Dass eine Künstlerin – vornehmlich sind’s irgendwie Frauen – durch ihren Erfolg im Internet zu einem Vertrag und zu mehr oder weniger einer Karriere gelangen, das ist im Jahr 2012 schon fast eine Normalität. Vortrefflich ließe sich an dieser Stelle darüber nachdenken, welche Aufgaben eigentlich Musiklabel noch haben. Talente und Musik, die ohnehin existieren abfischen und vermarkten – sprich einem größeren Publikum nahe bringen. Wobei selbst das mehr und mehr auch ohne Vertrag passiert.
Siehe Christina Perri. Auf ihrem youtube-Channel hatte sie bereits eine Menge Fans, bevor ihr Titel Jar Of Hearts den Weg in eine Fernsehshow schaffte und dann zu einem Vertrag führte.
Die Geschichte von Jar Of Hearts ist schnell erzählt. Christina Perri singt über eine gescheiterte, unerfüllte Beziehung, die auch nach dem Ende noch schmerzt, zumal die andere Person eine Wiederaufnahme derselben wünscht. Nun sinniert also Christina Perri, ob es sinnvoll ist seinem Herzen und seinen Gefühlen nachzugeben – eigentlich war es doch schön. Aber nein, der Kopf erinnert sich, das hat damals schon nicht funktioniert. Und sie weiß auch noch sehr genau, warum es damals so weh tat. Weil eine Seite – und es war nicht sie – dominant war. Auch das nennt man Gefühlskälte.
Die Legende besagt, dass Christina Perri hier ganz autobiographisch eigene Erlebnisse verarbeitet hat. Und allein die Stärke, sich erinnern zu können und tatsächlich den Kopf entscheiden zu lassen, zeugt von einer ordentlichen Portion Erwachsenheit – hier im besten Sinne gemeint. Angenehm hebt sich dieser Titel ab von dem romantischen Schlager-Allerlei, in dem unreflektiert eine Märchenversion von Liebe und Beziehung gefeiert wird und wo sie ewig den DJ liebt und auch nach 20 Jahren noch jeden Abend anhimmelnd am Pult steht. Diese Figur hat ja ihr Leben wohl eher völlig verpasst. Danke, Christina Perri, dass du an dieser Stelle mal eine selbstbewusste Gegengeschichte erzählst, auch wenn (oder gerade weil) es immer noch weh tut und schwer fällt.
Dass die schwere Entscheidung nicht einfach so weggewischt wird, macht den Titel so intensiv. Hier braucht es kein breites Orchester, keinen Kitsch. So wie Christina Perri in ihrer Geschichte ganz genau hinschaut, so hat sie eben auch bei der Komposition sich darauf konzentriert was ihr und dem Song gut tut. Und plötzlich ist auch ihr Auftritt im zerrupften Brautkleid mit Springerstiefeln zwar immer noch ein wenig pathetisch, aber auch völlig logisch.
Bleibt Christina Perri nur zu wünschen, dass sie wie im Video so auch in der Realität weiterhin Stärke beweisen kann und am Ende als Siegerin dasteht, statt sich von PR Managern und großen Musikfirmen vorschreiben zu lassen, wie ihre Musik zu funktionieren habe. Dass sie nach ihrem großen Deal dann ziemlich schnell für den Soundtrack zu Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht engagiert wurde, zeigt, wo es nach Willen der großen Firma mit ihr hingehen soll. Insofern ist es ein Glücksumstand, dass A Thousand Years nicht zum großen Hit wurde. Das ist dann nämlich schon ganz schön weichgespült und weg vom Leben – und (ja, ich sag’s) von authentischem Gefühl, auf alle Fälle weg von Christina Perri selbst.
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