Freitag, 25. Dezember 2015

EFF: Stimme



Könnte sein, dass dieser Titel so ein bisschen den Weg weist für die kommenden Monate. Ist natürlich nicht völlig neu das Konzept, Gestört aber geil und Philipp Dittberner & Marv haben es schon prima vorgemacht, jetzt haben aber mit Felix Jaehn und Mark Forster zwei Superschwergewichte das Rezept aufgenommen und bringen es zu noch mehr Erfolg: Deephaus plus deutscher Text.

Das kann durchaus peinlich werden – Glasperlenspiel stehen aktuell prominent für ordentlich schief gehende Geschichten auf deutsch. Da hat Mark Forster doch einiges mehr zu bieten. Obwohl Stimme jetzt auch nicht unbedingt der Glanzpunkt seiner Tätigkeit als Autor ist.

So viel Gelegenheit hat er bei Stimme auch nicht. Der Ausruf "Hör' auf die Stimme" wird da für meinen Geschmack doch dreimal zu oft wiederholt. Fast schon mantramäßig wird die Forderung geäußert.



Gut – immerhin ist es hier wenigstens der Aufruf, auf das zu vertrauen, was einem selbst als richtig vorkommt, und nicht auf Regeln und Vorgaben von anderen zu hören. Passt ja auch ganz gut zum Familienfest, dass vor lauter Harmoniespielen häufig grad mal gar keinen Freiraum lässt für eigene Ideen, Meinungen oder gar Handlungen. Alle machen ständig Dinge, von denen sie annehmen, dass es die anderen so gut finden würden – geht dann nicht selten komplett schief, weil es schon für sich selbst eben nicht ok ist. Stimme ist also der perfekte Soundtrack für die aktuellen Tage und den Familienwahnsinn.

Felix Jaehn gibt sich dabei ordentlich Mühe mit KYGO-DeepHouse-Glöckchen ein wenig Festtagsstimmung aufkommen zu lassen. Auch festlich-pathetische Streicher dürfen nicht fehlen – das ist alles schon ordentlich fett aufgetragen und fängt ganz gut an zu kleben. Das ist schade, denn etwas mehr Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit hätte dem Ganzen vermutlich gut getan. Dann müsste auch Mark Forster seine Textzeilen nicht so angestrengt dahererzählen.

Wenn es also künftig noch mehr solche deutschsprachigen DeepHouse-Hits gibt, dann ist da noch eine ganze Menge Platz um Dinge anders und besser zu machen. Wart ich mal ab.

Samstag, 19. Dezember 2015

Major Lazer Feat. Nyla & ODG Fuse: Light It Up



Dass es mit der globalisierten Welt keineswegs so einfach ist, das kann man schön an Major Lazer ablesen. Denn obwohl das Duo/Trio? fleißig aus allen Weltregionen Einflüsse aufnimmt und verbreitet ist es keineswegs so, dass wir instantmäßig überall den gleichen Erfolg beobachten können. Oder etwa eine simultane Veröffentlichungspolitik.

Das hat vielleicht gerade mal so bei Lean On hingehauen, aber schon danach wurde es ungemein disparat. In den Staaten folgte Powerful mit Gastsängerin Ellie Goulding, in den Clubs war es das Balkan-beeinflusste Too Original und während in Nordamerika gerade Lost beginnt seine Kreise zu ziehen, landet in Europa Light It Up in Belgien, den Niederlanden und Deutschland in den Top 10.

Das ist insgesamt schon einigermaßen überraschend. Denn wo Lost noch einmal die dänische Sängerin ans Mikro lässt, da setzt Light It Up sehr viel geradliniger auf Jamaika-Dancehall mit Nyla als Frontfrau. Und genau das scheinen die Kontinentaleuropäer sehr zu mögen. Weit weg von der eigenen Realität und irgendwie auch das Abziehbild für ein unbesorgtes Leben mit viel Sonnenlicht und liberaler Drogenpolitik. Das ist hier so schnell nicht zu bekommen.

Auffällig ist, dass es mit den Niederlanden gerade ein Land mit recht freizügigen Narkotika-Bestimmungen ist, welches den Karibik-Style feiert. Eventuell gibt es da doch mehr Parallelen in der Art zu feiern, als auf den ersten Blick gedacht?

Sollte das zutreffen, können wir uns in Deutschland eigentlich nicht beschweren. Sich selbst feiern und genießen, das können wir offenbar ganz gut. Sogar in der eher ungemütlichen grauen Jahreszeit. Die überall völlig menschenüberfüllten Weihnachts- und Adventsmärkte unterstreichen das auf ihre Art nochmal deutlich.

Vom debilen Weihnachts- und Schlagergedudel hat Light It Up glücklicherweise gar nichts. Das ist für sich genommen sogar eher spröde. Und irgendwie ist es auch das, was mich bei Major Lazer so fasziniert. Die meisten ihrer Produktionen sind nämlich auf Anhieb gar nicht so wahnsinnig eingängig. Da fühlt man sich auch mal bisschen draußen. Erst mit der Zeit werden sie unwiderstehlicher und bilden kleine Widerhaken im Gehör.



Im kompletten Stil- und Genre-Clash zwischen Trap und Moombathon existieren von Light It Up bereits eine ganze Menge wilder Varianten, die dem einen oder der anderen den Einstieg vielleicht nochmal ein bisschen leichter machen und die untereinander kaum noch was miteinander zu tun haben. So kann es gut sein, dass zwei Menschen, die den Track unwiderstehlich finden, von etwas komplett anderem reden. Das könnte eine Menge Missverständnisse geben – oder auch zu einem mehr an Austausch und Akzeptanz führen. Nicht schlecht für ein Stückchen launiger Feiermucke.

Freitag, 11. Dezember 2015

Coldplay: Adventure Of A Lifetime



Irgendwie kommen mir Coldplay wie ein paar letzte Dinosaurier vor. Ich meine damit das Konzept Jungsband, das sich zwischen Rock und Pop ganz gut einrichtet, quasi einen Klassiker nach dem anderen veröffentlicht, erfolgreich auf Konzert-Tour geht und bei all dem Marketing-Zirkus nicht vergisst auf der guten Seite zu stehen und sich für irgendeinen Charity-Zweck zu engagieren. Gefühlt, gab es in den 80ern und 90er Jahren Hunderte solcher Bands – angeführt von Recken wie U2. Auch die 2000er kannten noch einige solcher Beispiele: The Killers, OneRepublic, Sunrise Ave., vielleicht auch Mando Diao. Und was machen die 2010er? Die Imagine Dragons mit überproportionalem Radio-Airplay, MAROON5 auf jeden Fall und vor gut zwei Jahren auch mal The Script. Aber dann bin ich schon so ziemlich durch – zumindest wenn man den großen kommerziellen Charterfolg als Maßstab nimmt.

So ein bisschen scheint die Zeit dieser Monster-Formationen vorbei. Oder macht grad eine Pause. Im besten Fall eine Verjüngungskur. Denn das Konzept funktioniert für mich eigentlich nur noch so richtig, wenn die Jungs sich auf das Wesentliche besinnen: Also handgemachten Rock zum Beispiel (Linkin' Park). Alles andere, was da gern auf die Albumcharts schielt, das ist mir meist doch eher peinlich. Ich sage nur: OneRepublic – kaum ein eigenes Profil, Hauptsache radiotauglich.

Coldplay haben in gewisser Weise auch diesen Drang zum Radio-Mainstream, klingen also ganz gern mal verwaschen. Irgendwie haben sie es aber dennoch hingekriegt, einen echt guten Ruf zu haben. Zumindest erlebe ich regelmäßig junge Menschen, die kommerzielle Musik total ablehnen, dann aber doch den Hit von Coldplay in ihrer Playlist haben. Schräge Nummer.

Dieses Phänomen scheint sich mit dem aktuellen Album von Coldplay A Head Full Of Dreams zu wiederholen. Zwar nicht sofort überall die Nummer 1 – da ist Adele's 25 dann doch noch zu stark – aber definitiv ein Track-Bundle, dass sich in Massen verkauft. Und trotzdem diesen Hauch von handgemacht, sehr eigenständig und deshalb über-jede-Kritik-erhabend inne hat.

Die Vorab-Single zum Album, Adventure Of A Lifetime, ist schon ein paar Tage erhältlich und hat sich auch ganz gut im Tagesgeschäft etabliert. Mit dem songtragenden Gitarren/Synthesizer-Loop haben Coldplay tatsächlich auch einen wunderbar wiedererkennbaren Melodiebrocken hingezaubert. Und wahrscheinlich ist es auch der eher synthesizerorientierte Background der Strophen, der einiges an Überraschungseffekt bietet. Der erinnert mich nämlich eher an solche Hits wie Safe And Sound oder Rather Be als an das, was ich sonst so von Coldplay im Kopf habe. Obwohl natürlich auch Viva La Vida und Paradise ihre deutlich tagespopfixierten Momente hatten.

Einen gewissen Überraschungseffekt bieten Coldplay also definitv. Nicht nur mit ihrer aktuellen Single, sondern auch in der Vergangenheit recht häufig. Und das könnte mindestens ein Grund sein, warum sie nahezu die einzige Band sind, die diesen Spagat aus handgemacht und popaffin mit breitem Erfolg hinkriegt. Die meisten anderen Bands wiederholen sich dann doch zu oft selbst. Das ist in Zeiten nahezu kompletter Verfügbarkeit von allem veröffentlichten Material eher etwas das zu Langeweile führt als zu der Bewunderung der stilistischen Strenge. Wie gesagt: in anderen Genres als dem Mainstream-PopRock mag das nochmal ganz anders funktionieren.

Mit Adventure Of A Lifetime hat Chris Martin eine schöne Hymne auf die Einmaligkeit des Lebens geschrieben. Sei es der Moment zu zweit oder die Entscheidung, keine Sekunde an etwas Unnützes, Ungewolltes zu vergeuden. Sehr präzise eingefangen und zum Ende in Juh-huh-Jubelchöre übersetzt. Das ist dann schon ganz schön viel der Lebensfreude. Aber vermutlich ist es auch nicht möglich, bei überbordendem Glück tatsächlich die Fassung zu bewahren.



Was mich wesentlich mehr verunsichert ist das Video zum Song. Mat Whitecross hat sich eine animierte Affen-Geschichte ausgedacht, welche die Primaten bei glückseligem Musikgenuss bzw. eigener Kreativität vorführt. Hmmm – also an sich bin ich schon bei Trick-Produktionen, die dann doch nur die Realität nachmachen eher skeptisch. Das mag bei überhöhten Manga-Stories funktionieren oder bei fantastischen Märchenwelten, beim Ausflug in den Dschungel finde ich es dann doch eher albern und nicht so besonders künstlerisch-wertvoll.

Und dann bin ich von der Story eher enttäuscht. Es gibt alle möglichen Momente, die als lebensbeeinflussend und grundsätzlich zu beschreiben wären. Der Moment eines Lebens, der alles verändern kann. Musik kann das sicher auch sein. Aber gerade jetzt und heute hätte ich mir statt der Geschichte einer (Jungs-)Band eher etwas anderes gewünscht. Vielleicht etwas, das ein bisschen mehr mit meinem Alltag zu tun hat. Oder mir Zuversicht gibt in dieser Situation, die mir vor allem Fragen und Herausforderungen offeriert.

Dass es gerade Coldplay mit ihrem Sauber-und-Gutmenschen-Image sind, die sich in die belanglos unpolitische Ecke stellen und auf jegliche Gesellschaftskritik verzichten, das find ich schon einigermaßen überraschend. Dass sie dann obendrein noch ihr Band-Dasein als ultimative Daseins-Form inszenieren (quasi das Team, welches dazu führt, dass sie sich dem Menschsein annähern), das regt mich fast schon auf. Da könnte ich gleich ganz weit ausholen und über die Ausgrenzungsmechanismen von eingeschworenen Personal-Unionen schreiben …

Coldplay sind als Band also momentan noch ziemlich auf dem Trip der Bauchnabelschau, der Selbstbeweihräucherung als Quartett - damit auch ein bisschen weg vom aktuellen Weltgeschehen. Könnte also gut sein, dass es mit der Rettung oder erfolgreichen Neubelebung der Band-Dinosaurier noch ein Weilchen dauern wird.

Sonntag, 6. Dezember 2015

Robin Schulz & J.U.D.G.E..: Show Me Love

Single Nummer vier aus Robin Schulzes zweitem Album Sugar. Top Ten Hit Nummer drei. Hier ist Show Me Love.

Was hat sich da im Vergleich zu seinen anderen Hits getan?
Zunächst mal lässt sich feststellen, dass es hier erstmal zurück geht zu den Anfängen des Erfolgs von Robin Schulz. Die Gitarrenmeldoie erinnert doch arg an Waves (auch wenn es natürlich komplett was anderes ist – das Prinzip wiederholt er hier gern nochmal).
Erstmal wieder vergessen seine Ausflüge in andere Soundfarben mit Headlights und Sugar. Gegen diese nimmt sich Show Me Love musikalisch tatsächlich ordentlich seicht aus.

Textlich ist es einmal mahr das große Zweifeln: Wirst du mich noch wärmen können, wenn wir alt sind? – Verbunden mit einer hübsch romantischen Gewissheit: Auch wenn wir nicht mehr krauchen können, es wird nie etwas Schöneres geben als dich.
Und das ist dann schon ein gewisser Unterschied zum Mr Probz-Remix, der ja vor allem in Selbstmitleid badete. Hat Robin Schulz mit seinem Erfolg tatsächlich auch so etwas wie Lebensfreude gefunden?

Immerhin, das Video zu Show Me Love zeigt allerlei Albernheiten – manche vielleicht schon zu sehr einen Tacken deutsche Mittelstandskomödie. Beim dramatischen Schluss ergibt sich dann der Sinn. Und der tief sitzende Kitsch.
Auch der größte Pechvogel und Tolpatsch wird mit Liebe und Treue belohnt – wie süß.



Robin Schulz stakst durch die Schlussszene ein wenig wie ein Fremdkörper. Ein bisschen zu chic angezogen, ein klein wenig zu cool – naja klar, er ist ja quasi der Puppetmasta of this scene. Derjenige, der hier die Dinge arrangiert. Fast gottgleich kann im der Orkan nicht wirklich etwas anhaben.

Wahrscheinlich ist es das, was mich so allgemein an dem jungen DJ stört. Er inszeniert sich eben nicht als normal und so wie wir alle. Er ist der Mann oben auf der Kanzel, er heizt der Masse ein, er lässt sich feiern.
Das machen andere DJs auch, klar. Sympathischer sind die meist aber auch nicht.
Auch nicht, wenn sie die große Liebe predigen.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Matt Simons: Catch & Release (Deepend Remix)



US-Amerikanische Acts haben es derzeit in Deutschland nicht sehr leicht. Gerade werden sie sogar von den Kanadiern um einiges überrandet. Gerade mal ist es so eine Band wie Maroon 5, die es noch zu passablen Hits schafft. Oder es ist eben ein Song/Interpret/Act, der durch den europäischen Remixwolf geschickt wird. Das haben zuletzt Sigala mit Michael Jackson ganz ordentlich zelebriert. Und nun ist es also Matt Simons.

Ein bisschen countryesk kommt dieser Musiker daher, auch ein bisschen ursprünglich folkverliebt. Damit repräsentiert er ganz gut eine recht große Szene aktueller USamerikanischer Musik. Es ist immer noch und immer wieder der Stolz auf die eigene Nation, die Suche nach dem ursprünglichen und traditionellen Werten, die ja im schnellen und kulturell völlig durcheinandergequirlten Pop-Business verloren zu gehen drohen. Dagegen setzen viele – auch popaffine – Musiker*innen authentischen Sound, möglichst wenig hörbare Produktionstechnik, einfache Melodien und Texte.

So kommt auch Catch & Release daher. Die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, nach dem Wahren wird hier besungen. Nach der Lösung aller Rätsel: The place where one reveals life's mystery … Und die Gewissheit, dass es diesen Ort gibt, an dem man nur selbst sein kann. Völlig unabhängig von Fremdeinflüssen und Einwirkungen.

Das ist ziemlich viel gewollt. Auch ganz schön idealisiert und nah am Kitsch. Ein ordentliches Liedermacher-Märchen.

All das hat nicht so richtig gereicht, um den Song in Europa bzw. Deutschland populär zu machen. Warum auch immer, trifft es offenbar nicht das Lebensgefühl der Menschen hier. Ist der amerikanische Traum dann doch zu weit weg von uns, zu fremd?

Mit dem DeepHouse-Remix des niederländischen Projektes Deepend sieht das plötzlich ganz anders aus. Der Erfolg der Kombination melancholische Liedermacherproduktion im sanft-tuckernden Deephouse-Beat erweist sich weiterhin als die ultimative Mischung. Und führt diese Welle gleich in das dritte Jahr seines Supererfolges.