat sich Hallelujah zum Klassiker entwickelt. In den englischsprachigen Ländern ging es schon etwas eher los. Genaugenommen sogar schon in den 90ern. In Deutschland brauchte es dann doch noch etwas mehr Medienpräsenz, aber seit gut fünf Jahren ist das Lied nicht nur eine gern interpretierte Melodie bei All-Star-Zusammenkünften oder Weihnachtszusammenstellungen sondern mittlerweile auch ein richtiger Verkaufshit.

Aber das hat wirklich gedauert. Obwohl es 1984 von Leonard Cohen selbst nicht nur auf seinem Album Various Positions sondern sogar als Single veröffentlicht wurde, interessierte sich kaum jemand für den Titel. Erst mit der Verneigung durch andere Künstler, insbesondere Jeff Buckley, nahm das Interesse zu. Aber auch diese Aufnahme brauchte bis in die 2000er hinein, bis sie erstmals als Single-Hit in irgendwelchen Listen auftauchte.

In Deutschland tauchte Hallelujah das erste Mal zu Weihnachten 2012 in den Charts auf. Im April 2014 war es ein Hochzeitsvideo, das erneutes Kauf- bzw. Download-Interesse erzeugte. Und schließlich wählte Xavier Naidoo in der ersten Sing meinen Song-Weihnachtsausgabe 2014 Hallelujah als seinen Song und brachte die Komposition damit ebenfalls in die Verkaufsliste.

Das Original dagegen wurde tatsächlich erst in größeren Mengen geladen und gestreamt nachdem der Autor im Herbst diesen Jahres starb. So ist das mitunter bei Stücken, die irgendwie jeder kennt und die fast schon zum kulturellen Kanon gehören – sie sind genau deshalb so präsent, weil sie eben nicht permanent zu Tode gedudelt werden und höchstens mal kurzzeitig wirklich medial präsent sind.

Ein bisschen besteht allerdings für Hallelujah gerade die Gefahr, dann doch den kommerziellen Overkill zu bekommen, denn mit der Variante der texanischen A-capella-Formation Pentatonix haben wir so etwas wie den Weihnachtsschlager 2016 vor uns. Top 5-Notierung des Titels bei einem sich eher mittelmäßig verkaufenden Weihnachtsalbum – das ist schon fast bedenklich. Ich hoffe einfach, dass nach den Feiertagen, also genau jetzt, keiner mehr so richtig Lust hat auf diese Version.

Das ist aber noch keine sichere Sache, denn so weihnachtlich ist die Version der Pentatonix gar nicht. Bis auf ein paar Drum-Elemente tatsächlich komplett mit der menschlichen Stimme erzeugt, verzichten die fünf nämlich auf das übliche Glöckchen-Beiwerk total, dass uns sonst von Wham! bis Mariah Carey alle als ultimativen Weihnachtssound präsentieren.

Auch das Video bedient all die Stille Nacht, heilige Nacht-Klischees überhaupt nicht, sondern präsentiert eher reduzierte Hipster-Nachdenklichkeit.



Die Pentatonix liefern aber nicht einfach nur eine sehr zeitgeistige Version des Liedes ab. Sie bügeln das Lied auch ordentlich glatt. Vielleicht ist das eine Gefahr, die bei a capella-Versionen generell schnell besteht. Zumindest habe ich auch bei den Wise Guys immer wieder Probleme: das ist alles so schöner, harmonischer und perfekter Gesang, dass es mich total langweilt und ich mich noch einer Dissonanz förmlich sehne.

Die Pentatonix machen das mit Hallelujah ganz ähnlich: Das ist so geschmeidig und so gefühlig, an den Stellen, an denen es besonders ans Herz gehen soll, werden die Stimmen lauter … wenn die gesamte stimmliche Inszenierung nicht so rein technisch wäre, hätte diese Aufnahme sicher einen Platz in der Hitliste der pathetischsten Hits des Jahres gleich neben The Sound Of Silence von Disturbed sicher gehabt. Aber das Arrangement und die Interpretation bleiben irgendwie so leblos und kalt. Das ist alles wunderbar klar und sauber gesungen, aber berührt mich das? - Ich fürchte, selbst Xavier Naidoo hat mich mit seiner Version mehr überzeugt.

Freitag, 16. Dezember 2016

alle farben: Bad Ideas



Sommertracks funktionieren auch im Winter. Vielleicht weil die Sehnsucht nach Sonne und Wärme und Strand so groß ist. Und das kann in so einem kalten Dezember durchaus der Fall sein.

Frans Zimmer oder auch alle farben steht mit seinem Sound durchaus für Sommergefühle. Leicht und flockig, immer partygutgelaunt – so zeigt er sich mit seiner Variante zum immer noch beliebten DeepHouse-Feeling. Und genauso ist auch seine zweite Auskopplung aus dem Music Is My Best Friend-Album.

Bad Ideas will gute Laune verbreiten, will sorglos sein und uns glücklich machen. Das Video zeigt es in genau solchen Bildern: sonnenüberstrahlt und fröhlich.



Kein Platz für Negatives oder Verstörendes. Das Leben ist schön. Uns geht es gut. Lasst uns feiern.

Das gelingt mit der Produktion sehr gut. Sogar die Gitarre passt perfekt in den Sound und nervt nicht mit Liedermacher-Beschaulichkeit. Frans Zimmer hat echt ein gutes Händchen für den netten Sound. Sogar wenn er sich bei der Disco-Trompete von Hercules & Love Affair bedient. Das ist perfekt zusammenmontiert und füllt jede Sommerparty mit Freude.

Und es beschreibt auch sehr schön, warum unsere Gesellschaft und alles um uns rum gerade wie wahnsinnig durchdreht. Die Feiernden sind nämlich völlig mit sich zufireden. Ihnen geht es gut. Sie haben keine Lust auf das komplizierte Leben drumrum. Müssen sich damit auch nicht auseinandersetzen, weil die Eltern ein weiches Wohlstandspolster geschaffen haben, auf dem es sich hervorragend ausruhen lässt. Da kann man ganz viel auf sein Inneres hören und den Gefühlen nachgehen. Und sich sehr sehr unpolitisch verorten.

Leiderleider ist genau diese unpolitische Haltung aber genau umgekehrt höchstpolitisch. Denn da wo mir alles egal ist und ich sorglos tanze, da ist plötzlich Raum für Idioten, die ganz unbemerkt das Ruder an sich reißen und froh darüber sind, dass niemand hinschaut und hinhört. Und plötzlich verändert sich rundrum alles ohne dass es die Feiergemeinschaft merkt.

Das erzählt mir dieses sorglose Liedchen eben auch. Und so gern ich auch im Winter schöne Sommerparties haben möchte, das komplette Auslassen von anderen Tönen macht mir doch ein bisschen Angst.

Allerdings bin ich da eher ein Einzelfall. In Deutschland avanciert Bad Ideas gerade zum vierten Top 10-Hit in Folge für Frans Zimmer. Die Stimmung im Land ist also nach wie vor mehr als blendend.

Freitag, 9. Dezember 2016

Max Giesinger: Wenn sie tanzt



Irgendwie ja auch schön, dass es auf Dauer doch auch diejenigen schaffen, die nicht nur naives Zeug im Kopf haben. Max Giesinger wäre dann wohl der zweite deutsche Liedermacher, der es mit seinem Realitätsbezug zu ein bisschen mehr Popularität bringt. Wenn sie tanzt ist 2016 tatsächlich auch schon sein zweiter Top 10-Hit. Ganz hübsch.

Am Anfang, da hab ich ja so ein bisschen Angst: Oh oh, kommt jetzt die Sozialromantik-Sauce? Aber dafür ist Max Giesinger dann doch zu schlau. Er singt über die Sorgen und Träume dieser Frau und Mutter und es ist eben kein Selbstmitleidsgedusel, sondern es gibt die Augenblicke, die auch großartig sind, die Freiheiten möglich machen.

Schön, dass hier auch das Video mitgeht. Ja, ein Leben mit und für Kinder ist hart. Besonders als allein Erziehende. Aber es gibt eben auch die Möglichkeit eine ganze Menge zu teilen. Zum Beispiel das Tanzen.



Für mich liegt die Stärke des Songs genau in diesem Realismus: Hier wird nicht nur einseitig erzählt, weder nur beschönigt, noch nur schwarz gemalt. Es ist ein Lied über die Grautöne und mögliche Lichtblicke. Das wird momentan in der deutschen Gesellschaft ja ganz gern auch mal vergessen, dass es eben nicht nur schwarz und weiß, gut oder böse gibt – sondern eben ganz viel dazwischen.

Was mir nicht so gefällt – aber das ist jetzt wirklich rein subjektive Geschmackssache – dass ich zweimal das Gefühl habe: Häh, das kenn ich doch.
Zuerst mal ist da dieses Saxophon (oder was weiß ich was für ein Blechblasinstrument), deren erste drei Töne mich sofort in Guru Joshs Infinity beamen.
Und beim Refrain singe ich sofort Adel Tawils Lieder. Das ist doch ganz schön nah dran.

Immerhin, es bringt mich auch zu dem Vergleich, was macht Max Giesinger anders als es Adel Tawil tut?
Er singt eben nicht so ganz weichgespült und verklärt vom Leben. Bei ihm geht es auch um den Alltag, um die vielleicht nicht ganz so schönen Momente und die weniger glorreichen Augenblicke. Und ohne ins triefige Liedermacherpathos zu verfallen oder eben Schlagerpopsauce drüber zu kippen. Da kann er schon noch ein paar mehr solcher Songs machen.

Freitag, 2. Dezember 2016

Bonez MC RAF Camora: Palmen aus Gold

Die HipHop-Überflieger des Jahres sind wieder da. Bonez MC + RAF Camora haben ihr Album Palmen aus Plastik ordentlich verkauft. Mehr noch. Sie haben es geschafft mehrere Tracks dauerhaft als Hits zu etablieren. Klar bringen Sie nun rechtzeitig zu den Feiertagen eine Winter-Edition auf dem Markt. Und die ist aufgepimpt mit ein bisschen Extra-Material. Dem Erfolg angemessen dann auch gleich betitelt Palmen aus Gold.

HIer ist also die Party der Jungs mit den dicken Hosen. Naja, und mehr passiert da auch nicht. Mama und Papa sind jetzt stolz, die Konzerthallen ausverkauft, Videos auf großen Flachbildschirmen und das Dope wird nur noch pur geraucht. Traum erfüllt - Lebensziel erreicht. Mit Anfang 30.

Was danach kommt? Wahrscheinlich so eine Karriere wie Der Pate. Ist auch ordentlich aufgeladen mit Knarren, Unterwelt und Rotlicht. Und natürlich ist es auch im 21. Jahrhundert immer noch total erstrebenswert jeweils die neueste flachgelegte Karre zu fahren. Das ist in etwa so der Feierhorizont der beiden und ihrer Gang.



Nun ist es lediglich bedingt spannend, geilen Jungs beim Feiern zuzuschauen. Das wissen natürlich auch Bonez MC und RAF Camora. Und deshalb nennen sie ihren Track nicht nur Palmen aus Gold sondern zitieren im dazugehörigen Video ganz fleißig den Ursprungssong. Das ist dann tatsächlich witzig. Wer findet die meisten Verweise?

Für den Sieger winkt ein Tag auf der Champagner-Orgie und natürlich das Weihnachts-Geschenke-Package der beiden. Denn natürlich schmeißen auch die härtesten Rapper uralte und biedere Traditionen wie den Weihnachtsschlussverkauf nicht einfach über Bord. Das ist das eigentlich Ärgerliche daran – hinter all der Coolness und allem Fuck Off-Gehabe lauert dann doch nur eine einzige Verkaufsinszenierung. Die kann man vielleicht ein bisschen tarnen und verklären als: Ihr seid alle Opfer, wir ziehen hier die Fäden! Richtig tough wär's allerdings wenn man wirklich auf all den Scheiß kacken könnte und es nicht nötig hätte, sich permanent vor anderen, der Musikpresse, den Medien zu beweisen.

Also lasst uns lieber schön an der Oberfläche mitfeiern.

Freitag, 25. November 2016

Rae Sremmurd: Black Beatles



Kürzlich in London: die ganze Stadt ist zugepflastert mit Plakaten, welche das Album Sremmurd II von Rae Sremmurd bewerben. Und ich denke: Yeah – endlich mal ein USamerikanischer Rap-Act, der fegt. Nicht umsonst geht mir Black Beatles seit dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf – hypnotisch hat es sich reingefressen in mein Gedächtnis. Das liegt auch an dem sehr schön dunklem Background-Loop, der mich sehr sehr an den 80er-Jahre-Hit Sunglasses At Night erinnert. Und auch wenn es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eben kein Sample ist – die Stimmung trifft der Loop genau. Geheimnisvoll cool und magisch vereinnahmend.

Dazu kommt natürlich, dass Rae Sremmurd-Brüder allein schon mit ihrer jugendlichen Frechheit punkten können. Da ist nicht so viel von Stilgrenzen zu spüren – die machen einfach was ihnen gefällt. Ein bisschen schnoddrig, für manchen Rap-Fan eventuell sogar viel zu sehr am Pop. Mir macht genau das Spaß. Der Part von Recke Gucci Mane ist dagegen – nunja, auf alle Fälle nicht besonders überraschend.

Und so sind es auch die Lyrics. Während Swae Lee & Slim Jxmmi bei aller Arroganz immer auch mitteilen, dass es gleich aus sein könnte, dass das Geld eben doch nicht nur auf der Straße liegt, dass auch bei sonst wieviel Fame der Neid und Hass alles andere als angenehm ist – während die Jungs genau das beschreiben, bleibt Gucci Mane eben doch nur im üblichen Alphatier-Gepose. Das ist für einen HipHop-Helden natürlich völlig legitim, aber eben auch genau das, was man erwartet. Laaaangweilig.

Das Video erreicht für meine Begriffe nicht die Höhe des Tracks. Immerhin wird da schön wild allerlei Filmmaterial durcheinander geschnitten: Konzertmitschnitte, Privatparties, Straßenszenen, Spaß wie im Kindergarten, Tourneeeindrücke ... Im Hin und Her der Fetzen entsteht ein bunter Mix, der vor allem Lebensfreude zeigt. Und auch hier wieder – genug Schnoddrigkeit, um eben nicht 1:1 das zu wiederholen, was ich schon 1000 x gesehen habe. Sogar die einstudierten Posen wirken entweder albern gebrochen oder unglaubwürdig.



Rae Sremmurd also schaffen es, mich zu überraschen. Zumindest mit diesem Track. Bleibt vielleicht ein bisschen abzuwarten, was da demnächst noch alles kommt. Auf der anderen Seite: Manchmal reicht ein Song, um unsterblich zu werden.

Freitag, 18. November 2016

Mark Forster: Chöre



Ich steh überhaupt nicht auf deutsches Liedermachergut. Und das meiste was an deutschsprachigem Zeug erscheint finde ich oberpeinlich. Wenn es allerdings von Mark Forster kommt, dann bin ich doch jedesmal wieder völlig überrascht und erfreut: Deutsche Texte müssen nicht dumm sein. Singer-Songwriter können auch moderne Arrangements kreieren. Doch – Mark Forster ist tatsächlich einer der sehr sehr talentierten und einfallsreichen Sänger Deutschlands momentan.

Und kann sich ganz gehörig auch mit den alten Recken des Deutschrockpop messen. Wobei er die allermeisten in Sachen Zeitgeist ohnehin schon längst überholt hat.

Chöre ist sein neuester Hit. Bekannt und beliebt wurde der Song vor allem durch seinen Einsatz in der deutschen Komödie Willkommen bei den Hartmanns. Na gut – da hat er also ordentlich Unterstützung gehabt. War aber eigentlich gar nicht nötig.

Denn Chöre geht anständig nach vorn. Beginnt mit ein paar Piano-Akkorden, die in ihrer Wiederholung absolut groovy daherkommen. Der Gesang setzt ein – und lässt schon deshalb aufhören, weil sich hier erstmal nichts reimt. Das ist Alltagssprache, die aber perfekt auf den Rhythmus passt. Auch das eher eine Seltenheit im deutschsprachigen Liedergeschäft. Mark Forster kriegt das richtig gut hin, authentisch zu bleiben ohne seine Texte wegzunuscheln. Dadurch erhält sein Gesang genau das Stückchen Pep, was seinen Songs den Schwung und Drive gibt. Um so etwas hinzukriegen, ist schon eine Menge Arbeit nötig.

Dass Mark Forster auch sonst nicht faul ist, schon gar nicht im Kopf, belegen seine Geschichten. In Chöre ruft er genau dazu auf: Hör mal auf mit der ewigen Bauchnabelschau und Jammerei – dir geht es gut, du kannst was, mach was draus! Er ruft uns zu: Nehmt euer Leben in die Hand und geht aufeinander zu!

Das Ganze so hübsch verpackt in eine persönliche Ansprache, fast schon Liebesgeschichte. Kann ich mich dem eigentlich noch entziehen?



Schön, dass es doch eine Menge Menschen gibt, die Chöre mögen. Diese Haltung kommt derzeit viel zu selten vor: Positives Denken, mit Energie Probleme angehen, Aktiv bleiben – und sich Feiern. Mark Forster wäre ein cooler Kandidat fürs Bundespräsidentenamt.

Freitag, 11. November 2016

Clean bandit feat. Sean Paul & Anne-Marie: Rockabye



Hmm - was mache ich damit?

Erste Assoziation: Das hier ist die Light-Version von Lean On – der Gesang von Anne-Marie erinnert an , für den Dancehall-Flavour sorgt Sean Paul, nochmal ordentlich in Richtung Pop gedreht, und damit ist dann tatsächlich auch jede weitere Ähnlichkeit zerstört. Der Vergleich lohnt also weiter kaum.

Zweiter Gedanke: Ich finde Clean Bandit immer noch völlig überbewertet. Das hat mit dem Trio selbst gar nicht so viel zu tun – die machen schon eine ganze Menge richtig. Nur, dass eine Reihe von Pop-Experten immer wieder betont, wie innovativ und neu und ach was weiß ich denn diese Band ist ... also, das kann ich nach wie vor nicht nachvollziehen. Für mich sind Clean Bandit eine ganz hübsche Pop-Band, die vielleicht wirklich Musik machen, die sehr viel an Zeitgeist repräsentiert: Keine Angst vor Einflüssen aus anderen Sparten, trotzdem immer schön am Mainstream orientiert, dafür aber genügend Eigenheit und Understatement besitzend, dass es nicht Industrieware vom Produktionsband ist ... und ihre schüchterne bis androgyne Art der Selbstinszenierung ist ebenfalls sehr schön zurückhaltend modern. Wer es weiß, kann es lesen – wer nicht, wird nicht gleich vor den Kopf gestoßen.

Erkenntnis Nummer drei: Rockabye hat einen richtig sozialkritischen Text! Das ist für einen lauschigen Popsong derzeit tatsächlich eher ungewöhnlich. Feierlaune, Emo-Nabelschau oder wildes Egoshootertum, ganz selten auch mal ein eher platter Aufruf zum Weltfrieden – das sind so eher die Inhalte derzeitiger Hits. Clean Bandit haben da den Mut, vom Leben einer Alleinerziehenden zu berichten. Und fallen deshalb trotzdem nicht in eine Weltschmerz-Pose, die weiter nichts kann als Jammern.

Hier herrscht Respekt vor der Kraft, so ein Leben zu meistern. Es werden nicht die schlechten Seiten retuschiert, aber der Wille weiterzumachen und der Stolz darüber sind zu spüren. Anders als bei Donna Summers She Works Hard For The Money aus den 80ern müssen Clean Bandit auch nicht laut auf dieses Leben aufmerksam machen: Schaut mal, wie schwer diese Frau es hat. Hier wird eher eine intime Sicht bezogen: Die der Mutter, die alles daran setzt, ihren Sohn behütet aufwachsen zu lassen. Und die des Sohnes, der vielleicht nicht ganz versteht worin der tägliche Kampf besteht ... und deshalb vielleicht doch auch einen anderen Weg nimmt als gedacht?

Mit dieser Geschichte können mich Clean Bandit, Sean Paul & Anne-Marie tatsächlich überzeugen. Musikalisch ist Rockabye vielleicht nicht so sehr überraschend. Das macht der Inhalt aber allemal wett. Da kann ich sogar mit den etwas voyeuristisch inszenierten Stangentanzszenen im Video umgehen – auch wenn die insgesamt für meine Begriffe ein bisschen zu sehr die Klischeekiste aufmachen. Sei's drum: endlich mal wieder ein engagierter Song – mehr davon!

Freitag, 4. November 2016

James Arthur: Say You Won't Let Go



Und jetzt wird es romantisch. Total. James Arthur ist zurück mit einer neuen Single. Und wie schon vor fast vier Jahren ist es ein sehr emotionaler Song. Anders als bei Impossible ist bei Say You Won't Let Go aber auf so gut wie allen Produktions-Schnickschnack verzichtet worden. Ein Mann mit Gitarre besingt seine Liebe und seine Angst, diese zu verlieren. Es geht – ganz schlagermäßig – um die Ewigkeit, das unzerstörbare Glück, das Paradies, Sicherheit.

Zu diesem Bitten (fast schon ein Gebet) passt die Reduktion aufs Wesentliche perfekt. Das hier ist ganz aufrichtig, ist ganz ganz ehrlich, Gefühle eines Moments ohne jede Verfälschung. Pur. Gerade mal ein paar Claps und ganz zum Ende dann doch ein paar Streicher – aber nur sehr zurückgenommen. Alles andere kommt direkt vom Sänger selbst.

Das kommt gut an. In Zeiten, in denen nicht mehr so richtig klar scheint, wer für was steht, was das Richtige ist und in denen es nur noch völlig kompliziert ist, da sehne ich mich nach Gewissheiten und Werten. Gern auch für Lebenszeit. Mit diesem ständigen Befragen von Dingen, die doch schon Jahrzehnte funktioniert haben, kommen nur die wenigsten zurecht. Da ist die Liebe, die Zweierbeziehung, die Familie ein sehr schöner Fels in der Brandung. Daran möchte ich glauben. Und wenn es nur einen Moment lang ist.

Also sage ich dir jetzt einfach, dass ich dich niemals niemals gehen lassen werde. Dass wir dieses Leben gemeinsam verbringen. Ich werde mich sorgen und kümmern. Immer. Nie werde ich aufhören, dich zu lieben.

Auf der einen Seite ist das unglaublich sympathisch und verführerisch, märchenfaht. Jemand, der aus seinem tiefsten Herzen spricht und ganz unverfälscht seine Gefühle beschreibt. Das ist wirklich ein Moment, der nicht sehr oft vorkommt. Und deshalb so unglaublich zart und liebenswert ist.

Gleichzeitig ist aber diese Äußerung auch etwas, das andere Menschen bedrängt, beeinflusst, einschränkt. "Ich werde dich niemals gehen lassen" bedeutet eben nicht nur Glück und Liebe, sondern auch: Weil ich dich liebe, habe ich ein Recht auf dich. Weil ich dich liebe, bist du jetzt die Person, die meine Träume erfüllt. Also sag schon endlich, dass auch du mich nie loslassen wirst.

Klar kann ich diesen Wunsch verstehen. Wenn ich schonmal so richtig verliebt bin und mir Traumschlösser ausmale, dann ist das ziemlich schwer vorstellbar, dass Du das vielleicht anders empfinden könntest. Dann warte ich also und wünsche mir, dass ich ein Zeichen erhalte, einen Satz, der mir sagt: Ja, genau das will ich auch. Für jetzt und für immer.

Das Problem in diesem Moment ist, dass das "Du" gar nicht richtig zu Wort kommt. Ich wünsche mir etwas und sehne mich danach, die Gefühle des Du sind dagegen reine Interpretation. Oder kommen gleich gar nicht vor.

Und damit wird es kompliziert. Gibt es nach so einem Bitten (dazu noch so herzzerreißend dargeboten) überhaupt noch Möglichkeiten, eigene Wünsche zu platzieren? Kann ich zu so einem Schmachtantrag "Nein" sagen?
Andererseits: Nicht gehen gelassen zu werden, klingt doch auch ein bisschen nach eingesperrt sein. Ist das der Traum meines Lebens? Und will ich selber jemand anderen für ein Leben lang festhalten? Das ist doch schon ganz schön groß und viel vorgenommen für einen Menschen kurz vor 30. Und dann kennt man sich ja offenbar auch noch nicht sooo lange. Drei durchsoffene Parties und vielleicht ein Katerfrühstück, das nicht so verkehrt war...

OK – James Arthur schwelgt im Emotionsrausch. Das sei ihm gegönnt. Auch die Überschwenglichkeit, mit der er seine Gefühle preis gibt ist großartig. Wo gibt es das heutzutage schon noch, dass sich jemand so öffnet, so verletzlich zeigt?

In dem Moment, in dem ich das schreibe fällt mir auf: Doch doch, diese Haltung begegnet mir reichlich oft. Menschen sind enttäuscht, verletzt, in ihrer Ehre gekränkt, weil eine andere Person nicht so reagiert hat, wie sie erwartet haben. Da fühlt sich das Ich plötzlich nicht mehr wahrgenommen, ungeliebt, verstoßen. Und das tut weh.

Könnte es also sein, dass hier doch ein bisschen viel Bauchnabelschau betrieben wird? Ich - ich - ich ... keine besonders günstigen Voraussetzungen für ein Miteinander. Dass es dabei auch um die Gefühle anderer geht, sollte James Arthur eigentlich schon gelernt haben. Der mittlere Skandal Ende 2013/Anfang 2014, der sogar dazu führte, dass ihn seine Plattenfirma Syco fallen ließ, hat viel damit zu tun, dass James Arthur einfach nur seinen Emotionen freien Lauf ließ. Und andere damit eben nicht in Ihren Sichtweisen ernst nahm.

Das alles ist schon einige Zeit her. Und auch Syco hat sich wieder beruhigt und auf einen neuen Vertrag eingelassen. Ironischerweise gibt es aber auch Say You Won't Let Go sofort wieder Ärger. Kaum hat James Arthur nämlich sein zutiefst intimes Geständnis veröffentlicht, da steht schon das Gericht vor der Tür und sagt: Hmm, sehr hübsch diese Aufnahme, aber ist das wirklich deine Melodie?

Es bleibt also schwierig. Der Rückzug in die Romantik, in die einfachen Antworten und Lebensweisheiten funktioniert im realen Leben irgendwie nicht. Pure Aufrichtigkeit gerät schnell zu einer etwas zu intensiven Betrachtung nur der eigenen Gefühle. Die anderen sind plötzlich draußen und fühlen sich mißachtet. Ein Liebeslied lässt sich plötzlich auch als Zumutung empfinden... Klar, dass wir uns wünschen, dass es endlich wieder mal einfach und unkompliziert wird. Wird es nur leider nicht. Da müssten wir alle eine Menge von unserem Ego weglassen. Wer macht den Anfang?

Und deshalb ist James Arthur mit seinem Lied so sehr beliebt und hilft uns trotzdem kein bisschen, mit unserem Leben zurecht zu kommen. "Sag, dass du nicht loslässt" ist jedenfalls kein erfolgversprechendes Mantra.

Freitag, 28. Oktober 2016

The Weeknd Ft. Daft Punk: Starboy



Oh ja, The Weeknd ist auf dem Weg genau das zu werden – ein Mann, der nach den Sternen greift. Sein letztes Album Beauty Behind The Mask hat ihn in den USA zum Superstar gemacht, in Europa erreichte er ebenfalls erstmals weitreichende Anerkennung. Und was macht man mit so viel Ruhm? – The Weeknd entscheidet sich, alles hinter sich zu lassen und von ganz vorn zu beginnen.

Das Video zu Starboy bebildert genau das: Der alte Weeknd wird ermordet, die Platin-Schallplatte mit einem grellen Vorschlaghammerkreuz zertrümmert. All der Luxus, all der Erfolg ist nichts wert. Und dann fährt der Starboy einsam in die Finsternis, nur das wilde Tier neben sich auf dem Beifahrersitz.



Kein Mensch versteht alle Zeichen, die im Video bemüht werden. Das macht den Film so gespenstisch – ganz in der Tradition der Vorgänger. Völlig neu wird sich The Weeknd also nicht erfinden.

Auch musikalisch knüpft er mit Starboy an das an, was man von ihm kennt. Die Zusammenarbeit mit Daft Punk sieht erstmal überraschend aus. Am Ende halten sich die Franzosen aber ganz gut zurück – ohne völlig zu verschwinden. Das ist das Großartige an diesem Song: Beide Protagonisten sind genau herauszuhören, bleiben sich absolut treu und schaffen es trotzdem, etwas ganz Organisch-Gemeinsames zu erschaffen.

Dass das Ganze Produkt dann auch noch regelrechte Ohrwurmqualitäten besitzt – was will ich eigentlich mehr?
Ich bin an dieser Stelle also einfach still und genieße sehr verzückt wieder und wieder diesen Song. Und bin mittlerweile ein bisschen aufgeregt darüber, was das kommende Weeknd-Album wohl noch so alles bringt.

Freitag, 21. Oktober 2016

David Guetta * Cedric Gervais * Chris Willis: Would I Lie To You



Hmm – ein Rückgriff auf einen 90er Hit mit Anleihen in den 70ern – Atemporalität dürfte hier mal wieder das Schlagwort sein. Und einmal mehr die Versicherung, dass es sich dabei um ein Langzeit-Phänomen handelt. So schnell drehen wir den technischen Fortschritt nicht zurück.

David Guetta hat sich also den Nr.1-Hit von Charles & Eddie aus dem Jahr 1992 geschnappt, die Hookline von seinem Lieblingssänger aus den 00ern Chris Willis einsingen lassen und das Ganze dem französischen House-Kollegen Cedric Gervais zum Überarbeiten gegeben. Rausgekommen ist … zuallererst mal ein David-Guetta-Hit, der wieder ein bisschen weggeht vom Stadion-Brachialsound und allein schon deshalb wesentlich anhörenswerter als sein Vorgänger This One's For You.

Jetzt kann ich natürlich ganz gut dran rummosern, dass das ja arg nach French Filterhouse klingt, Daft Punk winken mal ganz fröhlich um die Ecke (deshalb ja auch die funky Gitarre im Stil von Nile Rodgers. Nun ja, warum auch nicht? Irgendwie kann ich damit sogar leben.
Das, wovon ich nicht so richtig überzeugt bin ist dieser Refrain. Vielleicht auch deshalb, weil ich das Original zwar früher mal mochte, heute aber wirklich nicht mehr hören will. Da ist nicht nur das Video aus einem Jahrhundert.



Die Version 2016 hat da wesentlich mehr Schmiss. Und hätte das Vocal-Zitat vermutlich gar nicht gebraucht. Aber dann hätte der Track keine Chance auf Radioeinsatz gehabt und damit niemandem so richtig aufgefallen.

Das ist das Schräge an den heutigen Hits: So richtig wollen und sollen Sie keine Geschichten mehr erzählen – ganz auf den Text verzichten können sie aber auch nicht. Das könnte ein Effekt der Generation twitter sein. Kurzmitteilungen in kryptischer Form – gern auch poetisch mit Sprache umgehend – aber nach 180 Zeichen ist die Aufmerksamkeitsspanne schon reichlich ausgereizt.

Look into my eyes, can't you see they're open wide – would I lie to you
Don't you know it's true, girl there's no one else but you

Noch dabei? – Naja, es wird ja glücklicherweise ungefähr 20 mal innerhalb von drei Minuten wiederholt.



Dass diese Wahrheits-Beschwörung alles andere als ehrlich ist, untermalt sehr hübsch das Cut & Paste-Video, dass eine kleine Gangster-Story erzählt. Oder besser doch, die Geschichte eines Grafitti-Künstlers. Beat Street lässt hier auch grüßen – ja, das ist alles sehr hübsch zusammengeklaut. Und bedeutet in seiner Zusammenstellung so gut wie nichts.

Would I Lie To You zelebriert also in ziemlicher Reinform, wie heutzutage Kulturproduktion erfolgt. Sein Erfolg untermauert obendrein, dass es sich hier wirklich um die aktuelle Form von Popkultur handelt. Das, was es auch vormacht ist: Inhalt ist Nebensache. Da ist mir die neue Daft Punk-Single dann aber irgendwie doch lieber … naja, vielleicht nächste Woche.

Freitag, 14. Oktober 2016

Calvin Harris: My Way



Ungewohnt soft dieser Calvin Harris. Statt Brettersound fast schon sanfte Beats. Ein Anflug von Südsee-Sound (Tropic House und KYGO lassen grüßen). Und eines der ganz seltenen Male, dass der DJ selbst zum Mikro greift. Und das ist nun wirklich nicht schlecht. So ehrlich hat man ihn vermutlich selten erlebt.
Ein bisschen übertrieben ist der Chorus. Da guckt dann doch zu viel gewollte Gute Laune raus.

Freitag, 7. Oktober 2016

257ERS: Holz

Mein neues Lieblingslied ist eigentlich Lost On You von Laura Pergolizzi (LP), aber das braucht vermutlich noch eine Weile bis es das deutsche Durchschnittsradio erreicht hat. Und wer weiß, ob es sich überhaupt durchsetzen kann. Stattdessen macht sich da ein deutsches HipHop-Trio, pardon Duo, in der allgemeinen Beliebtheit breit, dass sich vor allem durch überbordende Ironie und einen mindestens genauso großen Spaßfaktor auszeichnet. Fast schon möchte ich sagen: Hier kommen die Fanta 4 aus Essen.

Obwohl das ja eigentlich kein echtes Kompliment ist. Immerhin sind die richtig lustigen Zeiten der Stuttgarter auch schon ungefähr 25 Jahre her. Da aber gerade allerorten so schön versucht wird, die 90er zu revitalisieren, könnte ich hier auch sagen: Das ist mal ein ordentliches Retro-Revival-Remake. Um wen es geht? Die 257ers, die mit ihrem jüngsten Album Mikrokosmos vor kurzem zum zweiten Mal die Spitze der deutschen Albumcharts besetzten. Und aus diesem Album gibt es sogar einen richtigen Hit. Nein - ich meine nicht Holland, dass uns so manchen Sommertag mit etwas plattem Humor bespaßte. Der Herbst gehört dem Holz.

Ehrlich gesagt war ich schon ganz schön vorn Kopf gehaun, als ich das Werk das erste Mal hörte. Oder besser: zusammen mit dem Video sah. Was denn das? Eine Dauerwerbesendungverarsche? Back in the 90s? Warum nur?



Gut - diese Scheiß-Art des Fernsehens gibt es immer noch. Ein zu hoher Adrenalinspiegel nach durchfeierter Nacht ist ebenfalls nichts Ungewöhnliches im Jahr 2016. Also gibt es vermutlich genügend druffe Menschen, die an HomeShopping TV ihren Spaß haben. Insofern ist auch der Rückgriff auf die 90er völlig in Ordnung. Tragisch finde ich eigentlich nur, dass diese Nummer, die ja eigentlich alles durch den Brei zieht, sogar den Kiffer-Reggea-Sound den sie nachmacht, dass dieser völlig nicht ernst gemeinte Track derjenige ist, der sich nun zum größten Hit der 257ers entwickelt. Kann man auf so etwas als Band eigentlich stolz sein? Sind die Fanta 4 stolz auf Die da? und Saft? (Na gut, ein paar andere Hits gab's danach auch noch - zum Glück)

Also ich hätte hier so meine Zweifel. Sicher, man kann allem noch etwas Gutes abgewinnen. Mit so einem Debilo-Hit macht man sich der Masse bekannt und kann später mit Qualität nochmal nachziehen und Leute erreichen, die man sonst nicht gekriegt hätte... Aber will ich die eigentlich erreichen? Sind die 257ers tatsächlich eine neue Version Sozialarbeiter? Das schlechte Gewissen der Jugendkultur?

Ähm - ich glaub' das irgendwie nicht. Denn die zwei 257er Druffis haben doch noch nie so richtig was ernst gemeint. Die sind genau deshalb so erfolgreich, weil immer alles nur ironisch und Spaß ist – YOLO und scheißegal auf alles andere. Ok – da muss man sich wenigstens nicht so viel den Kopf drüber zerbrechen. Entweder ihr feiert den Song oder ihr lasst es eben. Is sowieso irrelevant.
Next please!

Freitag, 30. September 2016

Sia (featuring Kendrick Lamar): The Greatest



The Greatest hat zuerst einmal für Aufmerksamkeit gesorgt durch das Video. Mit Regenbogen-MakeUp, 48 invovlierten Tänzer*innen und Einschusslöchern in einer Wand wird es als eine Erinnerung an die 49 Opfer des Attentats auf das Pulse in Orlando gelesen. Dazu die sich selbst motivierenden Lyrics "I'm free to be the greatest, I'm alive" - hier könnte eine neue Hymne der LGBTI-Bewegung vorhanden sein. Direkt in der Tradition zu Gloria Gaynors I Am What I Am.



Choreographie, Darstellerin Maddie Ziegler und auch musikalisch greift Sia auf ihr vertrautes Repertoire zurück. Das beherrscht sie sicher, das hat immer noch genug Überzeugungskraft und Zeitgeist, dass es auf Gegenliebe trifft. Auch wenn sich an einigen Stellen durchaus Ähnlichkeiten zum Vorgänger Cheap Thrills oder dem derzeitigen Major Lazer/DJ Snake-Sound feststellen lassen. Das ist ein ganz solider Track, der ruhig noch ein paarmal im Radio laufen sollte.


Freitag, 23. September 2016

Bonez MC RAF Camora Feat. Maxwell: Ohne mein Team

Ui - das wird jetzt hart. Ich als überhaupt nicht Zugehöriger zur Zielgruppe von Deutschrap beschäftige mich mit dem neuen Wunderzauberduo Bonez MC & RAF Camora. Das kann ja nur schief gehen.
Allerdings, wenn sich von einem Album alle Einzeltracks in den Songcharts wiederfinden und selbst eine Woche danach immer noch 10 davon so oft gestreamt, geladen, gekauft werden, dass es wieder für eine Platzierung reicht, dann gehört dieses Album wohl auch in den Bereich Popphänomen und damit hierher.

Interessanterweise ist es gar nicht der Titeltrack "Palmen aus Plastik", der die meiste Aufmerksamkeit erfährt, sondern der Track "Ohne mein Team". Top 10 Status und nahe dran an dem, was man schon Tageshit nennen könnte. Für deutschen Rap eher ungewöhnlich. Da kamen bislang vor allem die Kollaborationen mit seichten Liedermachern oder Schlagerhelden zu Hit-Ehren. Und es ging und geht vor allem um den einen King, den einen Helden, der sich gegen alles durchsetzt und den selbst die schlimmste Kindheit und Jugend im Ghetto nicht umbringt. Bonez MC und RAF Camora setzen dagegen ... oder eigentlich vor allem dazu: Die Crowd, die Hood, das Team.

Wir sehen uns hier einem Selbstverständnis gegenüber, das dem gnadenlos übersteigerten Individualismus und Hedonismus den Stinkefinger zeigt. Klar geht es immer noch um Spaß und Drogen und Sex – politisch unkorrekt und machohaft wie eh und jeh. Das alles gehört aber mindestens geteilt mit den Jungs aus der Gang. Was nutzt mir der ganze Klunker und Blingbling, wenn ich allein feiern muss? Lasst uns gemeinsam den Club rocken.

Dieser Wechsel bedeutet noch eine ganze Menge mehr.
Einmal heißt es: Ey, ich hab jetzt so viel Kohle, Macht und Ansehen – das reicht locker für alle.
Sozusagen die völlige Übersteigerung des "Mein goldener Benz, mein Schloss, meine Diamanten …" - damit auch die logische Fortsetzung des Materialismus-Wahns, von dem die Rap-Jungs ja irgendwie alle doch immer besessen sind.

Gleichzeitig ist die neue Haltung auch ein Zusammenrücken. Wir gehören zusammen, wir leben miteinander, wir machen uns das Leben gemeinsam schön. Das kann man gut und gern ganz positiv deuten: Hier wird es wieder sozialer. Auch wenn eigentlich kein Platz mehr im Mercedes ist, rücken wir doch zusammen und gehen alle gemeinsam auf Tour. Das ist verglichen mit dem bisherigen Gangster-Rap doch eine durchaus neue Nuance. Zumindest wurde sie in der Deutlichkeit in den letzten Jahren nicht allzu oft zelebriert

Andererseits besteht beim Zusammenrücken natürlich auch die Gefahr, dass alle die, die nicht zum Team gehören, noch viel mehr draußen sind. Das kennen wir von allen möglichen kulturellen und sozialen Gruppierungen – der Bezug auf die eigene Zusammengehörigkeit macht mitunter und nicht selten aggressiv gegenüber allen, die irgendwie anders sind.

Bonez MC & RAF Camora umschiffen diese Klippe ganz clever. Da wird nämlich erstmal alles in einen Topf geworfen: Hamburg, Berlin, Wien, Arabs, Latinos, Ghanaer, Brasilianer… Schon ist das Ganze gar nicht mehr so Deutsch-Rap wie befürchtet. Plötzlich ist es fast schon Multikulti, total global und ordentlich anschlussfähig. Fast denke ich: Auweia, wie konnte das nur passieren? Werden die Rap-Jungs jetzt etwa alle zu Hippies mit Knarren?

Auch musikalisch geht es bei Bonez MC & RAF Camora quer durchs Beet. Reggae, DanceHall, Mombathon – egal wo es herkommt, am Ende ist es meist ein ziemlich geiler und ansteckender Sound, der sich locker an dem messen kann, was international durch DJ Snake, Diplo und Konsorten propagiert wird. Ich vermute mal, dass diese Mixtur ein ganz wesentlicher Grund für den riesigen Erfolg der beiden ist. Feiernde Meuten besitzen ja durchaus Anziehungskraft – auf dem Oktoberfest stürze ich mich auch ins Getümmel aus lauter Fremden und finde sofort Freunde. Zumindest für einen Saufabend.

Klar kommt so eine Produktion, so eine Haltung nicht aus dem Nichts. Bonez MC als fester Bestandteil der 187 Strassenbande ist seit mehr als 10 Jahren unterwegs im Schmelztiegel der Einflüsse. Da ging es nicht nur um Musik, sondern immer auch um das Drumrum: Graffiti, soziale Medien, Hautkünstler und Videos. Im Hin und Her zwischen diesen Kunstformen entwickelte sich dann mehr oder weniger ein ganz eigener Lebensstil. Diese Erfahrung im Rücken macht es dann auch einfacher, sich selbst zu vermarkten und authentisch zu bleiben. Wenn das Team hier gefeiert wird, dann ist das eben nicht nur eine leere Worthülse, sondern eine jahrelang gewachsene Bande. Eine Wahlfamilie.

Vielleicht ist das auch das Neue und andere an den Jungs und ihrem Umfeld. Sie nehmen ihre Inspirationen tatsächlich direkt aus dem eigenen Leben. Da, wo die Street Credibility der Urväter des Deutschrap schon längst zu einer Kulisse geworden ist, zu einer ziemlich debilen und selbstverliebten Inszenierung, da wo andere mit fetter Künstlichkeit oder ganz besonderen Skills demonstrieren, wie geil sie sind, da scheren sich die Strassenbande-Jungs einen Dreck drum und machen ihr Ding. Natürlich gibt es immer noch den beinahe klassischen Diss-Track, natürlich geht es nach wie vor auch darum, seine eigene Männlichkeit zu unterstreichen. Das gelingt dann aber eher dadurch, dass die Typen eben so sind wie sie sind. BWL- und Jura-Studenten mit Superreimtechnik haben da schon wesentlich mehr zu tun, um sich ernsthaft als Meister darzustellen. Glatte Hochglanzabziehbilder, die gut sind für jedes BRAVO-Poster ... spätestens, wenn ich anfange mein eigenes Leben zu gestalten, frage ich mich: Was genau hat das eigentlich noch mit mir zu tun?
Bonez MC, Gzuz & Freunde haben da einiges mehr an Identifikationspunkten zu bieten.

Nun ist das ja auch ganz schön langweilig, wenn so HipHop/Rap plötzlich auf der guten Seite landet und alle das gut finden. Sogar so einer wie der Popschredder. Zum Glück bleibt mir aber trotz all des hier Geschriebenen eine vorsichtige Skepsis gegenüber Ohne mein Team bestehen. So wichtig der Zusammenhalt und das Gemeinsame sind - fürs Durchkommen und Sich-Weiterentwickeln - an irgendeiner Stelle bin ich dann doch genervt vom ewigen Zusammenhocken und Alles-Gemeinsam-Machen. Gruppendynamik ist durchaus auch etwas, das mich ganz schön einschränken kann oder mir Rollen zuschreibt, die ich gar nicht haben will. Als Mensch, der schon viel gegen solche Gruppenzugehörigkeiten gekämpft hat und einige Male einfach abgehauen ist aus den vertrauten und sicheren Strukturen und Zusammenhängen, als Mensch mit solchen Erfahrungen bin ich dann doch immer wieder ziemlich froh, wenn ich meine Tür einfach zu machen kann und all die Freunde und Kumpels und Partner einfach mal für ein paar Stunden oder Tage nicht sehen muss. Bis ich dann wieder Bock habe auf unzertrennlich und verbunden bis dass der Tod uns scheidet...

Freitag, 16. September 2016

Rag'n'Bone Man: Human



Die britische Musik erlebt im Jahr 2016 irgendwie ein Tief. Zumindest was die Präsenz auf dem europäischen Kontinent angeht. Derzeit sind gerade mal wenig mehr als 10 Produktionen der deutschen Top 100 unter Beteiligung britischer Acts entstanden. Was ist denn da los? – Brexit total oder was?

Gut, dass es da ein neues Gesicht schafft, sich zu etablieren und unsere Tage zu begleiten. Dazu noch mit richtig guter Musik. Denn das, was Rag'n'Bone Man abliefert ist waschechter Soul. Vor ein paar Jahren hatte ich so etwas wie den New British Soul aufgespürt: Gefühlvolle und stimmgewaltige Soul-Interpreten, die ganz selbstbewusst moderne Produtkionsweisen für sich entdeckten und gern auch in die Elektronikkiste griffen. Mit Rag'n'Bone Man geht es wieder ein Stück zurück zum Ursprung.

Da steht ein Mann wie ein Holzfäller auf der Bühne. Unrasiert, tätowiert – ein Kerl, der selbst im unbändigsten Sturm stand hält. Vielleicht ist seine Art sich zu kleiden ein wenig merkwürdig. Aber ich würde sofort erwarten, dass dieser Typ losbrüllt und mit Stahlgewitter auf sein Publikum eindrischt. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Statt protzender Lautstärke erklingt da eine Stimme, die Gefühle zulässt. Rau und trotzdem sensibel. Voller Leben und mit der Fähigkeit, mir etwas zu erzählen.

Zum Beispiel erklärt er mir, dass er alles andere als ein Überheld ist oder ein Prophet. Er besteht darauf ein Mensch zu sein mit Fehlern, der Fehler macht, der sich irren kann, der Dinge falsch einschätzt. Und gleichzeitig sagt er mir, dass er sicher nicht dafür verantwortlich ist, was ich tue oder du oder sonst jemand. Jeder ist für sein eigenes Handeln verantwortlich. Auch für seine Fehler. Und dann sagt er mir noch: Guck dir die an, die wirklich Probleme haben, die das Glück verlassen hat.

Eine schöne Hymne und Aufforderung endlich mit dem Jammern aufzuhören. Nehmt euer Leben in die eigenen Hände und übernehmt endlich Verantwortung dafür. Passt ganz gut zu dem, was sich da so in den letzten Monaten gesellschaftlich abgespielt hat. Da wurden und werden ja auch ganz gern Buhmänner allüberall gesucht. Und dann macht man sein Kreuz halt irgendwohin, nur um es denen mal so richtig zu zeigen, die vermeintlich an allem schuld sind. Und plötzlich sitzt man noch tiefer in der Scheiße. Dumm gelaufen.



Dazu gesellt sich ein Video, das beeindruckt vor allem durch seine Unaufgeregtheit. Ganz simpel, ganz normal zeigt es mir menschliche Gesichter. Und präsentiert damit die ganze Vielfältigkeit unseres Lebens. Alles Personen wie du und ich. Alle mit Fehlern. Und alle trotzdem einmalig.

Ich denk' es wird Zeit, dass wir wieder mehr auf solche Leute wie Rory Graham hören. Und es wird auch Zeit, dass wieder mehr wie er Musik machen.

Freitag, 9. September 2016

Disturbed: The Sound Of Silence

Kein weiterer Kommentar dazu. Das hat Jan Stremmel alles schon wunderbar zusammengefasst und dazu noch mögliche Alternativen aufgezeigt.

Freitag, 2. September 2016

The Chainsmokers Ft. Halsey: Closer



Aha – The Chainsmokers sind jetzt also die neuen Pop-Stars. Innerhalb von wenigen Monaten gleich zwei Top 10-Hits. Nicht schlecht. Oder: Gut vermarktet. Denn das, was mich beim Hören von Closer als erstes anspringt ist völlige Gleichgültigkeit. Tut niemandem weh, ist gleich wieder vergessen. Es sei denn, es wird ordentlich durch die Heavy Rotation gespült, so dass man nicht mehr dran vorbei kommt.

Ein Freund von mir sagt angesichts solcher Produktionen: "Ordentlich in den Duran Duran Topf gefallen."
Ich würde es ja eher Pet Shop Boys nennen.
Beides 80er Jahre Konzepte. Und genau deshalb so öde.

The Chainsmokers inszenieren sich ein wenig als EDM (Electronic Dance Music) Duo. Und sie treten sogar als DJs auf. Aber was ist davon bei Closer eigentlich noch übrig? Ein paar elektroaffine Einsprengsel vielleicht. Alles andere ist ganz alltäglicher Radiopop. Inklusive Strophe+Refrain-Struktur.
Waren wir da nicht schon mal weiter?

Ich weiß nicht, ob dieses Konzept der Verschmelzung von Radiopop und Dancemusic jemals progressiv und aufregend war. Vielleicht in den 80ern. Vielleicht bei Kylie Minogue. Vielleicht auch manchmal heute noch. Aber selbst Recken wie David Guetta, AVICII und Calvin Harris schaffen es nur äußerst selten, mich da zu überraschen. Am ehesten ist da so jemand wie Alan Walker eine Inspiration und kriegt etwas hin, was nicht schon 24/7 alle Stationen bevölkert. Oder vielleicht auch DJ Snake. Wobei auch das jeweils nur sehr kurze Momente sind/waren.

Jetzt also The Chainsmokers. Dass sie eigentlich auch anders können, kann man zum Beispiel an #Selfie hören. Allerdings war das ja nur als Parodie und höchst ironisch gemeint.
The Chainsmokers wollten eigentlich schon immer nichts anderes als Massenbespaßung machen. Ihre frühe Zusammenarbeit mit Priyanka Chopra erzählt da doch schon einiges.
Das ist auch gar nicht so verwerflich. Bei Popmusik geht es schließlich um Massenpopularität. Bloß, dass dieses Ziel dann ziemlich schnell zur großen Einfallslosigkeit führt, das ist das Tragische daran. Einmal im Licht des Ruhmes gestanden – schon ist man versaut für die ganze weitere Karriere und möchte um nichts in der Welt mehr zurück in die Sphären der Nicht-Wahrnehmung. Also wird kopiert und nachgemacht, was irgendwie erfolgreich zu sein verspricht, was gefällt. Und heraus kommt etwas, das kein eigenes Gesicht mehr hat.

Das ist das Blöde und Ärgerliche an solchen Mainstream-Pop-Produkten. Sie sind austauschbar wie Casting-Stars. Glatte Oberflächen, komplett beliebige Produkte – werden wir uns in 10 Jahren noch an Closer erinnern? Und an die Chainsmokers?

Ich fürchte, die Rolle des Duos in der Popmusikgeschichte wird nicht so besonders sein. Auch wenn sich das jetzt vielleicht fast so anfühlt.

Freitag, 26. August 2016

mike perry feat. Shy Martin: The Ocean



Aus Schweden kam und kommt immer wieder ganz gute, überraschende und neue Musik. Das ist kein Geheimnis. Und gerade in den letzten dreivier Jahren sind Acts aus Schweden in den deutschen Charts derart präsent, da müssen sich sogar die Briten fast schon vorsehen, dass sie nicht ihre Pop-Vormachtstellung verlieren.

Aber aus Schweden kommt dann manchmal auch reichlich einfältig und langweiliges Zeug. Zum Beispiel in Form von Mike Perry. Dieser junge DJ und Produzent wagt es doch ernsthaft mit The Ocean eine Produktion abzuliefern, die so dicht dran ist am 2016er Überflieger Faded, da bleibt einem schier der Mund offen stehen. Nun gehört das Adaptieren, Zitieren, Kopieren zu den gängigen Kulturtechniken. Es ist nichts Verwerfliches daran. Wenn allerdings völlig die eigene Idee fehlt, dann wird es tatsächlich höchst langweilig.

Und so plätschert The Ocean seicht dahin, hab ich alles schonmal gehört, nicht mal in Nuancen gibt es etwas Aufregendes zu entdecken. Alan Walker hat in seiner Produktion ja wenigstens noch den jugendlichen Weltschmerz versteckt und damit das Gute-Laune-Gefühl sehr schön konterkariert. Dazu ist Mike Perry nicht in der Lage.

Der freut sich einfach an kitschigen Strandlandschaften, hält seine Liebste bei der Hand und schaut zu, wie die Zeit vergeht.



In einer Gesellschaft, in der das Tempo ordentlich hochgepitscht ist, könnte diese Zeitvergessenheit fast schon eine kleine Revolte darstellen – allein die Videobilder sehen derartig nach Urlaubskatalog aus. Das fühlt sich nicht nach Ausstieg an, auch nicht nach dem einzigen Glück – das sieht irgendwie komplett falsch aus.

Dabei könnten die Lyrics gesungen von Shy Martin einiges an Assoziationen hergeben. Die Sehnsucht nach Schutz, Geborgenheit, nach Vertrautheit in einer ansonsten eher fremden Umgebung… Davon ist nichts zu sehen. Alles nur Hochglanzabziehbilder in Sonnenuntergangslicht – vielleicht muss ich die sterbenden Flüchtlinge im Südseegewässer einfach permanent selbst mitdenken, damit ich diese drei Minuten des Glücks genießen kann. Das Schlimme und das Chaos in dieser Welt ist so präsent, das muss ich gar nicht mehr zeigen. Die Sehnsucht nach heiler Inselwelt ist so groß, da darf es keine Störung mehr geben.

Das Ganze klingt ordentlich nach Realitätsflucht. Und gleichzeitig nach völliger Perspektivlosigkeit. In ihrer Sorglosigkeit sind die beiden der nächsten Welle hilflos ausgeliefert – The Ocean ist da nur noch das verzweifelte Flehen, dass alles möglichst schnell vorbei sein möge. Ein sehr schwaches Lebenskonzept.

Freitag, 19. August 2016

DJ Snake Feat. Justin Bieber: Let Me Love You

Muss ich jetzt eigentlich alles noch mal schreiben, was ich schon vor drei Wochen hier wiedergegeben habe? Nach Major Lazer schnappt sich nun auch DJ Snake Mr. Justin Bieber und fabriziert einen leicht ragga-dance orientierten Popsong für's Radio. Und wieder frag' ich mich: Was ist nur dran an diesem Bieber?

Ich steht da nicht allein da. Sogar Recken wie James Masterton sehen da ein wenig alt aus. Justin Bieber bricht alle Rekorde – aber warum eigentlich?

Ich find's mühselig, darüber zu sinnieren und schaue mir also lieber den Global-Wanderer DJ Snake an. Sein Album Encore ist gerade erschienen und macht zumindest in seiner Heimat Frankreich sowie den USA eine ganz gute Figur. In Deutschland dagegen will die Scheibe noch nicht so recht zünden. Warum eigentlich? Ist sein Sound für hiesige Ohren wirklich zu spröde?

Wenn man sich die letzten Veröffentlichungen anhört wie Middle (mit Bipolar Sunshine) oder eben jetzt Let Me Love You, dann würde ich eher sagen: Kann nicht sein. Verglichen mit der Dillon Francis-Kollaboration Get Low sind die neuen Werke nichts anderes als Mainstream. Let Me Love You noch wesentlich mehr als Middle. Auf diesen bedient sich DJ Snake zwar Elemente, die ursprünglich dem weniger kommerziellen Dancefloor entspringen, die vielleicht sogar mal so etwas wie einen Untergrund inspirierten, aber mittlerweile doch zum Kanon des Allgemeingültigen zählen. Für meine Mutter und ein paar andere ist dieser Sound zwar immer noch unanhörbar, aber was interessiert deren Meinung schon im aktuellen Pop-Business?

Also nehme ich Let Me Love You mal als ein bewusst gesetztes Liebäugeln mit dem Massengeschmack. Vielleicht um zu zeigen: Hört mal, auch so kann aktuelle Musik klingen.
Auf meinem Player schmeiße ich mir vor allem Tracks wie Pigalle, Ocho Cinco oder Sahara in die Playlist. Und ich hoffe, ich muss mir nicht so bald einen neuen Helden für etwas gröberen Elektro-Sound suchen.

Freitag, 12. August 2016

Shawn Mendes: Treat You Better




Kürzlich in einem recht mondänen Hotel beim Frühstück. Es läuft Treat You Better im Radio.

* Ich hätte gar nicht gedacht, dass das so ein Hit wird.
* Naja, es ist halt der aktuelle Teenie-Star…
* Aber das ist doch so ein langsames und romantisches Lied.
* Später wird das dann schon noch etwas fulminanter.
* Ja, du hast recht. – Aber eigentlich ist das doch auch nichts anderes als Schlager. Das würde sogar meine Mutter gut finden.
* Weiß nicht ... Pop – ja. Aber Schlager ...?
* Du hast recht, die kitschigen ABBA-Melodien fehlen...
* Ich find ja auch, das ist viel zu sehr gebrochen. Das ist schon voll Kitsch – aber schwups, ist da auch ein Break und ein Rhythmus, der mich völlig wieder aus dem Gefühl rausreißt.
* Es bleibt aber ohne Überraschungen. Langweilig.


Freitag, 5. August 2016

Felix Jaehn Feat. ALMA: Bonfire



Es ist schon nachvollziehbar, warum sich Felix Jaehn innerhalb von knapp 18 Monaten zum erfolgreichsten deutschen DJ und Produzenten gemausert hat. Ich schaue nur mal auf die Liste seiner Charteinträge: ein Reggae-Remix, zwei sehr poporientierte Produktionen, eine als cleveres Cover mit upcoming Jasmine Thompson und einer völlig unbekannten Polina, eine Kollaboration mit dem neuen deutschen SingerSongwriter-Helden Mark Forster (als EFF) und sogar die moderne Inszenierung eines Herbert Grönemeyer – wenn das nicht Vielseitigkeit beweist. Nun also die finnische Sängerin ALMA (/Miettinen), die ebenfalls hierzulande überhaupt niemand kennt. In Finnland, da hat sie immerhin schon ein wenig Aufmerksamkeit als Finalistin bei Idols erhalten.

Die Stimme der Sängerin pendelt sehr hübsch zwischen der leicht rotzig-frechen Art von SIA und dem eher Independent-Sound von Alessia Cara (und weil das mit den Vergleichen sowieso immer hinkt und nicht stimmt, könnte ich hier gleich noch drei bis sechs andere Namen nennen). Und sie traut sich auch, einfach mal ein rauhes Kratzen zuzulassen, oder sogar verhaucht ins Mikrofon zu singen. Das ist dann doch reichlich weit weg von den allerorts hochgeladenen Schönsing-Versuchen, die vor allem unlebendig klingen. Kein Wunder also, dass sie es dann am Ende doch nur bis zu Platz 5 im Casting geschafft hat. Und auch gut. Denn so kann sie von Felix Jaehn jetzt entdeckt werden und ich wende mich nicht sofort genervt ab in der Art: Klar musste der auch noch die ins Studio holen.

Zu der nicht ganz so glatten Stimme kombiniert der Produzent einen ebenfalls nicht ganz so lieblichen Sound. Klar, die Glöckchen aus Ain't Nobody (Loves You Better) dürfen nochmal herhalten und mir eine schöne Erinnerung an den Sommer 2015 bescheren. Dazu gesellt sich aber der quakende Entengesang, der durch Produzenten wie DJ Snake und Diplo bereits ordentlich populär gemacht wurde. Und so entsteht eine ganz hübsche Mischung aus einem flauschigen Sommertagssong, der auch nachts im Club noch seine Potenziale entfalten kann.

Kann man zum Ende dieses ansonsten auch musikalisch nicht so wahnsinnig aufregenden Sommers schonmal machen.

Freitag, 29. Juli 2016

Major Lazer feat. Justin Bieber & MØ: Cold Water



Hmm - also mal ganz ehrlich: Finde ich das cool, dass Major Lazer nun endgültig zum Mainstream-Act mutiert? Ich mein: Justin Bieber.

OK - da gab es ja auch vorher schon Bieber-Begegnungen und -Collaborationen: Where Are Ü Now unter dem Jack Ü-Label zum Beispiel. Oder auch die Skrillex-Bieber-Nummer Sorry, die ja auch schon ordentlich auf den aktuellen Dancefloor schielte. War sogar alles gar nicht soooo schlimm...

Trotzdem habe ich mich erstmal geschüttelt und gedacht: Och nöö - das ist doch gar nicht nötig.
Und dann: Warum muss das Ding dann auch gleich so erfolgreich reinhauen? Warum nicht heimlich irgendwo veröffentlichen und warten bis es sich von ganz allein als Brenner durchsetzt?

Es gibt also eine Menge zu nörgeln und zu fragen. Und ich weiß auch gar nicht genau, ob ich dass so geil finde, dass Cold Water Major Lazers erste Nummer 1 in Britannien sind. Und in Deutschland sowieso auch das erfolgreichste was die Jungs je veröffentlicht haben.
Das Einzige was mich tröstet: es gibt viel Schlimmeres auf dem Markt. Zum Beispiel die aktuelle Nummer 1 in Deutschland. Insofern kann ich Major Lazor + Bieber sogar richtig abfeiern. Aber ist der Song überhaupt gut?

Kann ich nicht beantworten. Klingt nach Major Lazer wie gewohnt - ja. Vielleicht insgesamt auch schon ein ganzes Stückchen zu erwartbar. Der Überraschungseffekt, den ich ja sonst doch recht oft bei Major Lazer habe, der beschränkt sich höchstens darauf, dass ich finde: Hey, das ist ja immer noch ein Bieber-Song!

Das finde ich tatsächlich einigermaßen besonders. Hier geht der Dancehall-Raggaton-Sound eine ziemlich unerwartete Fusion mit dem Mainstream-Teenie-Idol-Style ein. Justin Bieber darf klingen wie Justin Bieber, darf sogar Geschichten von Liebesleid und -freud singen, so wie immer. Und ohne das Geschrammel von Major Lazer hätte das Ganze auch schon vor dreivierfünf Jahren erscheinen können. Als Justin Bieber sich noch nicht als cooler Sänger mit 'ner Menge Reputation inszenieren ließ.

Aber ob diese merkwürdige Fusion/Melange nun ernsthaft das neue Ding, der heiße Scheiß von 2016 ist? Ich weiß es nicht.
Eine Menge Menschen sind sich da eher einig, kaufen und hören den Track – abfeiern angesagt. Ich hoffe nur, dass das in der Mehrheit Menschen sind, welche mit anderen arg am Mainstream orientierten Produktionen eher weniger am Hut haben. Andernfalls wäre Cold Water wahrscheinlich doch eher der absolute Tiefpunkt in der Entwicklung der Lazers.

Freitag, 22. Juli 2016

GALANTIS: No Money



Ich weiß auch nicht, was alle Welt nur an diesen Katzen findet. Und da meine ich gar nicht die unselig vielen Katzenvideos auf allen möglichen Portalen. Oder vielleicht doch auch.

Mittlerweile ist die Katze nicht mehr einfach nur Trash oder Kinderzeug, sondern sogar popkulturell geadelt. Erstmal war es die Musikplattform napster, die sich so ein Fellvieh als Logo gab. Dann kam das eher im Underground beheimatete Electro-House-Label Suara auf die Idee, seine Releases allen Ernstes mit Katzengesichtern zu schmücken. Und seit gut zwei Jahren treibt sich außerdem ein schwedischer Dance-Act herum, der sich völlig dem Katzenwahn hingibt. Warum nur?

Immerhin, Galantis geben sich wenigstens Mühe, aus dem Katzentier noch was künstlerisch Verziertes zu machen. Das kann dann schon mal wie eine Orchidee aussehen oder an ein abstraktes Muster erinnern. Aber mal ehrlich: Katze bleibt Katze.

Wenn ich also schon die Covergestaltung nicht verstehe, das Video ist noch eine Nummer härter. Da sind dann also lustige Katzen- und Tierbemalungen kombiniert mit Kindergesichtern. Aua aua aua. Geht's noch debiler?



Jedes Pokémon Go-Dings ist cooler als dieses Video. Wer hat den beiden Musikern das eigentlich eingeredet? Oder wurden sie gar nicht erst gefragt?

Klar, das reiht sich ganz gut ein in die Kinderkram-Videos von Easy Love (Sigala) bis Changes (Faul & Wad Ad vs. Pnau). Das Glorifizieren der Kindheit ist gesellschaftlicher Konsens. Siehe auch Please Tell Rosie (alle farben feat. YOUNOTUS). Gesichtsbemalungen zelebriert auch DJ Snake mit seinem Video zu Middle...

Wahrscheinlich zielt auch eine Reihe dieser Produktionen nach wie vor auf die Pubertierenden als Zielgruppe. Schon ganz schön selbständig, aber immer noch ordentlich verspielt und kindisch – mit putzigen Tieren kann man hier ordentlich punkten und Geld machen.

Oder sind die Produzenten der genannten Hits allesamt völlig überfordert vom Erwachsensein? Vermissen Ihre Unbeschwertheit. Oder haben Angst sie zu verlieren, weil um sie rum alles so ernsthaft zugeht. Kein Platz mehr für verspielten Zeitvertreib.

Was erzählt denn die aktuelle Produktion No Money so ganz ohne Inszenierung? Da höre ich eine ordentlich überdrehte Stimme, die auch ganz gut einem Kind gehören könnte. Reichlich laut erklärt Sie: Vergiss es, von mir kriegst du nichts. Und selbst wenn du mich zur Strecke bringst, da ist nichts zu holen. Und übrigens steh' ich auch allein wieder auf.

Das klingt schon ganz gut nach Selbsbefreiung: Lasst mich alle in Ruhe. Ich mach' mein Ding allein.
Oder auch: Hört endlich auf mit dem Betteln. Ich kann auf eigenen Beinen stehen und für mich selbst sorgen.

Das wäre dann mal tatsächlich eine politische Botschaft, die unverblümt Kritik an unserer Gesellschaft übt. Da geht es ja permanent drum sich zu engagieren, sich einzubringen, zu spenden, für andere da zu sein. Nur für einen selbst ist vielleicht grad nichts übrig.

Die Bilder aus dem Video machen's dann doch ein bisschen deutlicher: das sind nicht die Rich Kids, die sich da vor lauter Langeweile verkleiden. Das sind eher die, die sich durch reichlich rauhe Umgebungen kämpfen müssen und die nicht ganz so viel Fun in ihrer Kindheit hatten. Das fordern sie hier endlich mal ein. Unter anderem mit Tierbemalungen. Die Katze ist dabei nicht nur das süße Kuscheltier. Die zeigt vor allem auch ordentlich ihre Krallen. Vorsicht also vor dieser albern aussehenden Guerilla!

Das wär' mal eine Interpretation mit der ich was anfangen kann. Und die sogar einen gewissen Coolness-Faktor hat. Also mit dem Dance-Sound einigermaßen mithält. Der ist vielleicht nicht das völlige Non-Plus-Ultra, aber für eine Produktion, die es in den Mainstream schafft und mittlerweile sogar bei Service-Wellen erklingt, für so eine Produktion ist das Ergebnis jetzt nicht mal die allerschlimmste Variante.

Da bin ich also schon fast versöhnt mit No Money – kann man schonmal machen.
Katzen find ich trotzdem voll daneben.

Freitag, 15. Juli 2016

Jennifer Lopez: I Ain't Your Mama



Irgendwie auch süß. Jennifer Lopez beschwört die Emanzipation der Frau und tut dies mit einem Raggaton/Dancehall-Track samt sexy Video. Wie immer kann man hier cleveres Kalkül vermuten und das Ganze dechiffrieren als Feminismus 3.0 – oder aber man hält es für mindestens brüchig, inkonsequent oder sogar affirmativ-anbiedernd. Sucht euch selbst was aus!

Hier gibt's noch ein bisschen Futter für die Entscheidung.

Der Text ist klar und direkt: Such dir jemanden anderes zum Wäsche waschen und kochen. Nerv' mich nicht, nimm' mich ernst.
Im Video dazu wird ein medial verbreiteter Aufruf zum wahren Aufstand der Frauen. Ob Hausfrau, angestellt, Sekretärin oder in der Großfabrik – Schluss mit der Bevormundung und Unterdrückung durch Männer. #aufschrei

Dass Emanzipation trotzdem sexy und aufreizend sein kann, das gehört bei Jennifer Lopez dazu. Schon immer. Sie ist gern eine gutaussehende Frau, die ihre Reize einsetzt. Also lässt sie sich das Video auch gleich von einem Mann auf den Körper inszenieren. Der dann auch nicht mit lüstern-geilen Einstellungen geizt. Oder ist das alles genau so gewollt?
Offenbar können auch emanzipierte Frauen mit viel Geld den herkömmlichen Rollenverteilungen einiges abgewinnen. Männer können Frauen einfach besser (soll heißen sexistischer) ablichten.

Mindestens genauso sieht es aus bei einem Blick hinter die Kulissen: Lunchmoney Lewis und Dr. Luke stehen da als Autoren, gut Meghan Trainor auch. Produziert wurde das Ganze von Dr. Luke. Im nicht ganz unproblematischen BootyShake-Style. Übertrieben sexuelle Inszenierung als Waffe gegen Sexismus. Vielleicht.

Es gibt und gab einige, die solcherart verzwickte Kodierung nicht mitmachen. Kaum war Ain't Your Mama veröffentlicht, gab es eine virale Kampagne: Wie kann es sein, dass ein feministisch gemeinter Song von Dr. Luke produziert wird, wo eben jener doch gerade ein Gerichtsverfahren wegen sexueller Belästigung, Nötigung, Vergewaltigung am Hals hat?
Schwere Geschütze. Und selbst wenn da am Ende nichts dran ist - das Verfahren zieht sich noch hin, bewiesen ist gar nichts - ist ein feministischer Aufruf, der sich den herrschenden Strukturen des (männlichen) Pop-Business bedient, wirklich ernszunehmen?

Aber auch anders herum: Gibt es einen besseren Weg seine revolutionären Botschaften unter die Leute zu bringen als über einen Mainstream-Hit? Selbst das kleinste Mädchen kann nun mitpfeifen: "I Ain't Your Mama" - und bemerkt eines Tages, was das eigentlich bedeutet.
Ganz schön subversiv diese Taktik.

Oder aber: Man kann heute eben alles singen und sagen und tun – es bleibt ohne Wirkung. Denn schon lange hat die bunte, oberflächliche Popfassade alle Bedeutung zugekleistert. Niemand interessiert sich dafür, was in einem Song steckt. Und hineininterpretieren kann man sowieso alles. Diese Rubrik macht es wöchentlich vor.
Herzlich willkommen im Pop-Dschungel des 21. Jahrhunderts!

Freitag, 8. Juli 2016

alle farben feat. YOUNOTUS: Please Tell Rosie



Alle Farben ist einer dieser jungen deutschen DJs, die mit ihrem locker flockigen DeepHouse-Sound derzeit eine Menge junger Menschen in Verzückung versetzen. Das Schöne an Alle Farben aka Frans Zimmer ist, dass er nicht so omnipräsent wie seine Kollegen Robin Schulz und Felix Jaehn ist. Und dass er auf die ansonsten reichlich häufig zelebrierte Melancholie verzichtet. Und so ist auch Please Tell Rosie ein ganz hübsch-beschwingtes Stück.

Gefeiert wird die Lust an der Musik, die Freude daran. Uneingeschränkt. Egal ob es regnet oder Sonne scheint. Nachts, tags, morgens, dazwischen. Im Liebesrausch genauso wie bei Liebeskummer.

Das ist mächtig positiv und euphorisch. Und Alle Farben sagt auch gleich, was das auch bedeutet:
"Es geht eigentlich um mich und darum, dass ich immer unterwegs bin, weil ich mich täglich für meine Liebe zur Musik entscheide.“
Also geht es auch um die uneingeschränkte Hingabe. Eine, die nichts anderes zulässt: Kein zu Hause, keine Beziehung daneben, irgendwie auch soziale Verarmung und Vereinzelung. Rosie soll daheim nicht warten, sich nur ab und zu mal um die Blumen kümmern... Dass muss man als Rosie jetzt auch erstmal aushalten.
Und wie Frans Zimmer reagiert, wenn Rosie das Gleiche für sich verlangt, das weiß man nicht so genau.

Please Tell Rosie zeichnet also ziemlich genau das Bild nach, welches mittlerweile reichlich oft durch Studien und Umfrageergebnisse geistert. Unsere Gesellschaft ist sehr Ich-bezogen geworden. Es geht um die unmittelbare Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Das soziale Miteinander ist nicht mehr so wichtig. Es ist mehr einem Nebeneinander gewichen. Oberflächliche Kontakte sind omnipräsent - wenn es tiefer geht, wird es kompliziert. Da stimmt dann auch wieder der Weltschmerz, der in anderen DeepHouse-Hits präsent ist - siehe oben.

Muss nicht unbedingt nur negativ und schlimm sein – ist aber in jedem Fall ein ordentlicher Kontrast zum sehr gern als positives Beispiel heranzitierten Gesellschaftsmodell mit Generationenvertrag, Solidarität, Familie als Keimzelle der Gesellschaft ...



Das Video bedient einmal mehr die Angst, dass mit dem Erwachsen-Sein jegliche Freude und Lebenslust verloren geht. Ein Job, der gerade mal das Überleben sichert, Eintönigkeit, Sinnlosigkeit. Und das soll es gewesen sein?

Schön, dass man sich vielleicht doch etwas unbeschwerte Kindheit bewahren und einfach auf der Straße tanzen kann. Ob sich dieses Verhalten nun als Flucht oder Lebenskonzept erweist, muss vermutlich jede/r für sich selbst rausfinden. Ich halte mir hier mal ganz optimistisch die Version offen: Es ist möglich auch nach der Jugend noch unbeschwert, glücklich, spontan und frei sein Leben zu gestalten.

Mal gucken, ob das Frans Zimmer auch so gelingt.

Freitag, 1. Juli 2016

IMANY: Don't Be So Shy (Filatov & Karas Remix)



Krass finde ich es jedesmal wieder, wenn sich Vorurteile völlig bestätigen. So simpel funktioniert also die Welt? Menschen geben sich so schnell mit dem zufrieden, was sie sind, schaffen es nicht oder trauen sich vielleicht auch nicht irgendeine Art von Eigenheit zu erzeugen. Für mich völlig unverständlich.

So geschehen kürzlich bei Imany und ihrem Hit Don't Be So Shy. Der läuft also in irgendeinem Zusammenhang und ich denke: Ui, das ist aber absolut russische Strandparty. Das hab ich ja zuletzt 1987 in Rumänien erlebt.
Und nur wenig später erfahre ich: Die Produktion stammt von zwei russischen DJs namens Dimitry Filatov & DJ Karas.

Boah – das tut mir jetzt aber wirklich leid. Ich mein, russische Pop-Musik, da gibt es doch bestimmt mehr als seicht-angepasste Dudelsoße vom Straßen-Imbiss. Wenn es wenigstens ordentlich kitschig-schwülstig wäre. Oder auch Eurotrash à la Verka Serduchka. Aber nein, es macht auf französisch-inspirierte Disco. Voyage Voyage hat hier wahrscheinlich Pate gestanden. Und Joe le Taxi. Obwohl – genaugenommen hatten diese Hits ja wenigstens noch den Mut, so etwas wie eine eigene Interpretation mitzubringen. Oder eine Idee davon.
Beim Remix von Dont Be So Shy denke ich nur die ganze Zeit: Hoffentlich kommt jetzt nicht noch Chris Rea um die Ecke.

Da kann dann auch Sängerin Imany gar nichts mehr retten. Vielleicht hat sie eine ausdrucksstarke Stimme. Vielleicht kann sie Nuancen betonen und hervorzaubern, die mich berühren könnten. Weiß ich alles nicht. Will ich nach diesem Remix auch gar nicht mehr wissen.

Diesen Song höre ich, wenn ich völlig betrunken bin und mir tatsächlich egal ist, was da gerade läuft. Da könnte auch Peter Maffay oder Männer aus den Boxen quellen. Da schwinge ich bei allem mit und schunkel ein bisschen. Da kuschel ich auch mit Bekannten, mit denen ich sonst maximal ein Bier trinken gehe.

Da hat Imany also wirklich keinen besonders cleveren Griff getan. Schlimm ist vor allem, dass sie gleich mehrere ihrer Songs an das russische Duo zum Aufputzen gegeben hat. Am Ende werden alle Aufnahmen mit dem selben Modern-Talking-Beat unterlegt und unterscheiden sich kaum noch. Da ist dann Don't Be So Shy sogar noch der auffälligste Track.

Spannend könnte es höchstens sein, zu ergründen, warum Filatov & Karas so stromlinienförmig daherkommen. Ist das eine Eigenschaft der aktuellen russischen Pop-Kultur: bloß nicht anecken, schön auf belanglos machen, oberflächliche Unterhaltung ohne einen Funken von Selbstironie, von Kritik ganz zu schweigen, alles gern auch mit Pseudo-Luxus aufgepeppt ... Inszenierte Selbstversicherung: Uns geht es doch gut, was brauchen wir mehr, wir sind die besten der Welt. Selbstgenügsamkeit pur.

Und das ist das eigentlich Langweilige an diesem Remix: er genügt sich völlig selbst. Er setzt sich weder mit dem Originalmaterial auseinander noch schafft er irgendeine spannende Synthese von verschiedenen Zugriffen.
Dass sich so viele Menschen damit begnügen und anfreunden können, ist irgendwie auch traurig.

Freitag, 24. Juni 2016

Max Giesinger: 80 MIllionen



Und noch so ein Fußball-EM-bezogener Song. Obwohl momentan die erste große Euphorie etwas verflogen ist. Vorrunden-Alltag ist eingezogen. Und so spielen auch all die musikalischen EM-Übertragungs-Unterlegungen eine etwas weniger wichtige Rolle. Aber natürlich sind sie noch da: beim Public Viewing, im Autoradio, im Alltag. Und einer dieser Songs ist auch Max Giesingers 80 Millionen. Wobei der ursprünglich so ziemlich gar nichts mit Fußball zu tun hatte.

Das, was Max Giesinger da auf seinem Album Der Junge, der rennt veröffentlicht hat, ist erstmal ein reines Liebeslied. Auch eines, das sagt: Puh, nochmal Glück gehabt. Irgendwo hab ich gelesen, dass es die Zweifel und die Unsicherheit der Generation Y oder Z ausdrückt ... sie's drum.

Max Giesinger ist also verliebt und kann das gar nicht richtig glauben. Ein bisschen ist das schon auch waschbärchensüß: Hätte ich nie gedacht, dass so etwas passieren kann. Die große Liebe gibt es doch gar nicht. Heimlich hat er sich aber doch immer wieder danach gesehnt. So ist das mit den Märchen, die einen nicht wirklich verlassen, sondern im Kopf drin sind und immer wieder die Folie für unsere Wünsche sind.

Und nun also ist es passiert. Rein rechnerisch geht das gar nicht. Da kann man die Welt noch so viel studieren und berechnen, am Ende sind es doch Zufälle, Spontanbegegnungen, unsteuerbare Anlässe, die uns immer wieder beeinflussen und durcheinander bringen. Auch schön.

Und das feiert Max Giesinger. Schon auch mit einem kleinen proletarischen Fußballstadionchor. Euphorie in der Masse. Viel besser als nur die kleine Freude zu Hause. Hat ja schließlich auch was mit Teilen des Glücks zu tun.



Und wahrscheinlich ist es genau dieser Moment, der am Ende dafür sorgt, dass 80 Millionen auch in der neuen Version richtig funktioniert und den Song zu einem Überraschungs-Überflieger-Hit dieser EM macht. Denn nur der Text: "Ihr seid nicht allein, hinter euch stehen 80 Millionen" – der kann's ja nicht sein. Da gibt es genügend ähnliches Material auf den Hochladeplattformen dieses Landes.

Mitjubeln ist also angesagt – und fest an den Sieg glauben. Ein bisschen ist das auch Kollektivzwang. Wer sich nicht mitbegeistern lässt, ist raus. Oder wird rausgeschmissen. Auch das ist etwas, was in der neuen Version durch Max Giesinger transportiert wird.

Wenn nämlich 80 Millionen nicht nur mitfiebern und zittern, sondern mit Druck hinter einem stehen und Erwartungen haben, dann ist jedes Gegentor tatsächlich eine Staatskrise. Und ein Unentschieden erst recht. So ähnlich führt sich derzeit ja besonders die Medienmaschine auf. Was da alles analysiert und reininterpretiert werden kann. Da bin ich ganz schön froh, dass die Mannschaft samt Team drumrum das Ganze ein bisschen gelassener ansieht. Zu viel Pseudo-Verantwortung kann nämlich ganz schnell auch die Lockerheit wegmatschen.

Also hör ich mir vielleicht doch lieber das Original vom Album an und freu mich, das es auf der Welt auch Dinge gibt, die man nicht bis ins Letzte erklären kann.

Freitag, 17. Juni 2016

David Guetta feat. Zara Larsson: This One's For You



Über David Guetta schreiben? Och nö – da fällt mir doch nichts mehr zu ein. Der Mann veröffentlicht alle Nase lang einen neuen Song. Einer klingt identischer als der andere. Also nix Neues.

Höchstens das: als Frankreichs Vorzeige-Super-DJ darf und muss er zum Sporthöhepunkt des Jahres ran. Kostenloses Konzert als Einstimmung, Eröffnungs- und Abschlusszeremonie und natürlich auch offizieller UEFA-Song. Wundert es da noch jemanden, dass This One's For You sich auch in den Verkaufscharts tummelt?

Was wäre der Song ohne den Fußball-Hype? Vielleicht ganz knapp Top 20 – Durchschnittsware also. Da rettet auch Zara Larsson nichts. Zumal sie bislang ja auch eher mit naiv-fröhlicher Durchschnittsware in Erscheinung getreten ist.

Bei This One's For You wiederholt sich das Ganze nochmal: Während die EM also mehr und mehr überschattet wird von allerlei Gewaltakten, da macht das Duo Guetta/Larsson auf sorglose Party. Mit Gedröhn! Seid endlich alle fröhlich und kümmert euch nicht um die Dinge, die da nicht so funktionieren: Hooligans, Terror, radikalisierte Brexit-Fans ... Das ist schön auf offizieller UEFA-Linie. Mantramäßig wird wiederholt: Sport hat nichts mit Politik zu tun!

Sicher, der sportliche Wettbewerb sollte nicht zur Bühne für politische Zwistigkeiten werden. Wo sich Sport-Offizielle aber um eine anständige Haltung drücken (Menschenrechte, Gleichheit, friedliches Miteinander), da wird das Körperspektakel dann eben doch schnell vom Politischen eingeholt. Immerhin, randalierende Hooligans will man nicht länger dulden. Ob ein Ausschluss der betreffenden Manschaften aber bei den wilden Horden eine Verhaltensänderung bewirkt – ich zweifel das mal an.

Für die Mehrheit natürlich ist diese EM ein Fest. Muss man jetzt tatsächlich auch nicht überbewerten, dass ein paar Idioten die Aufmerksamkeit nutzen um auch mal auf der Weltbühne wahrgenommen zu werden. Für die meisten geht es ums Miteinander. So wie es Zara Larsson im Text besingt: Gemeinsam sprengen wir Grenzen und setzen neue Maßstäbe.

Das Video liefert dazu eine Tour um die Ganze Welt: Rio, Taj Mahal, New York – und überall wird Ball gespielt. Arm, reich, Junge, Mädchen, schwarz, weiß und alle Farben dazwischen. Für einen Moment glaube ich wirklich, dass alles gut wird und die Welt nicht unbedingt ein schlechter Ort sein muss. Aber wirklich nur für ganz kurz.



Dieses Glück, diese EM ist ein sehr filigranes Gebilde – es braucht nur wenig, um eine Menge zu erschüttern. Zu viel ist in den letzten Monaten auf dieser Welt passiert. Ich kann verstehen, dass aufgrund dieser Erfahrungen die Behauptung von Fröhlichkeit und Glück um so lauter sein muss. Das ändert die Wirklichkeit aber leider nicht. Und deshalb sind mir diese übergroßen Inszenierungen doch schon ganz schön über. Ob nun Eurovision oder UEFA EM – zu viel Spektakel, zu viel Geschreie. Ich finde, es wird mal wieder Zeit für ein paar leisere Zwischentöne. Die könnten auch einem Track von David Guetta ganz gut tun.

Freitag, 10. Juni 2016

The Chainsmokers Ft. Daya: Don't Let Me Down



Manchmal tauchen Namen wie aus dem Nichts auf und sind plötzlich völlig der Hype – da weiß ich mitunter gar nicht: War das jetzt cleveres Marketing, oder haben die wirklich grad eine perfekte Schaffensphase. Zum Beispiel The Chainsmokers. Die haben vor zwei Jahren mit #Selfie ordentlich Furore gemacht – ist sogar so etwas wie ein mittlerer Hit geworden. Dann war doch längere Zeit Ruhe, aber dann tauchen sie seit drei vier Monaten wieder auf ... nicht einfach mit einem neuen Hit, sondern gleich mit zweien: Roses und Don't Let Me Down. Und beide stellen ihren internationalen Einstand erfolgsmäßig in den Schatten.

Die starke Präsenz hat sehr wahrscheinlich mit dem Wechsel der Plattenfirma vor gut einem Jahr zu tun. Disruptor Records – ihr neues zu Hause – kolaboriert eng mit Sony Music Enterteinment, da agiert also schon eine recht große Marketing-Maschine im Hintergrund. Und das dürfte einen guten Teil des neuen Erfolges der Chainsmokers ausmachen. Wenn man Musik nicht kennt, dann kann man sie auch nicht mögen – mehr Verfügbarkeit bedeutet auch mehr Chancen auf Verkauft-Werden. Einfaches Marketing 1x1.

Und wie ist das mit Sängerin Daya? Die 17-jährige taucht tatsächlich aus dem Nichts auf und erreicht Radiostationen und Charts nahezu gleichzeitig mit zwei Songs. Zumindest in Deutschland. Da spielt dann der Zufall oder die durchaus eigenwillige Veröffentlichungspolitik von Musiklabels eine Rolle, denn Hide Away ist schon seit Herbst 2015 auf dem US-amerikanischen Markt verfügbar. Aber erst, nachdem es sich dort als mittlerer Hit gut etablieren konnte, ist der Weg frei für den europäischen Markt. Im Jahr 2016 eigentlich völlig unverständlich, wo doch digitale Medien und globale Vernetzung eine simultane Verfügbarkeit garantieren und selbst koreanische No-Names in wenigen Tagen oder höchstens Wochen zu globalen Stars werden.

Warum dann vor allem Don't Let Me Down zum durchschlagenden Erfolg wird, hat sicher auch etwas mit kalkulierter Berechnung zu tun, denn verglichen mit #Selfie ist der Song ja geradezu unscheinbar artig. #Selfie war geradeaus, sarkastisch, lustig und böse. Musikalisch und inhaltlich ziemlich kompromisslos. Und hat genau deshalb ordentlich gefetzt und Spaß gemacht. Auch wenn das Ganze vielleicht nur ein Persiflage sein sollte. Hat funktioniert.

Bei Don't Let Me Down erkenne ich mit den ersten Akkorden die Chainsmokers erstmal gar nicht wieder. Gitarrenmäßige Einzeltöne als Hookline – was ist denn das? Eine Anbiederung an die Deephouse-Country-Pop-Bewegung der letzten Jahre? Gut, mit dem Refrain setzen auch ein paar Trap-Sounds ein, so dass ich zumindest erkenne: Die beiden Jungs haben ihr Zu Hause wirklich im elektronischen Clubbereich.

Zum Pop-Titel wird der Track ganz wesentlich auch durch Dayas Gesang. Der ist kraftvoll, stark, eindrucksvoll – auf jeden Fall, aber eben auch sehr nah dran am Stil von Rihanna oder SIA. Das funktioniert im Mainstream grad ziemlich gut – und Daya ist tatsächlich auch eine Vertreterin, die diese Art sehr überzeugend meistert ohne ins Rumgeschreie abzurutschen wie so manche ihrer Kolleginnen. Vielleicht liegt es daran, dass sie ihren Text in allen Facetten tatsächlich empfindet. Hier geht es nämlich nicht nur um das Flehen, nicht allein gelassen zu werden, oder um Verzweiflung, sondern auch um die Enttäuschung, das Wissen um den Absturz, die Niederlage ... am Ende also den Schmerz.

Das funktioniert im Zusammenspiel mit dem Geschredder der Chainsmokers ganz gut. Und auch in den liedhafteren Passagen weiß sich Daya ganz gut zu behaupten. Insofern ist die eigentliche Entdeckung dieses Songs die junge Sängerin, weshalb es sich lohnt, auch mal in ihre anderen Aufnahmen reinzuhören. Das meiste davon ist mit elektronischen Sounds angereichert, die ordentlich auf Dekonstruktion setzen – vielleicht hat sie ja irgendwann auch mal Lust, ähnliches mit ihrer Stimme auszuprobieren. Das könnte dann richtig aufregend werden.
Die eher schlagerhaft daherkommenden Remixe sind dagegen äußerst belanglos und tun auch ihrem Gesang nicht unbedingt einen Gefallen.

Für alle, die Musik vor allem über Videoplattformen wahrnehmen, lässt sich an Don't Let Me Down ein kleines Kuriosum beobachten. Während das offizielle Video mit den Original-Künstler*innen nicht allzu viele Einfälle zu bieten hat, versorgt uns das Lyrik-Video mit einer viel konsistenteren Story. Die dem Text eine mögliche Interpretation hinzufügt. Dagegen ist das magisch sich aufbäumende Auto nur ein sinnleerer visueller Trick, der nichtmal choreographisch die 3-Minuten des Songs lang trägt.



Freitag, 3. Juni 2016

DNCE: Cake By The Ocean



Nun haben also beide Jonas Brothers eine Karriere nach ihrem Teenie-Brüder-Projekt erfolgreich laufen. Das ist der eher langweilige Fakt hinter Cake By The Ocean.
Auf der anderen Seite ist genau dieser Klatsch-Tratsch-Aspekt bei DNCE momentan wesentlicher Bestandteil ihrer Inszenierung. Interessant dabei ist, wie kink und queer US-Amerikanischer Mainstream-Pop im Jahr 2016 also sein darf. Das ist dann tatsächlich ordentlich erstaunlich, denn was sonst so an gesellschaftspolitischen Meldungen über den Atlantik schwappt, das deutet ja eher auf das Gegenteil hin.

Kann also gut sein, dass die etwas jüngere und gerade nachwachsende Popkultur-Generation hier eine ganze Menge Spaß auslebt, den die Spießer und Landbewohner nicht so richtig geil finden. Und vielleicht gerade deshalb so verbissen und aggressiv drauf sind. Das darf ja nicht sein, dass das Leben auch Spaß machen darf...

DNCE haben also mit ihrer übermedialen Präsenz sehr viel Freude und schaffen es, ihre richtig gute Laune an mich zu übertragen. Das gelingt ihnen vor allem, weil sie doch eine Menge Zeug quer durcheinander hauen und einen eigenen Stil definieren. Überraschung und Lebenslust ist das vorherrschende Prinzip. Konsequenter durchgehalten und zugelassen als es beispielsweise ihre australischen Kolleg*innen von Sheppard tun. Und zwar musikalisch genauso wie visuell.

Fang ich mal mit der Musik an. Was mit den ersten Tönen zwar sehr funky anfängt, könnte aber dann doch auch noch so ein Jungsband-Hit aus dem Poprocktopf werden. Passiert aber nicht, denn der Song nimmt ganz schnell Fahrt auf und dreht sich spätestens mit dem Falsett-Refrain auch emotional in Hochstimmungen, die von schrillen Pfeiftönen im Hintergrund begleitet werden. Das ist mal 'ne Partry! Da kann ich sogar Gitarren richtig gut finden.

Dass der Song so hochgepeitscht daherkommt ist ganz klar – hier geht es nämlich um eine Menge Anzüglichkeiten und Lust. Da bleibt keine Zeit für lange Balzrituale. Zur Sache Schätzchen!
Und wie das bei zwei- und mehrdeutigen Texten immer ist, es bleibt viel Spielraum für eigene Interpretationen und vor allem auch reichlich lustige Missverständnisse. Da darf man sich schon mal die hübschen Gossip-Geschichten aus wikipedia reinziehen und gleichzeitig auch den Kopf schütteln über den Fakt, dass das US-Amerikanische Radio allen Ernstes auf einer Clean-Version besteht. Wie oben schon angedeutet: man kann sich auch jegliche Freude am Dasein verbieten.

Entsprechend der musikalischen Performance, lässt sich auch das Video nicht lumpen und inszeniert wortwörtlich eine Tortenschlacht am Strand. Auch hier hübsche Verdrehung der gewohnten Sehweisen, denn während die erste Strophe vor allem eine Horde weiblicher Models in altbekannten Posen abgefilmt wird, taucht dann glücklicherweise auch Josh Ostrovsky auf und darf sämtliche Posen auch nochmal wiederholen. Und natürlich sind die Cheerleader Jungs in knappen Badehosen. Da beginnt dann der Spaß – Klischees kennen, bedienen und brechen. Man schaue sich dagegen die langweilig glatte Inszenierung der Fifth Harmony an – hier liegen Welten dazwischen.



Im Hintergrund zum Video war auch Gigi Hadid aktiv. Muss man als Model-Schönheit jetzt nicht unbedingt mögen, als Pop-Ikone hat sie sich allerdings schon einige Lorbeeren erarbeitet – zuletzt als VideoPartnerin in ZAYN's Pillowtalk (klar – mittlerweile sind sie ja auch offiziell ein Paar).

Cake By The Ocean repräsentiert also mit jeder Facette aktuelle, junge Popkultur. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass DNCE hier mal so ganz nebenbei an dem Faden weiterspinnen, den die Scissor Sisters vor einigen Jahren auf die Bühne geworfen haben. Naja und Adam Levine hätte an der prallen Lebenslust der vier Musiker sicher auch seine Freude.
Mal schauen, wie lange sie das durchhalten und ob es nach diesem Debüt-Versprechen auch so prall weitergeht.