Freitag, 16. September 2016

Rag'n'Bone Man: Human



Die britische Musik erlebt im Jahr 2016 irgendwie ein Tief. Zumindest was die Präsenz auf dem europäischen Kontinent angeht. Derzeit sind gerade mal wenig mehr als 10 Produktionen der deutschen Top 100 unter Beteiligung britischer Acts entstanden. Was ist denn da los? – Brexit total oder was?

Gut, dass es da ein neues Gesicht schafft, sich zu etablieren und unsere Tage zu begleiten. Dazu noch mit richtig guter Musik. Denn das, was Rag'n'Bone Man abliefert ist waschechter Soul. Vor ein paar Jahren hatte ich so etwas wie den New British Soul aufgespürt: Gefühlvolle und stimmgewaltige Soul-Interpreten, die ganz selbstbewusst moderne Produtkionsweisen für sich entdeckten und gern auch in die Elektronikkiste griffen. Mit Rag'n'Bone Man geht es wieder ein Stück zurück zum Ursprung.

Da steht ein Mann wie ein Holzfäller auf der Bühne. Unrasiert, tätowiert – ein Kerl, der selbst im unbändigsten Sturm stand hält. Vielleicht ist seine Art sich zu kleiden ein wenig merkwürdig. Aber ich würde sofort erwarten, dass dieser Typ losbrüllt und mit Stahlgewitter auf sein Publikum eindrischt. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Statt protzender Lautstärke erklingt da eine Stimme, die Gefühle zulässt. Rau und trotzdem sensibel. Voller Leben und mit der Fähigkeit, mir etwas zu erzählen.

Zum Beispiel erklärt er mir, dass er alles andere als ein Überheld ist oder ein Prophet. Er besteht darauf ein Mensch zu sein mit Fehlern, der Fehler macht, der sich irren kann, der Dinge falsch einschätzt. Und gleichzeitig sagt er mir, dass er sicher nicht dafür verantwortlich ist, was ich tue oder du oder sonst jemand. Jeder ist für sein eigenes Handeln verantwortlich. Auch für seine Fehler. Und dann sagt er mir noch: Guck dir die an, die wirklich Probleme haben, die das Glück verlassen hat.

Eine schöne Hymne und Aufforderung endlich mit dem Jammern aufzuhören. Nehmt euer Leben in die eigenen Hände und übernehmt endlich Verantwortung dafür. Passt ganz gut zu dem, was sich da so in den letzten Monaten gesellschaftlich abgespielt hat. Da wurden und werden ja auch ganz gern Buhmänner allüberall gesucht. Und dann macht man sein Kreuz halt irgendwohin, nur um es denen mal so richtig zu zeigen, die vermeintlich an allem schuld sind. Und plötzlich sitzt man noch tiefer in der Scheiße. Dumm gelaufen.



Dazu gesellt sich ein Video, das beeindruckt vor allem durch seine Unaufgeregtheit. Ganz simpel, ganz normal zeigt es mir menschliche Gesichter. Und präsentiert damit die ganze Vielfältigkeit unseres Lebens. Alles Personen wie du und ich. Alle mit Fehlern. Und alle trotzdem einmalig.

Ich denk' es wird Zeit, dass wir wieder mehr auf solche Leute wie Rory Graham hören. Und es wird auch Zeit, dass wieder mehr wie er Musik machen.

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