Freitag, 21. Oktober 2016

David Guetta * Cedric Gervais * Chris Willis: Would I Lie To You



Hmm – ein Rückgriff auf einen 90er Hit mit Anleihen in den 70ern – Atemporalität dürfte hier mal wieder das Schlagwort sein. Und einmal mehr die Versicherung, dass es sich dabei um ein Langzeit-Phänomen handelt. So schnell drehen wir den technischen Fortschritt nicht zurück.

David Guetta hat sich also den Nr.1-Hit von Charles & Eddie aus dem Jahr 1992 geschnappt, die Hookline von seinem Lieblingssänger aus den 00ern Chris Willis einsingen lassen und das Ganze dem französischen House-Kollegen Cedric Gervais zum Überarbeiten gegeben. Rausgekommen ist … zuallererst mal ein David-Guetta-Hit, der wieder ein bisschen weggeht vom Stadion-Brachialsound und allein schon deshalb wesentlich anhörenswerter als sein Vorgänger This One's For You.

Jetzt kann ich natürlich ganz gut dran rummosern, dass das ja arg nach French Filterhouse klingt, Daft Punk winken mal ganz fröhlich um die Ecke (deshalb ja auch die funky Gitarre im Stil von Nile Rodgers. Nun ja, warum auch nicht? Irgendwie kann ich damit sogar leben.
Das, wovon ich nicht so richtig überzeugt bin ist dieser Refrain. Vielleicht auch deshalb, weil ich das Original zwar früher mal mochte, heute aber wirklich nicht mehr hören will. Da ist nicht nur das Video aus einem Jahrhundert.



Die Version 2016 hat da wesentlich mehr Schmiss. Und hätte das Vocal-Zitat vermutlich gar nicht gebraucht. Aber dann hätte der Track keine Chance auf Radioeinsatz gehabt und damit niemandem so richtig aufgefallen.

Das ist das Schräge an den heutigen Hits: So richtig wollen und sollen Sie keine Geschichten mehr erzählen – ganz auf den Text verzichten können sie aber auch nicht. Das könnte ein Effekt der Generation twitter sein. Kurzmitteilungen in kryptischer Form – gern auch poetisch mit Sprache umgehend – aber nach 180 Zeichen ist die Aufmerksamkeitsspanne schon reichlich ausgereizt.

Look into my eyes, can't you see they're open wide – would I lie to you
Don't you know it's true, girl there's no one else but you

Noch dabei? – Naja, es wird ja glücklicherweise ungefähr 20 mal innerhalb von drei Minuten wiederholt.



Dass diese Wahrheits-Beschwörung alles andere als ehrlich ist, untermalt sehr hübsch das Cut & Paste-Video, dass eine kleine Gangster-Story erzählt. Oder besser doch, die Geschichte eines Grafitti-Künstlers. Beat Street lässt hier auch grüßen – ja, das ist alles sehr hübsch zusammengeklaut. Und bedeutet in seiner Zusammenstellung so gut wie nichts.

Would I Lie To You zelebriert also in ziemlicher Reinform, wie heutzutage Kulturproduktion erfolgt. Sein Erfolg untermauert obendrein, dass es sich hier wirklich um die aktuelle Form von Popkultur handelt. Das, was es auch vormacht ist: Inhalt ist Nebensache. Da ist mir die neue Daft Punk-Single dann aber irgendwie doch lieber … naja, vielleicht nächste Woche.

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