Freitag, 29. Juli 2016

Major Lazer feat. Justin Bieber & MØ: Cold Water



Hmm - also mal ganz ehrlich: Finde ich das cool, dass Major Lazer nun endgültig zum Mainstream-Act mutiert? Ich mein: Justin Bieber.

OK - da gab es ja auch vorher schon Bieber-Begegnungen und -Collaborationen: Where Are Ü Now unter dem Jack Ü-Label zum Beispiel. Oder auch die Skrillex-Bieber-Nummer Sorry, die ja auch schon ordentlich auf den aktuellen Dancefloor schielte. War sogar alles gar nicht soooo schlimm...

Trotzdem habe ich mich erstmal geschüttelt und gedacht: Och nöö - das ist doch gar nicht nötig.
Und dann: Warum muss das Ding dann auch gleich so erfolgreich reinhauen? Warum nicht heimlich irgendwo veröffentlichen und warten bis es sich von ganz allein als Brenner durchsetzt?

Es gibt also eine Menge zu nörgeln und zu fragen. Und ich weiß auch gar nicht genau, ob ich dass so geil finde, dass Cold Water Major Lazers erste Nummer 1 in Britannien sind. Und in Deutschland sowieso auch das erfolgreichste was die Jungs je veröffentlicht haben.
Das Einzige was mich tröstet: es gibt viel Schlimmeres auf dem Markt. Zum Beispiel die aktuelle Nummer 1 in Deutschland. Insofern kann ich Major Lazor + Bieber sogar richtig abfeiern. Aber ist der Song überhaupt gut?

Kann ich nicht beantworten. Klingt nach Major Lazer wie gewohnt - ja. Vielleicht insgesamt auch schon ein ganzes Stückchen zu erwartbar. Der Überraschungseffekt, den ich ja sonst doch recht oft bei Major Lazer habe, der beschränkt sich höchstens darauf, dass ich finde: Hey, das ist ja immer noch ein Bieber-Song!

Das finde ich tatsächlich einigermaßen besonders. Hier geht der Dancehall-Raggaton-Sound eine ziemlich unerwartete Fusion mit dem Mainstream-Teenie-Idol-Style ein. Justin Bieber darf klingen wie Justin Bieber, darf sogar Geschichten von Liebesleid und -freud singen, so wie immer. Und ohne das Geschrammel von Major Lazer hätte das Ganze auch schon vor dreivierfünf Jahren erscheinen können. Als Justin Bieber sich noch nicht als cooler Sänger mit 'ner Menge Reputation inszenieren ließ.

Aber ob diese merkwürdige Fusion/Melange nun ernsthaft das neue Ding, der heiße Scheiß von 2016 ist? Ich weiß es nicht.
Eine Menge Menschen sind sich da eher einig, kaufen und hören den Track – abfeiern angesagt. Ich hoffe nur, dass das in der Mehrheit Menschen sind, welche mit anderen arg am Mainstream orientierten Produktionen eher weniger am Hut haben. Andernfalls wäre Cold Water wahrscheinlich doch eher der absolute Tiefpunkt in der Entwicklung der Lazers.

Freitag, 22. Juli 2016

GALANTIS: No Money



Ich weiß auch nicht, was alle Welt nur an diesen Katzen findet. Und da meine ich gar nicht die unselig vielen Katzenvideos auf allen möglichen Portalen. Oder vielleicht doch auch.

Mittlerweile ist die Katze nicht mehr einfach nur Trash oder Kinderzeug, sondern sogar popkulturell geadelt. Erstmal war es die Musikplattform napster, die sich so ein Fellvieh als Logo gab. Dann kam das eher im Underground beheimatete Electro-House-Label Suara auf die Idee, seine Releases allen Ernstes mit Katzengesichtern zu schmücken. Und seit gut zwei Jahren treibt sich außerdem ein schwedischer Dance-Act herum, der sich völlig dem Katzenwahn hingibt. Warum nur?

Immerhin, Galantis geben sich wenigstens Mühe, aus dem Katzentier noch was künstlerisch Verziertes zu machen. Das kann dann schon mal wie eine Orchidee aussehen oder an ein abstraktes Muster erinnern. Aber mal ehrlich: Katze bleibt Katze.

Wenn ich also schon die Covergestaltung nicht verstehe, das Video ist noch eine Nummer härter. Da sind dann also lustige Katzen- und Tierbemalungen kombiniert mit Kindergesichtern. Aua aua aua. Geht's noch debiler?



Jedes Pokémon Go-Dings ist cooler als dieses Video. Wer hat den beiden Musikern das eigentlich eingeredet? Oder wurden sie gar nicht erst gefragt?

Klar, das reiht sich ganz gut ein in die Kinderkram-Videos von Easy Love (Sigala) bis Changes (Faul & Wad Ad vs. Pnau). Das Glorifizieren der Kindheit ist gesellschaftlicher Konsens. Siehe auch Please Tell Rosie (alle farben feat. YOUNOTUS). Gesichtsbemalungen zelebriert auch DJ Snake mit seinem Video zu Middle...

Wahrscheinlich zielt auch eine Reihe dieser Produktionen nach wie vor auf die Pubertierenden als Zielgruppe. Schon ganz schön selbständig, aber immer noch ordentlich verspielt und kindisch – mit putzigen Tieren kann man hier ordentlich punkten und Geld machen.

Oder sind die Produzenten der genannten Hits allesamt völlig überfordert vom Erwachsensein? Vermissen Ihre Unbeschwertheit. Oder haben Angst sie zu verlieren, weil um sie rum alles so ernsthaft zugeht. Kein Platz mehr für verspielten Zeitvertreib.

Was erzählt denn die aktuelle Produktion No Money so ganz ohne Inszenierung? Da höre ich eine ordentlich überdrehte Stimme, die auch ganz gut einem Kind gehören könnte. Reichlich laut erklärt Sie: Vergiss es, von mir kriegst du nichts. Und selbst wenn du mich zur Strecke bringst, da ist nichts zu holen. Und übrigens steh' ich auch allein wieder auf.

Das klingt schon ganz gut nach Selbsbefreiung: Lasst mich alle in Ruhe. Ich mach' mein Ding allein.
Oder auch: Hört endlich auf mit dem Betteln. Ich kann auf eigenen Beinen stehen und für mich selbst sorgen.

Das wäre dann mal tatsächlich eine politische Botschaft, die unverblümt Kritik an unserer Gesellschaft übt. Da geht es ja permanent drum sich zu engagieren, sich einzubringen, zu spenden, für andere da zu sein. Nur für einen selbst ist vielleicht grad nichts übrig.

Die Bilder aus dem Video machen's dann doch ein bisschen deutlicher: das sind nicht die Rich Kids, die sich da vor lauter Langeweile verkleiden. Das sind eher die, die sich durch reichlich rauhe Umgebungen kämpfen müssen und die nicht ganz so viel Fun in ihrer Kindheit hatten. Das fordern sie hier endlich mal ein. Unter anderem mit Tierbemalungen. Die Katze ist dabei nicht nur das süße Kuscheltier. Die zeigt vor allem auch ordentlich ihre Krallen. Vorsicht also vor dieser albern aussehenden Guerilla!

Das wär' mal eine Interpretation mit der ich was anfangen kann. Und die sogar einen gewissen Coolness-Faktor hat. Also mit dem Dance-Sound einigermaßen mithält. Der ist vielleicht nicht das völlige Non-Plus-Ultra, aber für eine Produktion, die es in den Mainstream schafft und mittlerweile sogar bei Service-Wellen erklingt, für so eine Produktion ist das Ergebnis jetzt nicht mal die allerschlimmste Variante.

Da bin ich also schon fast versöhnt mit No Money – kann man schonmal machen.
Katzen find ich trotzdem voll daneben.

Freitag, 15. Juli 2016

Jennifer Lopez: I Ain't Your Mama



Irgendwie auch süß. Jennifer Lopez beschwört die Emanzipation der Frau und tut dies mit einem Raggaton/Dancehall-Track samt sexy Video. Wie immer kann man hier cleveres Kalkül vermuten und das Ganze dechiffrieren als Feminismus 3.0 – oder aber man hält es für mindestens brüchig, inkonsequent oder sogar affirmativ-anbiedernd. Sucht euch selbst was aus!

Hier gibt's noch ein bisschen Futter für die Entscheidung.

Der Text ist klar und direkt: Such dir jemanden anderes zum Wäsche waschen und kochen. Nerv' mich nicht, nimm' mich ernst.
Im Video dazu wird ein medial verbreiteter Aufruf zum wahren Aufstand der Frauen. Ob Hausfrau, angestellt, Sekretärin oder in der Großfabrik – Schluss mit der Bevormundung und Unterdrückung durch Männer. #aufschrei

Dass Emanzipation trotzdem sexy und aufreizend sein kann, das gehört bei Jennifer Lopez dazu. Schon immer. Sie ist gern eine gutaussehende Frau, die ihre Reize einsetzt. Also lässt sie sich das Video auch gleich von einem Mann auf den Körper inszenieren. Der dann auch nicht mit lüstern-geilen Einstellungen geizt. Oder ist das alles genau so gewollt?
Offenbar können auch emanzipierte Frauen mit viel Geld den herkömmlichen Rollenverteilungen einiges abgewinnen. Männer können Frauen einfach besser (soll heißen sexistischer) ablichten.

Mindestens genauso sieht es aus bei einem Blick hinter die Kulissen: Lunchmoney Lewis und Dr. Luke stehen da als Autoren, gut Meghan Trainor auch. Produziert wurde das Ganze von Dr. Luke. Im nicht ganz unproblematischen BootyShake-Style. Übertrieben sexuelle Inszenierung als Waffe gegen Sexismus. Vielleicht.

Es gibt und gab einige, die solcherart verzwickte Kodierung nicht mitmachen. Kaum war Ain't Your Mama veröffentlicht, gab es eine virale Kampagne: Wie kann es sein, dass ein feministisch gemeinter Song von Dr. Luke produziert wird, wo eben jener doch gerade ein Gerichtsverfahren wegen sexueller Belästigung, Nötigung, Vergewaltigung am Hals hat?
Schwere Geschütze. Und selbst wenn da am Ende nichts dran ist - das Verfahren zieht sich noch hin, bewiesen ist gar nichts - ist ein feministischer Aufruf, der sich den herrschenden Strukturen des (männlichen) Pop-Business bedient, wirklich ernszunehmen?

Aber auch anders herum: Gibt es einen besseren Weg seine revolutionären Botschaften unter die Leute zu bringen als über einen Mainstream-Hit? Selbst das kleinste Mädchen kann nun mitpfeifen: "I Ain't Your Mama" - und bemerkt eines Tages, was das eigentlich bedeutet.
Ganz schön subversiv diese Taktik.

Oder aber: Man kann heute eben alles singen und sagen und tun – es bleibt ohne Wirkung. Denn schon lange hat die bunte, oberflächliche Popfassade alle Bedeutung zugekleistert. Niemand interessiert sich dafür, was in einem Song steckt. Und hineininterpretieren kann man sowieso alles. Diese Rubrik macht es wöchentlich vor.
Herzlich willkommen im Pop-Dschungel des 21. Jahrhunderts!

Freitag, 8. Juli 2016

alle farben feat. YOUNOTUS: Please Tell Rosie



Alle Farben ist einer dieser jungen deutschen DJs, die mit ihrem locker flockigen DeepHouse-Sound derzeit eine Menge junger Menschen in Verzückung versetzen. Das Schöne an Alle Farben aka Frans Zimmer ist, dass er nicht so omnipräsent wie seine Kollegen Robin Schulz und Felix Jaehn ist. Und dass er auf die ansonsten reichlich häufig zelebrierte Melancholie verzichtet. Und so ist auch Please Tell Rosie ein ganz hübsch-beschwingtes Stück.

Gefeiert wird die Lust an der Musik, die Freude daran. Uneingeschränkt. Egal ob es regnet oder Sonne scheint. Nachts, tags, morgens, dazwischen. Im Liebesrausch genauso wie bei Liebeskummer.

Das ist mächtig positiv und euphorisch. Und Alle Farben sagt auch gleich, was das auch bedeutet:
"Es geht eigentlich um mich und darum, dass ich immer unterwegs bin, weil ich mich täglich für meine Liebe zur Musik entscheide.“
Also geht es auch um die uneingeschränkte Hingabe. Eine, die nichts anderes zulässt: Kein zu Hause, keine Beziehung daneben, irgendwie auch soziale Verarmung und Vereinzelung. Rosie soll daheim nicht warten, sich nur ab und zu mal um die Blumen kümmern... Dass muss man als Rosie jetzt auch erstmal aushalten.
Und wie Frans Zimmer reagiert, wenn Rosie das Gleiche für sich verlangt, das weiß man nicht so genau.

Please Tell Rosie zeichnet also ziemlich genau das Bild nach, welches mittlerweile reichlich oft durch Studien und Umfrageergebnisse geistert. Unsere Gesellschaft ist sehr Ich-bezogen geworden. Es geht um die unmittelbare Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Das soziale Miteinander ist nicht mehr so wichtig. Es ist mehr einem Nebeneinander gewichen. Oberflächliche Kontakte sind omnipräsent - wenn es tiefer geht, wird es kompliziert. Da stimmt dann auch wieder der Weltschmerz, der in anderen DeepHouse-Hits präsent ist - siehe oben.

Muss nicht unbedingt nur negativ und schlimm sein – ist aber in jedem Fall ein ordentlicher Kontrast zum sehr gern als positives Beispiel heranzitierten Gesellschaftsmodell mit Generationenvertrag, Solidarität, Familie als Keimzelle der Gesellschaft ...



Das Video bedient einmal mehr die Angst, dass mit dem Erwachsen-Sein jegliche Freude und Lebenslust verloren geht. Ein Job, der gerade mal das Überleben sichert, Eintönigkeit, Sinnlosigkeit. Und das soll es gewesen sein?

Schön, dass man sich vielleicht doch etwas unbeschwerte Kindheit bewahren und einfach auf der Straße tanzen kann. Ob sich dieses Verhalten nun als Flucht oder Lebenskonzept erweist, muss vermutlich jede/r für sich selbst rausfinden. Ich halte mir hier mal ganz optimistisch die Version offen: Es ist möglich auch nach der Jugend noch unbeschwert, glücklich, spontan und frei sein Leben zu gestalten.

Mal gucken, ob das Frans Zimmer auch so gelingt.

Freitag, 1. Juli 2016

IMANY: Don't Be So Shy (Filatov & Karas Remix)



Krass finde ich es jedesmal wieder, wenn sich Vorurteile völlig bestätigen. So simpel funktioniert also die Welt? Menschen geben sich so schnell mit dem zufrieden, was sie sind, schaffen es nicht oder trauen sich vielleicht auch nicht irgendeine Art von Eigenheit zu erzeugen. Für mich völlig unverständlich.

So geschehen kürzlich bei Imany und ihrem Hit Don't Be So Shy. Der läuft also in irgendeinem Zusammenhang und ich denke: Ui, das ist aber absolut russische Strandparty. Das hab ich ja zuletzt 1987 in Rumänien erlebt.
Und nur wenig später erfahre ich: Die Produktion stammt von zwei russischen DJs namens Dimitry Filatov & DJ Karas.

Boah – das tut mir jetzt aber wirklich leid. Ich mein, russische Pop-Musik, da gibt es doch bestimmt mehr als seicht-angepasste Dudelsoße vom Straßen-Imbiss. Wenn es wenigstens ordentlich kitschig-schwülstig wäre. Oder auch Eurotrash à la Verka Serduchka. Aber nein, es macht auf französisch-inspirierte Disco. Voyage Voyage hat hier wahrscheinlich Pate gestanden. Und Joe le Taxi. Obwohl – genaugenommen hatten diese Hits ja wenigstens noch den Mut, so etwas wie eine eigene Interpretation mitzubringen. Oder eine Idee davon.
Beim Remix von Dont Be So Shy denke ich nur die ganze Zeit: Hoffentlich kommt jetzt nicht noch Chris Rea um die Ecke.

Da kann dann auch Sängerin Imany gar nichts mehr retten. Vielleicht hat sie eine ausdrucksstarke Stimme. Vielleicht kann sie Nuancen betonen und hervorzaubern, die mich berühren könnten. Weiß ich alles nicht. Will ich nach diesem Remix auch gar nicht mehr wissen.

Diesen Song höre ich, wenn ich völlig betrunken bin und mir tatsächlich egal ist, was da gerade läuft. Da könnte auch Peter Maffay oder Männer aus den Boxen quellen. Da schwinge ich bei allem mit und schunkel ein bisschen. Da kuschel ich auch mit Bekannten, mit denen ich sonst maximal ein Bier trinken gehe.

Da hat Imany also wirklich keinen besonders cleveren Griff getan. Schlimm ist vor allem, dass sie gleich mehrere ihrer Songs an das russische Duo zum Aufputzen gegeben hat. Am Ende werden alle Aufnahmen mit dem selben Modern-Talking-Beat unterlegt und unterscheiden sich kaum noch. Da ist dann Don't Be So Shy sogar noch der auffälligste Track.

Spannend könnte es höchstens sein, zu ergründen, warum Filatov & Karas so stromlinienförmig daherkommen. Ist das eine Eigenschaft der aktuellen russischen Pop-Kultur: bloß nicht anecken, schön auf belanglos machen, oberflächliche Unterhaltung ohne einen Funken von Selbstironie, von Kritik ganz zu schweigen, alles gern auch mit Pseudo-Luxus aufgepeppt ... Inszenierte Selbstversicherung: Uns geht es doch gut, was brauchen wir mehr, wir sind die besten der Welt. Selbstgenügsamkeit pur.

Und das ist das eigentlich Langweilige an diesem Remix: er genügt sich völlig selbst. Er setzt sich weder mit dem Originalmaterial auseinander noch schafft er irgendeine spannende Synthese von verschiedenen Zugriffen.
Dass sich so viele Menschen damit begnügen und anfreunden können, ist irgendwie auch traurig.