Freitag, 24. Juni 2016

Max Giesinger: 80 MIllionen



Und noch so ein Fußball-EM-bezogener Song. Obwohl momentan die erste große Euphorie etwas verflogen ist. Vorrunden-Alltag ist eingezogen. Und so spielen auch all die musikalischen EM-Übertragungs-Unterlegungen eine etwas weniger wichtige Rolle. Aber natürlich sind sie noch da: beim Public Viewing, im Autoradio, im Alltag. Und einer dieser Songs ist auch Max Giesingers 80 Millionen. Wobei der ursprünglich so ziemlich gar nichts mit Fußball zu tun hatte.

Das, was Max Giesinger da auf seinem Album Der Junge, der rennt veröffentlicht hat, ist erstmal ein reines Liebeslied. Auch eines, das sagt: Puh, nochmal Glück gehabt. Irgendwo hab ich gelesen, dass es die Zweifel und die Unsicherheit der Generation Y oder Z ausdrückt ... sie's drum.

Max Giesinger ist also verliebt und kann das gar nicht richtig glauben. Ein bisschen ist das schon auch waschbärchensüß: Hätte ich nie gedacht, dass so etwas passieren kann. Die große Liebe gibt es doch gar nicht. Heimlich hat er sich aber doch immer wieder danach gesehnt. So ist das mit den Märchen, die einen nicht wirklich verlassen, sondern im Kopf drin sind und immer wieder die Folie für unsere Wünsche sind.

Und nun also ist es passiert. Rein rechnerisch geht das gar nicht. Da kann man die Welt noch so viel studieren und berechnen, am Ende sind es doch Zufälle, Spontanbegegnungen, unsteuerbare Anlässe, die uns immer wieder beeinflussen und durcheinander bringen. Auch schön.

Und das feiert Max Giesinger. Schon auch mit einem kleinen proletarischen Fußballstadionchor. Euphorie in der Masse. Viel besser als nur die kleine Freude zu Hause. Hat ja schließlich auch was mit Teilen des Glücks zu tun.



Und wahrscheinlich ist es genau dieser Moment, der am Ende dafür sorgt, dass 80 Millionen auch in der neuen Version richtig funktioniert und den Song zu einem Überraschungs-Überflieger-Hit dieser EM macht. Denn nur der Text: "Ihr seid nicht allein, hinter euch stehen 80 Millionen" – der kann's ja nicht sein. Da gibt es genügend ähnliches Material auf den Hochladeplattformen dieses Landes.

Mitjubeln ist also angesagt – und fest an den Sieg glauben. Ein bisschen ist das auch Kollektivzwang. Wer sich nicht mitbegeistern lässt, ist raus. Oder wird rausgeschmissen. Auch das ist etwas, was in der neuen Version durch Max Giesinger transportiert wird.

Wenn nämlich 80 Millionen nicht nur mitfiebern und zittern, sondern mit Druck hinter einem stehen und Erwartungen haben, dann ist jedes Gegentor tatsächlich eine Staatskrise. Und ein Unentschieden erst recht. So ähnlich führt sich derzeit ja besonders die Medienmaschine auf. Was da alles analysiert und reininterpretiert werden kann. Da bin ich ganz schön froh, dass die Mannschaft samt Team drumrum das Ganze ein bisschen gelassener ansieht. Zu viel Pseudo-Verantwortung kann nämlich ganz schnell auch die Lockerheit wegmatschen.

Also hör ich mir vielleicht doch lieber das Original vom Album an und freu mich, das es auf der Welt auch Dinge gibt, die man nicht bis ins Letzte erklären kann.

Freitag, 17. Juni 2016

David Guetta feat. Zara Larsson: This One's For You



Über David Guetta schreiben? Och nö – da fällt mir doch nichts mehr zu ein. Der Mann veröffentlicht alle Nase lang einen neuen Song. Einer klingt identischer als der andere. Also nix Neues.

Höchstens das: als Frankreichs Vorzeige-Super-DJ darf und muss er zum Sporthöhepunkt des Jahres ran. Kostenloses Konzert als Einstimmung, Eröffnungs- und Abschlusszeremonie und natürlich auch offizieller UEFA-Song. Wundert es da noch jemanden, dass This One's For You sich auch in den Verkaufscharts tummelt?

Was wäre der Song ohne den Fußball-Hype? Vielleicht ganz knapp Top 20 – Durchschnittsware also. Da rettet auch Zara Larsson nichts. Zumal sie bislang ja auch eher mit naiv-fröhlicher Durchschnittsware in Erscheinung getreten ist.

Bei This One's For You wiederholt sich das Ganze nochmal: Während die EM also mehr und mehr überschattet wird von allerlei Gewaltakten, da macht das Duo Guetta/Larsson auf sorglose Party. Mit Gedröhn! Seid endlich alle fröhlich und kümmert euch nicht um die Dinge, die da nicht so funktionieren: Hooligans, Terror, radikalisierte Brexit-Fans ... Das ist schön auf offizieller UEFA-Linie. Mantramäßig wird wiederholt: Sport hat nichts mit Politik zu tun!

Sicher, der sportliche Wettbewerb sollte nicht zur Bühne für politische Zwistigkeiten werden. Wo sich Sport-Offizielle aber um eine anständige Haltung drücken (Menschenrechte, Gleichheit, friedliches Miteinander), da wird das Körperspektakel dann eben doch schnell vom Politischen eingeholt. Immerhin, randalierende Hooligans will man nicht länger dulden. Ob ein Ausschluss der betreffenden Manschaften aber bei den wilden Horden eine Verhaltensänderung bewirkt – ich zweifel das mal an.

Für die Mehrheit natürlich ist diese EM ein Fest. Muss man jetzt tatsächlich auch nicht überbewerten, dass ein paar Idioten die Aufmerksamkeit nutzen um auch mal auf der Weltbühne wahrgenommen zu werden. Für die meisten geht es ums Miteinander. So wie es Zara Larsson im Text besingt: Gemeinsam sprengen wir Grenzen und setzen neue Maßstäbe.

Das Video liefert dazu eine Tour um die Ganze Welt: Rio, Taj Mahal, New York – und überall wird Ball gespielt. Arm, reich, Junge, Mädchen, schwarz, weiß und alle Farben dazwischen. Für einen Moment glaube ich wirklich, dass alles gut wird und die Welt nicht unbedingt ein schlechter Ort sein muss. Aber wirklich nur für ganz kurz.



Dieses Glück, diese EM ist ein sehr filigranes Gebilde – es braucht nur wenig, um eine Menge zu erschüttern. Zu viel ist in den letzten Monaten auf dieser Welt passiert. Ich kann verstehen, dass aufgrund dieser Erfahrungen die Behauptung von Fröhlichkeit und Glück um so lauter sein muss. Das ändert die Wirklichkeit aber leider nicht. Und deshalb sind mir diese übergroßen Inszenierungen doch schon ganz schön über. Ob nun Eurovision oder UEFA EM – zu viel Spektakel, zu viel Geschreie. Ich finde, es wird mal wieder Zeit für ein paar leisere Zwischentöne. Die könnten auch einem Track von David Guetta ganz gut tun.

Freitag, 10. Juni 2016

The Chainsmokers Ft. Daya: Don't Let Me Down



Manchmal tauchen Namen wie aus dem Nichts auf und sind plötzlich völlig der Hype – da weiß ich mitunter gar nicht: War das jetzt cleveres Marketing, oder haben die wirklich grad eine perfekte Schaffensphase. Zum Beispiel The Chainsmokers. Die haben vor zwei Jahren mit #Selfie ordentlich Furore gemacht – ist sogar so etwas wie ein mittlerer Hit geworden. Dann war doch längere Zeit Ruhe, aber dann tauchen sie seit drei vier Monaten wieder auf ... nicht einfach mit einem neuen Hit, sondern gleich mit zweien: Roses und Don't Let Me Down. Und beide stellen ihren internationalen Einstand erfolgsmäßig in den Schatten.

Die starke Präsenz hat sehr wahrscheinlich mit dem Wechsel der Plattenfirma vor gut einem Jahr zu tun. Disruptor Records – ihr neues zu Hause – kolaboriert eng mit Sony Music Enterteinment, da agiert also schon eine recht große Marketing-Maschine im Hintergrund. Und das dürfte einen guten Teil des neuen Erfolges der Chainsmokers ausmachen. Wenn man Musik nicht kennt, dann kann man sie auch nicht mögen – mehr Verfügbarkeit bedeutet auch mehr Chancen auf Verkauft-Werden. Einfaches Marketing 1x1.

Und wie ist das mit Sängerin Daya? Die 17-jährige taucht tatsächlich aus dem Nichts auf und erreicht Radiostationen und Charts nahezu gleichzeitig mit zwei Songs. Zumindest in Deutschland. Da spielt dann der Zufall oder die durchaus eigenwillige Veröffentlichungspolitik von Musiklabels eine Rolle, denn Hide Away ist schon seit Herbst 2015 auf dem US-amerikanischen Markt verfügbar. Aber erst, nachdem es sich dort als mittlerer Hit gut etablieren konnte, ist der Weg frei für den europäischen Markt. Im Jahr 2016 eigentlich völlig unverständlich, wo doch digitale Medien und globale Vernetzung eine simultane Verfügbarkeit garantieren und selbst koreanische No-Names in wenigen Tagen oder höchstens Wochen zu globalen Stars werden.

Warum dann vor allem Don't Let Me Down zum durchschlagenden Erfolg wird, hat sicher auch etwas mit kalkulierter Berechnung zu tun, denn verglichen mit #Selfie ist der Song ja geradezu unscheinbar artig. #Selfie war geradeaus, sarkastisch, lustig und böse. Musikalisch und inhaltlich ziemlich kompromisslos. Und hat genau deshalb ordentlich gefetzt und Spaß gemacht. Auch wenn das Ganze vielleicht nur ein Persiflage sein sollte. Hat funktioniert.

Bei Don't Let Me Down erkenne ich mit den ersten Akkorden die Chainsmokers erstmal gar nicht wieder. Gitarrenmäßige Einzeltöne als Hookline – was ist denn das? Eine Anbiederung an die Deephouse-Country-Pop-Bewegung der letzten Jahre? Gut, mit dem Refrain setzen auch ein paar Trap-Sounds ein, so dass ich zumindest erkenne: Die beiden Jungs haben ihr Zu Hause wirklich im elektronischen Clubbereich.

Zum Pop-Titel wird der Track ganz wesentlich auch durch Dayas Gesang. Der ist kraftvoll, stark, eindrucksvoll – auf jeden Fall, aber eben auch sehr nah dran am Stil von Rihanna oder SIA. Das funktioniert im Mainstream grad ziemlich gut – und Daya ist tatsächlich auch eine Vertreterin, die diese Art sehr überzeugend meistert ohne ins Rumgeschreie abzurutschen wie so manche ihrer Kolleginnen. Vielleicht liegt es daran, dass sie ihren Text in allen Facetten tatsächlich empfindet. Hier geht es nämlich nicht nur um das Flehen, nicht allein gelassen zu werden, oder um Verzweiflung, sondern auch um die Enttäuschung, das Wissen um den Absturz, die Niederlage ... am Ende also den Schmerz.

Das funktioniert im Zusammenspiel mit dem Geschredder der Chainsmokers ganz gut. Und auch in den liedhafteren Passagen weiß sich Daya ganz gut zu behaupten. Insofern ist die eigentliche Entdeckung dieses Songs die junge Sängerin, weshalb es sich lohnt, auch mal in ihre anderen Aufnahmen reinzuhören. Das meiste davon ist mit elektronischen Sounds angereichert, die ordentlich auf Dekonstruktion setzen – vielleicht hat sie ja irgendwann auch mal Lust, ähnliches mit ihrer Stimme auszuprobieren. Das könnte dann richtig aufregend werden.
Die eher schlagerhaft daherkommenden Remixe sind dagegen äußerst belanglos und tun auch ihrem Gesang nicht unbedingt einen Gefallen.

Für alle, die Musik vor allem über Videoplattformen wahrnehmen, lässt sich an Don't Let Me Down ein kleines Kuriosum beobachten. Während das offizielle Video mit den Original-Künstler*innen nicht allzu viele Einfälle zu bieten hat, versorgt uns das Lyrik-Video mit einer viel konsistenteren Story. Die dem Text eine mögliche Interpretation hinzufügt. Dagegen ist das magisch sich aufbäumende Auto nur ein sinnleerer visueller Trick, der nichtmal choreographisch die 3-Minuten des Songs lang trägt.



Freitag, 3. Juni 2016

DNCE: Cake By The Ocean



Nun haben also beide Jonas Brothers eine Karriere nach ihrem Teenie-Brüder-Projekt erfolgreich laufen. Das ist der eher langweilige Fakt hinter Cake By The Ocean.
Auf der anderen Seite ist genau dieser Klatsch-Tratsch-Aspekt bei DNCE momentan wesentlicher Bestandteil ihrer Inszenierung. Interessant dabei ist, wie kink und queer US-Amerikanischer Mainstream-Pop im Jahr 2016 also sein darf. Das ist dann tatsächlich ordentlich erstaunlich, denn was sonst so an gesellschaftspolitischen Meldungen über den Atlantik schwappt, das deutet ja eher auf das Gegenteil hin.

Kann also gut sein, dass die etwas jüngere und gerade nachwachsende Popkultur-Generation hier eine ganze Menge Spaß auslebt, den die Spießer und Landbewohner nicht so richtig geil finden. Und vielleicht gerade deshalb so verbissen und aggressiv drauf sind. Das darf ja nicht sein, dass das Leben auch Spaß machen darf...

DNCE haben also mit ihrer übermedialen Präsenz sehr viel Freude und schaffen es, ihre richtig gute Laune an mich zu übertragen. Das gelingt ihnen vor allem, weil sie doch eine Menge Zeug quer durcheinander hauen und einen eigenen Stil definieren. Überraschung und Lebenslust ist das vorherrschende Prinzip. Konsequenter durchgehalten und zugelassen als es beispielsweise ihre australischen Kolleg*innen von Sheppard tun. Und zwar musikalisch genauso wie visuell.

Fang ich mal mit der Musik an. Was mit den ersten Tönen zwar sehr funky anfängt, könnte aber dann doch auch noch so ein Jungsband-Hit aus dem Poprocktopf werden. Passiert aber nicht, denn der Song nimmt ganz schnell Fahrt auf und dreht sich spätestens mit dem Falsett-Refrain auch emotional in Hochstimmungen, die von schrillen Pfeiftönen im Hintergrund begleitet werden. Das ist mal 'ne Partry! Da kann ich sogar Gitarren richtig gut finden.

Dass der Song so hochgepeitscht daherkommt ist ganz klar – hier geht es nämlich um eine Menge Anzüglichkeiten und Lust. Da bleibt keine Zeit für lange Balzrituale. Zur Sache Schätzchen!
Und wie das bei zwei- und mehrdeutigen Texten immer ist, es bleibt viel Spielraum für eigene Interpretationen und vor allem auch reichlich lustige Missverständnisse. Da darf man sich schon mal die hübschen Gossip-Geschichten aus wikipedia reinziehen und gleichzeitig auch den Kopf schütteln über den Fakt, dass das US-Amerikanische Radio allen Ernstes auf einer Clean-Version besteht. Wie oben schon angedeutet: man kann sich auch jegliche Freude am Dasein verbieten.

Entsprechend der musikalischen Performance, lässt sich auch das Video nicht lumpen und inszeniert wortwörtlich eine Tortenschlacht am Strand. Auch hier hübsche Verdrehung der gewohnten Sehweisen, denn während die erste Strophe vor allem eine Horde weiblicher Models in altbekannten Posen abgefilmt wird, taucht dann glücklicherweise auch Josh Ostrovsky auf und darf sämtliche Posen auch nochmal wiederholen. Und natürlich sind die Cheerleader Jungs in knappen Badehosen. Da beginnt dann der Spaß – Klischees kennen, bedienen und brechen. Man schaue sich dagegen die langweilig glatte Inszenierung der Fifth Harmony an – hier liegen Welten dazwischen.



Im Hintergrund zum Video war auch Gigi Hadid aktiv. Muss man als Model-Schönheit jetzt nicht unbedingt mögen, als Pop-Ikone hat sie sich allerdings schon einige Lorbeeren erarbeitet – zuletzt als VideoPartnerin in ZAYN's Pillowtalk (klar – mittlerweile sind sie ja auch offiziell ein Paar).

Cake By The Ocean repräsentiert also mit jeder Facette aktuelle, junge Popkultur. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass DNCE hier mal so ganz nebenbei an dem Faden weiterspinnen, den die Scissor Sisters vor einigen Jahren auf die Bühne geworfen haben. Naja und Adam Levine hätte an der prallen Lebenslust der vier Musiker sicher auch seine Freude.
Mal schauen, wie lange sie das durchhalten und ob es nach diesem Debüt-Versprechen auch so prall weitergeht.