Freitag, 25. August 2017

Justin Bieber + BloodPop(R): Friends



Großartig! Ganz einfach.

Es gibt selten Songs, die mich auf Anhieb umhauen. Dieser gehört dazu. Obwohl die Voraussetzungen dafür gar nicht gut waren: Justin Bieber hat in letzter Zeit eine Menge Quatsch veröffentlicht. Positiv könnte man formulieren: Der hat halt vor nichts Angst und ist wahnsinnig vielseitig. Leider führt das nicht immer zu besonders tollen Produktionen. Zwar sind die Auftritte bei DJ Khaled, David Guetta und Luis Fonsi alles Hits geworden, aber mal ehrlich: was genau war an denen so einzigartig? Ich würde sogar behaupten, dass die bloße Nennung von Herrn Biebers Name jeweils schon genügt hat um den Erfolg der Produktionen nicht ganz unerheblich zu beeinflussen. Gute Vermarktung - Kreativität eher minimal.

Bei Friends ist das eigentlich ähnlich. Es ist weniger Justin Biebers Gesang, der mich so überrascht. Obwohl es mir gefällt, dass dieser im Zentrum des Ganzen steht. Es ist die Produktion von BloodPop(R), die ganz geschmeidig an aktuellen Sounds ansetzt und eine flockige Pop-Nummer drausmacht. Und zwar in ganz klassischem Sinne. Schwungvoll, eingängig, mit einer ordentlichen Portion Kitsch drüber, gerade so, dass es zuckrig genug ist um Lust auf mehr zu machen. – Ich hab gar nicht gewusst, dass es überhaupt noch möglich ist solche Songs zu machen.

Das ist vielleicht auch der Grund für meine Euphorie: Die Erwartungshaltung an kommerziell erfolgreiche Musik sind bei mir derzeit sehr sehr niedrig. Die meisten Produktionen segeln aktuell derartig an der Hitgarantie entlang, da passiert selten mal ein echtes Gefühl.
Wenn dann ein junger Mann wie BloodPop daher kommt und Produktionen abliefert, die mich auf Anhieb anrühren, dann ist das schon ein bisschen sensationell.

Es ist also sehr wahrscheinlich, dass es nicht der Name BloodPop ist, der die Menschen Friends lieben lässt. Obwohl der Produzent schon bei Sorry an den Mischpultknöpfchen mitgedreht hat und dort (in Kooperation mit Skrillex bewiesen hat, dass er den Teenie-Star sehr gut und zeitgemäß inszenieren kann. Jetzt offiziell als Künstler benannt, könnte er der nächste Produzentenstern am Pop-Himmel sein. Was mich nach den ersten Hör-Eindrücken tatsächlich freuen würde.

Wäre ja schön, wenn es neben den Brachial-Poppern The Chainsmokers auch noch ein oder zwei Namen gäbe, die mit etwas mehr Feingefühl meinen Alltag versüßen. Digital Farm Animals gehört dazu. Und noch etwas elektronischer angereichert Fujiya & Miyagi und Flume. Das könnte die neue, junge Garde des Pop sein, die es schafft, mit verschiedenen Stilmitteln umzugehen und tatsächlich schöne Zwischentöne zuzulassen. Da muss jetzt nur noch das Publikum mitspielen. Ob das derzeit für emotionale Anrührung zu haben ist. Ich weiß es nicht.

Freitag, 18. August 2017

P!NK: What About Us



Es hat doch ganz schön lang gedauert bis P!NK mal wieder so richtig präsent ist mit neuem Material. Hier kommt sie also - und beginnt deutlich politisch.
Sounds von Straßenriots zu Beginn ihres Videos, Schnipsel aus Politikerreden und dann "God bless you and god bless America" - immer noch patriotisch. Einpolitischer Anti-Trump-Song ist das wohl nicht.

Und dann beginnt tatsächlich ein Popsong, den P!NK in dieser Art noch nie zuvor veröffentlicht hat. Selbst ihr Einstand Get The Party Started war wesentlich rauer. Hier sind es Piano-Harmonien, die sich in steter Wiederholung zum Höhepunkt hochschrauben. Das Ganze klingt natürlich auch ein bisschen nach Coldplay und so hat Produzent Steve Mac doch noch die Kurve gekriegt zum Song, der nah genug am Mainstream ist um sich zu verkaufen und trotzdem noch so ein bisschen Independent-Feeling mit sich bringt.



Hört man ein wenig auf den Text, dann wird schnell klar: Das könnte doch ein Protest-Song sein. Allerdings drückt sich die Sängerin vor allzu klaren Aussagen. Ja, das lässt sich alles lesen als ein Abgesang auf dumme, undurchdachte Politik - aber wen meint sie denn da mit "We" and "You"? Das ist dann doch eher ein ungerichtetes "Die da oben"-Geschimpfe. Nicht sehr konstruktiv, nicht besonders klar. Aber immerhin genug Anknüpfungspunkte um mitzuzetern. "Was ist mit uns?" ist ja grundsätzlich erstmal ein Forderung, in die viele einstimmen können. Jede*r fühlt sich ein bisschen außen vor gelassen. Auch die Mächtigen und Bestimmenden.

Das ist alles ein bisschen schade. Wenn P!NK ein wenig genauer sagen könnte, was sie da so annervt, dann wäre dieser Song vielleicht wirklich was für die Rubrik "Populäre Protestsongs" - so bleibt es eine ganz eingängige Pop-Produktion für irgendwie die falsche Sängerin. Celine Dion hätte hier vermutlich mit mehr Pathos auch ganz gut reingepasst.

Freitag, 11. August 2017

Calvin Harris Ft. Pharrell Williams Katy Perry & Big Sean:
FEELS



So poplastig kann also Reggea daher kommen. Und sich dabei sogar noch einigermaßen gut anfühlen. Mir geht es jedenfalls so, dass ich ordentlich froh darüber bin nicht noch eine kifferverrauchte oder völlig verpeilte Blödelnummer auf diesem Sound hören muss. Wahrscheinlich ist das ganz schön spießig, aber ich finde in diesem Fall ziemlich super, den Nischensound rauszuzerren ans Licht, durch die Mainstream-Maschinerie zu quetschen und dann der Normalität preiszugeben. Geht natürlich einher mit jeglichem Verlust von dem, was Reggea früher früher auch mal war.

Das alles geht für mich aber klar. Vor allem auch, weil die vier Superstars gar nicht erst versuchen mir vorzumachen, dass sie jetzt besonders alternativ oder cool sind. Sie machen halt Kaugummi-Pop. In aller Konsequenz. Deshalb ist auch das Video so gnadenlos Plastik. Kunstblumen, eine Palmeninsel aus der Augsburger Puppenkiste und jede Menge schlechter Videoeffekte. Das ist derartig weg von der Masse der aktuellen Videoproduktionen, dass es fast schon anti wirkt. - Aber keine Angst: Ich kram hier nicht den Rundumschlag raus und versuche zu beweisen, dass Pop im Grunde auch subversive Züge hat.



Für Calvin Harris ist diese Produktion eher ungewöhnlich. Glücklicherweise hat er sich ja innerhalb der letzten Monate doch das eine oder andere Mal getraut, seinen altbekannten Brettersound sein zu lassen und was anderes auszuprobieren. Mit diesem Ausflug beweist er, dass er schon ein ganz gutes Gefühl für Leichtigkeit und Spaß haben kann. Pharrell Williams ist bei Feels der Prägende. Sein Gesang, sein Gespür für Funk bestimmen die Produktion. Und ich könnte mir vorstellen, dass er bei der Entstehung des Ganzen ordentlich mitgemischt hat. Schöne Kombi würd ich das mal nennen.

Big Sean dagegen bringt einen ordentlich Bruch in das Ganze. Ich weiß ja auch nicht, warum jetzt wieder überall ein Rap-Part eingefügt werden muss. Das ist ziemlich 1:1 das, was in den 1990ern auch schon Usus war. Na gut, vielleicht wäre Feels ohne diese Unterbrechung auch wirklich etwas zu langweilig. Bekanntlich machen Gegensätze eine Sache ja durchaus erstmal interessanter.

Nun läuft also Feels nach etwas Anlaufschwierigkeiten doch auf allen Servicewellen und hat auch gerade im Vereinigten Königreich die Nummer 1 erreicht. Schön, dass es neben Despacito dann doch noch einen anderen Sommerhit in diesem Jahr gibt. Der ist zwar viel mehr Kindergarten als die Testosteron-Hymne aus Puerto Rico und erreicht vermutlich genau deshalb doch eine ganze Menge Menschen weniger. Aber auch das muss man sich ja erstmal leisten können: Auf Marktanteile verzichten, weil man eben nicht die brezdämlichsten Klischees wiederholt.

Und zu guter Letzt schreib ich auch das noch (obwohl das ja total verpöhnt ist bei Beschreibungen von Musik): Feels macht ganz gute Laune. Wenn man sich drauf einlässt.

Freitag, 4. August 2017

J Balvin & Willy William: Mi Gente



Ist das der nächste lateinamerikanisch infizierte Superhit? – Gut möglich.
Und was ist an dieser Produktion besser als an Despacito?

Erstmal, dass Mi Gente auf das kitschig-süßliche Latino-Hit-Umfeld verzichtet. Es gibt da recht wenig schwülstig getragene Gitarrenklänge oder Rumba-Samba-Lambada-Gewäsch. Dagegen mischt die Produktion die durchaus lateinamerikanischen Rhythmen mit zeitgemäßen westlich-europäischen Stilmitteln. Im besten Fall ist das eine Fusion, wie sie durch DJs/Produzenten wie Snake oder Diplo schon eine ganze Weile zelebriert wird. Willy William ist also der nächste in der Riege der mutig Kombinierenden und Mixenden.

Heraus kommt eine Mischung, die sowohl in Kolumbien als auch in Frankreich funktioniert. Spannend ist dabei zu beobachten, dass der Kolumbianer sich insgesamt viel westlich-europäischer inszeniert, als wir das aus den vielen verklärten Reportagen und Reiseberichten gewohnt sind. Und der Franzose Willy William zitiert ganz fröhlich eine Folklore, die nicht wirklich seine ist. Sehr hübsch wie in einer globalisierten und sich mehr und mehr mischenden Welt die Verweise und traditionellen Bedeutungen verschwimmen und auflösen. Ist das nun afrikanisch, europäisch, lateinamerikanisch?



Konsequenterweise fehlt im Video zu Mi Gente auch weitestgehend das karibische Palmen- und Strandgedöns. Statt ständig heißer Tag am Strand ist es auch mal Nacht. Der Danceclub ersetzt die Latino-Disco. Und die folkloristische Wandbemalung ist lediglich digital animiert und mit einem Fingerschnipsen weg.

Hier entsteht eine dunkle Welt, die an Blade Runner erinnert, und trotzdem wesentlich mehr Spaß und Lebensfreude vermittelt. Warum soll es auch in einer kulturell-durchmischten Welt keine schönen Seiten und Momente geben. Nur weil wir nicht mehr am jahrhundertelangen Paartanz festhalten, heißt das ja nicht, dass es nicht weiterhin um Paarungsrituale geht.

An Mi Gente überzeugt mich am Ende vor allem der sparsame fast minimalistische Einsatz der musikalischen Mittel. Visuell bunt - akustisch auf den Punkt reduziert: Rhythmus, ein paar Percussion-Elemente, Gesang und ein endlos wiederholter Loop. Brauchen wir mehr für eine gute Party?