Freitag, 11. Dezember 2015

Coldplay: Adventure Of A Lifetime



Irgendwie kommen mir Coldplay wie ein paar letzte Dinosaurier vor. Ich meine damit das Konzept Jungsband, das sich zwischen Rock und Pop ganz gut einrichtet, quasi einen Klassiker nach dem anderen veröffentlicht, erfolgreich auf Konzert-Tour geht und bei all dem Marketing-Zirkus nicht vergisst auf der guten Seite zu stehen und sich für irgendeinen Charity-Zweck zu engagieren. Gefühlt, gab es in den 80ern und 90er Jahren Hunderte solcher Bands – angeführt von Recken wie U2. Auch die 2000er kannten noch einige solcher Beispiele: The Killers, OneRepublic, Sunrise Ave., vielleicht auch Mando Diao. Und was machen die 2010er? Die Imagine Dragons mit überproportionalem Radio-Airplay, MAROON5 auf jeden Fall und vor gut zwei Jahren auch mal The Script. Aber dann bin ich schon so ziemlich durch – zumindest wenn man den großen kommerziellen Charterfolg als Maßstab nimmt.

So ein bisschen scheint die Zeit dieser Monster-Formationen vorbei. Oder macht grad eine Pause. Im besten Fall eine Verjüngungskur. Denn das Konzept funktioniert für mich eigentlich nur noch so richtig, wenn die Jungs sich auf das Wesentliche besinnen: Also handgemachten Rock zum Beispiel (Linkin' Park). Alles andere, was da gern auf die Albumcharts schielt, das ist mir meist doch eher peinlich. Ich sage nur: OneRepublic – kaum ein eigenes Profil, Hauptsache radiotauglich.

Coldplay haben in gewisser Weise auch diesen Drang zum Radio-Mainstream, klingen also ganz gern mal verwaschen. Irgendwie haben sie es aber dennoch hingekriegt, einen echt guten Ruf zu haben. Zumindest erlebe ich regelmäßig junge Menschen, die kommerzielle Musik total ablehnen, dann aber doch den Hit von Coldplay in ihrer Playlist haben. Schräge Nummer.

Dieses Phänomen scheint sich mit dem aktuellen Album von Coldplay A Head Full Of Dreams zu wiederholen. Zwar nicht sofort überall die Nummer 1 – da ist Adele's 25 dann doch noch zu stark – aber definitiv ein Track-Bundle, dass sich in Massen verkauft. Und trotzdem diesen Hauch von handgemacht, sehr eigenständig und deshalb über-jede-Kritik-erhabend inne hat.

Die Vorab-Single zum Album, Adventure Of A Lifetime, ist schon ein paar Tage erhältlich und hat sich auch ganz gut im Tagesgeschäft etabliert. Mit dem songtragenden Gitarren/Synthesizer-Loop haben Coldplay tatsächlich auch einen wunderbar wiedererkennbaren Melodiebrocken hingezaubert. Und wahrscheinlich ist es auch der eher synthesizerorientierte Background der Strophen, der einiges an Überraschungseffekt bietet. Der erinnert mich nämlich eher an solche Hits wie Safe And Sound oder Rather Be als an das, was ich sonst so von Coldplay im Kopf habe. Obwohl natürlich auch Viva La Vida und Paradise ihre deutlich tagespopfixierten Momente hatten.

Einen gewissen Überraschungseffekt bieten Coldplay also definitv. Nicht nur mit ihrer aktuellen Single, sondern auch in der Vergangenheit recht häufig. Und das könnte mindestens ein Grund sein, warum sie nahezu die einzige Band sind, die diesen Spagat aus handgemacht und popaffin mit breitem Erfolg hinkriegt. Die meisten anderen Bands wiederholen sich dann doch zu oft selbst. Das ist in Zeiten nahezu kompletter Verfügbarkeit von allem veröffentlichten Material eher etwas das zu Langeweile führt als zu der Bewunderung der stilistischen Strenge. Wie gesagt: in anderen Genres als dem Mainstream-PopRock mag das nochmal ganz anders funktionieren.

Mit Adventure Of A Lifetime hat Chris Martin eine schöne Hymne auf die Einmaligkeit des Lebens geschrieben. Sei es der Moment zu zweit oder die Entscheidung, keine Sekunde an etwas Unnützes, Ungewolltes zu vergeuden. Sehr präzise eingefangen und zum Ende in Juh-huh-Jubelchöre übersetzt. Das ist dann schon ganz schön viel der Lebensfreude. Aber vermutlich ist es auch nicht möglich, bei überbordendem Glück tatsächlich die Fassung zu bewahren.



Was mich wesentlich mehr verunsichert ist das Video zum Song. Mat Whitecross hat sich eine animierte Affen-Geschichte ausgedacht, welche die Primaten bei glückseligem Musikgenuss bzw. eigener Kreativität vorführt. Hmmm – also an sich bin ich schon bei Trick-Produktionen, die dann doch nur die Realität nachmachen eher skeptisch. Das mag bei überhöhten Manga-Stories funktionieren oder bei fantastischen Märchenwelten, beim Ausflug in den Dschungel finde ich es dann doch eher albern und nicht so besonders künstlerisch-wertvoll.

Und dann bin ich von der Story eher enttäuscht. Es gibt alle möglichen Momente, die als lebensbeeinflussend und grundsätzlich zu beschreiben wären. Der Moment eines Lebens, der alles verändern kann. Musik kann das sicher auch sein. Aber gerade jetzt und heute hätte ich mir statt der Geschichte einer (Jungs-)Band eher etwas anderes gewünscht. Vielleicht etwas, das ein bisschen mehr mit meinem Alltag zu tun hat. Oder mir Zuversicht gibt in dieser Situation, die mir vor allem Fragen und Herausforderungen offeriert.

Dass es gerade Coldplay mit ihrem Sauber-und-Gutmenschen-Image sind, die sich in die belanglos unpolitische Ecke stellen und auf jegliche Gesellschaftskritik verzichten, das find ich schon einigermaßen überraschend. Dass sie dann obendrein noch ihr Band-Dasein als ultimative Daseins-Form inszenieren (quasi das Team, welches dazu führt, dass sie sich dem Menschsein annähern), das regt mich fast schon auf. Da könnte ich gleich ganz weit ausholen und über die Ausgrenzungsmechanismen von eingeschworenen Personal-Unionen schreiben …

Coldplay sind als Band also momentan noch ziemlich auf dem Trip der Bauchnabelschau, der Selbstbeweihräucherung als Quartett - damit auch ein bisschen weg vom aktuellen Weltgeschehen. Könnte also gut sein, dass es mit der Rettung oder erfolgreichen Neubelebung der Band-Dinosaurier noch ein Weilchen dauern wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen