Wie werden eigentlich heutzutage Stars gemacht? Da würde einem doch zuerst so etwas einfallen wie: cleveres virales Marketing, spektakuläres Video, Tabubruch … Alles falsch. Stars – oder eher: Hits – werden immer noch per TV gemacht. Das ist nun nicht die allerneueste Einsicht. Und zum Glück gibt es ja daneben auch noch all die anderen Gründe, manchmal ist es auch einfach nur ein guter, eingängiger oder cleverer Song selbst, der Interpreten bekannt macht. Aber wie gesagt: das Fernsehen ist nach wie vor die große Hitmaschine. Auch für Titel, die eigentlich aufgrund ihrer Qualität allein schon viel Interesse finden sollten.
Deutlich zu verfolgen ist die Macht des Fernsehens an den gerade im halben Dutzend auf uns niederprasselnden Casting-Formaten. Nicht, dass am Ende jeweils wirklich Stars herauskommen würden. Geschweige denn gute Songs. Aber durch Interpretationen von mehr oder weniger bekannten Titeln in Casting Shows werden diese mal schnell zum Verkaufshit – und manchmal gelingt so auch den ursprünglichen Interpreten der Durchbruch. Eines der deutlichen Beispiele der jüngeren Vergangenheit ist Leona Lewis, deren Titel Run immer und immer wieder präsent war, gesungen wurde – bis ihre Aufnahme sich in Massen verkaufte, obere Positionen in den Charts erreichte und dann mehr als ein Jahr ununterbrochen in den Auswertungen der meistverkauften Songs gelistet war. Leona Lewis selbst ist dadurch zu so etwas wie einem Superstar geworden – auch wenn die Bilanz ihrer großen Hits noch gar nicht so lang und überbordend ist.
Jüngstes „Opfer“ der TV-Propaganda ist Philipp Poisel. Der Singer Songwriter gab sein Debüt um 2006 herum auf seinem eigenen Label. Irgendwie lernte er Herbert Grönemeyer kennen, der ihn gut fand und dann auf seinem Label Grönland records promotete. Und damit war dann auch Philipp Poisel mehr oder weniger präsent. Entsprechend der Musik die er macht, nicht der große Hitlieferant, sondern eher was für die Nische. Sein zweites Album verkaufte sich dann aber schon ganz passabel und der Name war damit gesetzt – auch wenn die ganz breite und junge Masse der Musikkonsumenten mit ihme wohl weiterhin noch nicht viel verband. Erwachsenenmusik war wohl das Label – nicht unbedingt das schlechteste.
Für das richtig große Startum und das große Geld braucht es allerdings Hits. Und damit dann auch eine Fanschar, deren Altersdurchschnitt so um die 20 Jahre pendelt. Für ernsthafte Sänger und Sängerinnen ein schwieriges Unterfangen – erst recht in einem Land wie Deutschland. Für Philipp Poisel bot sich die Chance mit dem Film What a Man von Deutschlands Schauspiel-Liebling Matthias Schweighöfer. Der Titel Eiserner Steg gelangte auf den Soundtrack und erlangte daraufhin tatsächlich so etwas wie Hit-Status. In Chartplatzierungen ausgedrückt reichte es für Rang 21 und eine 13 Wochen dauernde Präsenz. Nicht schlecht.
Die wirklich große Aufmerksamkeit erhielt der Titel allerdings erst jetzt durch die Castingshow The Voice of Germany. In der Live-Phase sang Benny Fiedler Eiserner Steg und mit einem Mal wird der Titel heruntergeladen was das Zeug hält. Zunächst mal war es natürlich überaus mutig, auf einen Titel zu setzen, der eben nicht der Überflieger-Hit ist – offensichtlich eine weise Entscheidung. Denn auch Benny’s Interpretation konnte sich ganz gut verkaufen (ein Novum: die Aufnahmen der Teilnehmer sind als mp3 erwerbbar ... für die Single-Charts eine Frischzellenkur und Beschleunigung ohnegleichen). Und mit dem Auftritt ist auch Philipp Poisel plötzlich kein Unbekannter mehr in der jungen Zielgruppe.
All das Drumrum lenkt eventuell ein bisschen ab vom eigentlichen Song. Ich hab hier schon eher das Gefühl, dass es sich bei Eiserner Steg um einen intelligenteren Titel handelt. Klar ist das Ganze ordentlich romantisch verklärt, schließlich geht es auch hier wieder mal um das beliebte Sujet der Trennung und des Verlusts. Da dürfte also das verklärte Herz ordentlich mitleiden und so mancher Seufzer ausgestoßen werden. Und da beginnt das Problem – die Einzelerfahrung, die tatsächlich gefühlvoll, tiefgehend und durchaus auch schmerzhaft ist, wird durch den Hitstatus kollektiviert. Die Echtheit des Gefühls, der Erinnerung wird mehr und mehr ersetzt durch die Gewissheit: es geht ja vielen, vielleicht sogar allen so. Gemeinsam lässt sich gut trauern und leiden. Das endet dann im gemeinsam mitgegrölten Textzeilen wie „Ich will dir einmal noch nah sein, bevor ich dich für immer verlier“. Oder aber im locker mitschwingbaren Dance-Remix.
Spätestens hier ist dann wirklich nichts mehr übrig vom eigentlichen Gefühl. Ob das der Herr Poisel so gut findet? Es bleibt schwierig mit den großen Massenhits.
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