Über die Jahre hat sich Hallelujah zum Klassiker entwickelt. In den englischsprachigen Ländern ging es schon etwas eher los. Genaugenommen sogar schon in den 90ern. In Deutschland brauchte es dann doch noch etwas mehr Medienpräsenz, aber seit gut fünf Jahren ist das Lied nicht nur eine gern interpretierte Melodie bei All-Star-Zusammenkünften oder Weihnachtszusammenstellungen sondern mittlerweile auch ein richtiger Verkaufshit.
Aber das hat wirklich gedauert. Obwohl es 1984 von Leonard Cohen selbst nicht nur auf seinem Album Various Positions sondern sogar als Single veröffentlicht wurde, interessierte sich kaum jemand für den Titel. Erst mit der Verneigung durch andere Künstler, insbesondere Jeff Buckley, nahm das Interesse zu. Aber auch diese Aufnahme brauchte bis in die 2000er hinein, bis sie erstmals als Single-Hit in irgendwelchen Listen auftauchte.
In Deutschland tauchte Hallelujah das erste Mal zu Weihnachten 2012 in den Charts auf. Im April 2014 war es ein Hochzeitsvideo, das erneutes Kauf- bzw. Download-Interesse erzeugte. Und schließlich wählte Xavier Naidoo in der ersten Sing meinen Song-Weihnachtsausgabe 2014 Hallelujah als seinen Song und brachte die Komposition damit ebenfalls in die Verkaufsliste.
Das Original dagegen wurde tatsächlich erst in größeren Mengen geladen und gestreamt nachdem der Autor im Herbst diesen Jahres starb. So ist das mitunter bei Stücken, die irgendwie jeder kennt und die fast schon zum kulturellen Kanon gehören – sie sind genau deshalb so präsent, weil sie eben nicht permanent zu Tode gedudelt werden und höchstens mal kurzzeitig wirklich medial präsent sind.
Ein bisschen besteht allerdings für Hallelujah gerade die Gefahr, dann doch den kommerziellen Overkill zu bekommen, denn mit der Variante der texanischen A-capella-Formation Pentatonix haben wir so etwas wie den Weihnachtsschlager 2016 vor uns. Top 5-Notierung des Titels bei einem sich eher mittelmäßig verkaufenden Weihnachtsalbum – das ist schon fast bedenklich. Ich hoffe einfach, dass nach den Feiertagen, also genau jetzt, keiner mehr so richtig Lust hat auf diese Version.
Das ist aber noch keine sichere Sache, denn so weihnachtlich ist die Version der Pentatonix gar nicht. Bis auf ein paar Drum-Elemente tatsächlich komplett mit der menschlichen Stimme erzeugt, verzichten die fünf nämlich auf das übliche Glöckchen-Beiwerk total, dass uns sonst von Wham! bis Mariah Carey alle als ultimativen Weihnachtssound präsentieren.
Auch das Video bedient all die Stille Nacht, heilige Nacht-Klischees überhaupt nicht, sondern präsentiert eher reduzierte Hipster-Nachdenklichkeit.
Die Pentatonix liefern aber nicht einfach nur eine sehr zeitgeistige Version des Liedes ab. Sie bügeln das Lied auch ordentlich glatt. Vielleicht ist das eine Gefahr, die bei a capella-Versionen generell schnell besteht. Zumindest habe ich auch bei den Wise Guys immer wieder Probleme: das ist alles so schöner, harmonischer und perfekter Gesang, dass es mich total langweilt und ich mich noch einer Dissonanz förmlich sehne.
Die Pentatonix machen das mit Hallelujah ganz ähnlich: Das ist so geschmeidig und so gefühlig, an den Stellen, an denen es besonders ans Herz gehen soll, werden die Stimmen lauter … wenn die gesamte stimmliche Inszenierung nicht so rein technisch wäre, hätte diese Aufnahme sicher einen Platz in der Hitliste der pathetischsten Hits des Jahres gleich neben The Sound Of Silence von Disturbed sicher gehabt. Aber das Arrangement und die Interpretation bleiben irgendwie so leblos und kalt. Das ist alles wunderbar klar und sauber gesungen, aber berührt mich das? - Ich fürchte, selbst Xavier Naidoo hat mich mit seiner Version mehr überzeugt.
Nachtrag: Das eigentlich Schlimme an den Pentatonix ist, dass sie so singen als hätte es Videomusic, Pomplamoose oder Mike Tompkins nie gegeben. Es gibt so wundervolle und artistische Neuversionen von a-capella-Musik – warum um alles in der Welt macht man da eigentlich noch ein ganzes Album voll traditionell-langweiliger Interpretationen?
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