Freitag, 15. Juli 2016
Jennifer Lopez: I Ain't Your Mama
Irgendwie auch süß. Jennifer Lopez beschwört die Emanzipation der Frau und tut dies mit einem Raggaton/Dancehall-Track samt sexy Video. Wie immer kann man hier cleveres Kalkül vermuten und das Ganze dechiffrieren als Feminismus 3.0 – oder aber man hält es für mindestens brüchig, inkonsequent oder sogar affirmativ-anbiedernd. Sucht euch selbst was aus!
Hier gibt's noch ein bisschen Futter für die Entscheidung.
Der Text ist klar und direkt: Such dir jemanden anderes zum Wäsche waschen und kochen. Nerv' mich nicht, nimm' mich ernst.
Im Video dazu wird ein medial verbreiteter Aufruf zum wahren Aufstand der Frauen. Ob Hausfrau, angestellt, Sekretärin oder in der Großfabrik – Schluss mit der Bevormundung und Unterdrückung durch Männer. #aufschrei
Dass Emanzipation trotzdem sexy und aufreizend sein kann, das gehört bei Jennifer Lopez dazu. Schon immer. Sie ist gern eine gutaussehende Frau, die ihre Reize einsetzt. Also lässt sie sich das Video auch gleich von einem Mann auf den Körper inszenieren. Der dann auch nicht mit lüstern-geilen Einstellungen geizt. Oder ist das alles genau so gewollt?
Offenbar können auch emanzipierte Frauen mit viel Geld den herkömmlichen Rollenverteilungen einiges abgewinnen. Männer können Frauen einfach besser (soll heißen sexistischer) ablichten.
Mindestens genauso sieht es aus bei einem Blick hinter die Kulissen: Lunchmoney Lewis und Dr. Luke stehen da als Autoren, gut Meghan Trainor auch. Produziert wurde das Ganze von Dr. Luke. Im nicht ganz unproblematischen BootyShake-Style. Übertrieben sexuelle Inszenierung als Waffe gegen Sexismus. Vielleicht.
Es gibt und gab einige, die solcherart verzwickte Kodierung nicht mitmachen. Kaum war Ain't Your Mama veröffentlicht, gab es eine virale Kampagne: Wie kann es sein, dass ein feministisch gemeinter Song von Dr. Luke produziert wird, wo eben jener doch gerade ein Gerichtsverfahren wegen sexueller Belästigung, Nötigung, Vergewaltigung am Hals hat?
Schwere Geschütze. Und selbst wenn da am Ende nichts dran ist - das Verfahren zieht sich noch hin, bewiesen ist gar nichts - ist ein feministischer Aufruf, der sich den herrschenden Strukturen des (männlichen) Pop-Business bedient, wirklich ernszunehmen?
Aber auch anders herum: Gibt es einen besseren Weg seine revolutionären Botschaften unter die Leute zu bringen als über einen Mainstream-Hit? Selbst das kleinste Mädchen kann nun mitpfeifen: "I Ain't Your Mama" - und bemerkt eines Tages, was das eigentlich bedeutet.
Ganz schön subversiv diese Taktik.
Oder aber: Man kann heute eben alles singen und sagen und tun – es bleibt ohne Wirkung. Denn schon lange hat die bunte, oberflächliche Popfassade alle Bedeutung zugekleistert. Niemand interessiert sich dafür, was in einem Song steckt. Und hineininterpretieren kann man sowieso alles. Diese Rubrik macht es wöchentlich vor.
Herzlich willkommen im Pop-Dschungel des 21. Jahrhunderts!
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