Freitag, 24. Februar 2012

Ivy Quainoo: Do You Like What You See

Das ist also die Stimme von Deutschland. Hätte das jemand wirklich erwartet? Nachdem alle möglichen, vor allem männliche Kandidaten riesige Fanscharen um sich herum versammeln konnten, die jubelten, bloggten, digital Tracks kauften. Wer wurde da nicht alles in der Favoritenrolle gesehen: Percival, Behnam Moghaddam, Benny Fiedler, Michael Schulte. Und dann kommt diese 20jährige daher, bekommt einen Supersong auf den Leib geschrieben und gewinnt nahezu aus dem Nichts den kompletten Contest. Eigentlich eine tolle Geschichte. Im Grunde genommen super spannend. Schade nur, dass Castingshows im Jahr 2012 zwar offensichtlich noch halbwegs funktionieren und Gewinn abwerfen, aber die wirklich breite Masse überhaupt nicht erreichen. Genervtes Gähnen allerorten. Das hat dieser Titel und seine Interpretin nicht verdient.

Ob Ivy Quainoo nun tatsächlich die einmalige und unvergleichgliche Stimme besitzt, das kann ich nicht einschätzen. Ich erinnere mich gerade mal an irgendeiner Stelle erfahren zu haben, dass auch eine Stimme erstmal ein gewisses Alter haben muss, ehe sie so richtig reif ist. Ich glaube, 20 Jahre war nicht dieses Alter. Sei’s drum. Den Titel Do You Like What You See interpretiert Ivy Quainoo, als hätte sie ihr Leben nichts anderes gemacht. Und es klingt auch schon nach einer ordentlichen Portion Erfahrung. Vielleicht ist mir die Inszenierung als große (reife) Dame des 60er Souls ein wenig zu aufgesetzt – eine 20jährige dürfte ruhig auch etwas anderes machen als die große Theater-Show. Andererseits, warum soll es nicht auch schon sehr erwachsene Personen in diesem Alter geben. Während The Voice Of Germany landete sie recht häufig bei diesem Stil. Ich hoffe einfach, es war ihre eigene Wahl. Und vielleicht hat sie auch irgendwann mal den Mut, so etwas wie jugendlichen Soul zu probieren. (Duffy hat das schließlich auch mal ganz gut hingekriegt.)



Jetzt könnte ich noch hervorragend darüber nachdenken, was es bedeutet, dass ausgerechnet The BossHoss die Siegerin coachten. In der Runde der Juroren waren sie die Unverbrauchtesten, diejenigen die am meisten von der Dauer-Präsenz profitierten und die trotzdem die Coolsten blieben. (Ich mein: NENA ist ja sowieso eine ganz eigene Abteilung außer Konkurrenz, oder?) Und cool ist Do You Like What You See auf jeden Fall. Ob das für einen Alltagshit reicht ... wer weiß. Aber diesen haben The BossHoss selbst ja auch noch nie gewollt. Insofern: ziemlich straighte Sache das Ganze. Und eventuell besteht ja doch noch Hoffnung, dass sich dieses Casting-Gewerbe hin und wieder lohnt.



Freitag, 17. Februar 2012

Sean Paul: She Doesn't Mind

Jetzt schlägt er also wirklich nochmal richtig zu. Definitv, Sean Paul is back! Und er zeigt es allen nochmal so richtig. Sein Album Tomahawk Technique erschien just dieser Tage und schon das Cover lässt keinen Zweifel daran, dass es hier um Pop geht. Quietschbunt und ikonenhaft überzeichnet. Irgendwas zwischen Elektronoise und New Age. Monster Disco à la Grace Jones lässt sich hier genauso erwarten wie der Cyper-Punk des späten Billy Idol. Soweit zumindest die graphischen Referenzen.



Die Single She Doesn’t Mind selbst hält sich da mit den Verweisen eher zurück. Als zweite Auskopplung besitzt sie allerdings enorme Attraktivität und stürmt sofort sämtliche Verkaufsauswertungen. Schon jetzt stellt sie so etwas wie den erfolgreichsten Hit des Jamaikaners dar. In der Schweiz langt es sogar zum zweiten Nummer 1-Hit in Folge. Das ist vielleicht erstmal überraschend, aber dann bei genauem Hinsehen doch nicht verwunderlich. Denn schon nach den ersten Tönen ist auch hier klargestellt: das ist ganz fett und bedacht produzierter Pop. Glücklicherweise sind da immer noch genügend original Dancehall-Beats drin, so dass das Endergebnis nicht komplett identisch klingt zum Rest der momentanen Charts. Faszinierend finde ich, dass Sean Paul tatsächlich unbeirrt so toastet als wär’s noch 2002. Das hat schon wieder Charakter.

Schlimm ist allerdings das Video. OK – Mr. Obermacho hatte schon immer was für sexualisierte Clips übrig und die Rolle der Damen war jeweils eindeutig. Allerdings erinner ich mich an Bilder, in denen die Frauen auch eine gewisse Coolness ausstrahlten. Begehrenswerte Objekte, die nicht gleich für jeden Typen die Bluse aufmachen. Im Filmchen zu She Doesn’t Mind sind’s dann nur noch pseudo-lesbische Szenen, die aufgeführt werden. Regisseur Evan Winter hat dabei seine feuchten Träume in Airport-Kulisse ausgelebt. Das ist ziemlich nah am billigen Softporno dran und alles andere als irgendwie überraschend. Wenn das alles ist, was an Phantasie in Sachen Erotik vorhanden ist, na dann Danke. Die Jungs vorm Computer macht’s offensichtlich trotzdem (genau deshalb?) an – wo käme sonst der Erfolg her?



Vielleicht ist diese simple Einfallslosigkeit aber auch schwer berechnet. Zumindest das wieder mal unglaublich sensible Product Placement spricht da eine eigene Sprache. Remy Martin war und ist weder besonder mondän oder nobel noch in irgendeiner Art cool. Vielleicht gilt es gerade mal in irgendwelchen Einöden als Luxusprodukt, da wo der nächste Supermarkt 20 km entfernt ist.

Fazit: Sean Paul inszeniert sich auch nach dem Upgrade weiter als der Mann aus dem Volk. Eher einfach und bloß nicht zu abgedreht. Ein bisschen edel darf es sein, aber nicht zu fett bitte. Diese Art von Bodenständigkeit macht den Unterschied zu Taio Cruz und Timati. Das ist fast schon wieder sympathisch. Aber zu oft sollte man sich den Sound nicht reinziehen. Die Akustik-Variante ist da schon wesentlich überraschender und frischer.






Freitag, 10. Februar 2012

Taio Cruz: Troublemaker

Und schon wieder Taio Cruz.

Es gibt so ein paar Künstler und Künstlerinnen, die überschütten uns mit Veröffentlichungen. Das ist grundsätzlich auch völlig ok, könnte sogar sehr sehr schön sein, wenn nicht die Titel allesamt nach dem selben Strickmuster gebaut wären. Und genau das muss ich leider im Fall von Taio Cruz attestieren. Beim ersten Hören weiß ich nicht genau, war das jetzt Little Bad Girl oder Hangover? Oder war es gar der neue Titel von Chris Brown?

Das ist schade. Taio Cruz hatte mal begonnen – vor drei Jahren vielleicht – da war er etwas mehr als das britische Pendant zum aktuellen Clubsound aus den USA. Das hat sich in seiner Heimat auch schon ganz gut verkauft. Für den internationalen Markt war das den Musikmanagern und Agenten dann doch etwas zu heiß. Und Herr Cruz ließ sich glattbügeln. Produziert von den angesagten Größen des Business – bei Troublemaker ist beispielsweise Steve Angello von der Swedish House Mafia höchstpersönlich mit am Werk – Styling bis zum Ultimatum und dazu natürlich immer coole Gadgets, am liebsten Autos. Warum diese dann auch noch gegen die Wand gefahren werden müssen ...? Ein Bild dafür, dass die Besungene selbst das teuerste Auto wertlos macht?



Taio Cruz ist im Moment das konsequenteste Beispiel dafür, wie die große Musikindustrie funktioniert. Und was sie als ultimativen Sound vermarktet. Zu beobachten ist dabei auch, dass dieses Kunstprodukt ohne Werbemaßnahmen gar nicht so unglaublich erfolgreich wäre. Die Single startete nämlich alles andere als überzeugend. Da brauchte es erst einen Auftritt in der Verkaufsmaschine Nr.1 in diesen Wochen, nämlich in der Casting-Show The Voice of Germany. Die hat ja schon ganz andere Singles erfolgreich gemacht. Und nachdem Taio Cruz also mit den zwölf zu der Zeit noch im Rennen befindlichen Kandidat_innen Troublemaker vorgetragen hat, gehen auch die Verkaufszahlen in die Höhe. Und der Künstler freut sich zusammen mit seinem Label UNIVERSAL.


Der Auftritt in The Voice of Germany






Freitag, 3. Februar 2012

Olly Murs feat. Rizzle Kicks: Heart Skips A Beat

Endlich! Es hat wirklich eine Ewigkeit gedauert bis sich mal ein Major Label traut, diese Single in Deutschland zu veröffentlichen. Warum eigentlich? Ich mein’ Olly Murs ist seit 2009 in Großbritannien so etwas wie ein Idol. Ja klar, er war nur Zweiter im X Factor Casting – für deutsche Verhältnisse ist das: Nichts. Und dann sind die Superstars in Deutschland ja auch nach einer Saison bereits schon sowas von verbraucht – die Medienmaschine Dieter Bohlen braucht eben ständig Frischfleisch um das alte Geseiere ein wenig aufzupeppen. So gesehen ist das Interesse an Castingstars aus anderen Ländern eben gering. Allerdings ticken in Britannien die Popstrukturen ein wenig anders. Und ein Zweiter Platz bei X Factor bedeutet dann eben doch auch, die Chance auf eine Karriere zu haben. Olly Murs hat diese jedenfalls genutzt und in den vergangenen drei Jahren vier Top 5 Hits in seiner Heimat gelandet – zwei schafften es sogar bis zur Nummer 1. Natürlich alles ordentlich marktkonform produziert – aber um etwas anderes ging es ja bei dem Casting-Dings auch nicht …

Olly Murs nicht in Deutschland präsent zu haben, nun ja, das wäre zu verschmerzen gewesen. Dass es aber die Rizzle Kicks bislang noch nicht zu größerer Bekanntheit gebracht haben, ist schlichtweg unglaublich. Ihre zweite Single Down With The Trumpets war im vergangenen Sommer so etwas von erfrischend in dem allgemeinen David Guetta-Einheitsbrei. Zwei Jungs die ganz zwanglos Musik machen, ein bisschen naiv, unbeschwert und frech in der jüngeren Musikgeschichte herumstöbernd, witzig und dazu noch eingängig. Besonders schön, dass sie bei all ihrer Coolness auch absolut keine Berührungsängste haben– ich mein, wer trägt denn heute ernsthaft Klamotten von Stüssy? So kann Pop also auch aussehen – überhaupt nicht verkehrt und hierzulande leider völlig unterbewertet.



Glücklicherweise können britische Musikpromoter ihr Handwerk ein bisschen besser als die deutschen Kollegen. Und so wurden die beiden Jungs gleich mit Olly Murs zusammengetan. Herausgekommen ist Heart Skips A Beat. Im Normalfall ein unerträglich seichter Popbrei – durch die Lockerheit der Rizzle Kicks aber doch mit der nötigen Portion Besonderheit. Denn diesen pianogetriebenen Beat der 90er, den gibt es dann doch nicht mehr allzu oft im Business. Und irgendwie funktioniert’s wirklich immer noch. Dass sich obendrein die Rizzle Kicks trauen, in einem Mainstream-Song ordentlich herumzuscratchen, das ist schon fast mutig.



So kann man sich nur für die beiden Rizzle Kicks freuen und ihnen wünschen, dass sie so schön unkompliziert und direkt bleiben. Na, wenn man sich das neue Video Mama Do The Hump anguckt, dann bestehen eigentlich gute Chancen dafür, dass wir noch ein paar nette Aufnahmen zu hören bekommen. Meinetwegen dann auch mit Olly Murs oder einem anderen beliebigen Casting-Star.