Freitag, 23. August 2013
Sean Paul: Other Side Of Love
Jetzt ist also Sean Paul tatsächlich ein Superstar? – Oder wie kann ich mir das erklären, dass seine soeben neu veröffentlichte Single Other Side Of Love auf Anhieb der Verkaufshit ist? Wenn ein Stück derartig langweilig ist und trotzdem so gern gehört wird, dann darf man sich ruhigen Gewissens schon mal fragen, was genau in unserer Gesellschaft eigentlich los ist.
Zunächst mal besagen Statistiken, dass es sich bei Sean Paul explizit um Jugendmusik handelt. Soso. Ist jetzt nicht überraschend und bringt uns auch nicht weiter. Lustiger ist, dass die Seite Radiocharts.com neben der Kategorie Jugend auch noch eine Kategorie “Mainstream” anbietet. Und dort ist Other Side Of Love statt auf Platz 3 auf Rang 29 gelistet, Tendenz fallend. Jugendliche Musik ist also kein Mainstream. Nun, das ist ein Zustand, den wir ja im Medienbusiness seltsamerweise häufiger vorfinden. Jugendfernsehen? – Fehlanzeige. MTV bringt nur noch Zweitverwertungs-US-Reality-Quatsch ohne Bezug zu dem, was hier passiert. ZDF neo – das ist Fernsehen für 30jährige, die sich aufführen wie ihre Eltern. Wenn Jugend, dann Internet. Videoplattformhopping bestimmt das visuelle Dasein der 14 bis 26-jährigen.
Und wieso macht Sean Paul trotzdem so schlimme Musik? Ich vermute, weil er ziemlich genau den Leuten entspricht, die auch MTV und ZDF neo machen. Altgewordene Mittdreißiger (oder auch schon ein bisschen älter), die sich saucool vorkommen während sie mit ihren Technik-Spielzeugen herumwurschteln. Die fühlen sich noch derartig jung und innovativ, dass sie gar nicht merken, wie die nächste Generation schon komplett an anderen Dingen dran ist. Natürlich wissen diese saucoolen Medienmenschen, diese Jugendlichen der 90er und frühen 200er schon noch, wie man Massenabsatz erzeugt. Man nehme ein bisschen Liebesgeschichtenromantik, gern auch versetzt mit Trennungsgefühlen und Hass, ist ja bei den sensiblen Heranwachsenden alles nicht so einfach, kennt man aus der eigenen Jugend, dazu mische man den Trend der letzten zwei Jahre, also ein bisschen DJ Antoine-Beat und ein aalglattes klischeehaftes Video – fertig ist der nächste Timati (wobei, der ist - sorry: war – ja sogar richtig wild unangepasst angesichts dessen, was uns hier geboten wird).
Schade, dass Mr. Sean Paul solchen Quatsch mitmacht. War er vor 10 Jahren nicht mal sowas wie der Vorzeige-Dancehall-Star mit Haltung? Auch Mainstream und proletarisch, ja sicher, aber eben mit so was wie einer Meinung, vielleicht sogar dem Bekenntnis zu einem Stil. Mittlerweile macht der 40jährige also nur noch Wischiwaschi-Von-Jedem-Etwas-Brei. Identitätskrise vielleicht? Soll ja so um die 40 bei vielen einsetzen. Oder eben doch nur so ein semi-cooler Medien-Fuzzi, der verpasst hat, sich selbst mal mit ein wenig Abstand zu betrachten. Grrrr – “In Würde älter werden” wäre mal ein Seminar für den Herren. Robbie Williams und Madonna sitzen schon drin und warten.
Sonntag, 18. August 2013
CASPER: Im Ascheregen
Deutschrap ist momentan derartig populär, da kann einem schon fast Angst und Bange werden. Vor allem, wenn man sich die Verkaufserfolge der in den letzten Monaten veröffentlichten Alben anschaut. Da finden sich also solche Typen wie Shindy, RAF 3.0, Genetikk, Kollegah und Farid Bangund jüngst auch Alligatoah auf Platz 1 der deutschen Album-Charts – alles Jungs (mal ausgenommen der letzte, der in seiner naiv-harmlosen Art eher als sinnfreier Komiker rüberkommt), die sich gern als die Ghetto- und Unterwelt-Kings aufspielen und dabei keine Möglichkeit auslassen um irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Auch wenn’s auf Kosten anderer geht. Und viele kleine und unbefriedigte Jungs mögen es, kaufen es … und glauben hoffentlich nicht den ganzen Scheiß, der da erzählt wird. Sonst wär’s um diese Gesellschaft tatsächlich eher traurig bestellt.
Glücklicherweise gibt es seit gut zwei Jahren aber auch die komplette Gegenkultur, die von den bösen und aggressiven Jungs natürlich überhaupt nicht ernst genommen wird, weil da ja der ungebändigte, urwüchsige und ungezügelte Brachial-HipHop verweichlicht wird: CRO, Marteria und CASPER sind hier die Vorzeigebuben. Der letzte hat nun gerade sein Album Hinterland am Start mitsamt Vorgeschmackssingle Im Ascheregen.
Sicher, das was da geboten wird klingt nicht nur viel sanfter, sondern ist damit auch ungemein mainstream- und radiotauglicher – der extra dafür erfundene Begriff RAOP bringt’s direkt auf den Punkt. Dieser Pop-Rap ist deswegen aber nicht weniger authentisch oder nur weichgespült. Genau genommen ist das wahrscheinlich sehr viel mehr an der Lebensrealität junger Menschen dran. Klar gibt es auch die harten Neubaublock-Biographien, es gibt jede Menge soziale Verlierer und es gibt auch das, was gern unter mißglückter Integration zusammengefasst wird. So wie es die "bösen Jungs" aber glorifizieren und darstellen ist es nur ein selbstmitleidiges und romantisches Abziehbild, ein Style-Accessoire. Sagt ja Bushido selbst immer wieder, zumindest wenn ihm mal wieder ein Medienskandal gelungen ist und die Talkshows nach ihm lechzen.
Da schaut CASPER doch deutlich anders auf die Welt. Das, was er an Wut im Bauch hat, das nutzt er um sich von der verhassten, langweiligen und durchgeplanten Spießerwelt loszusagen. Er macht den Zirkus, der ihn fertig macht, nicht einfach mit. Er nimmt Heizöl, Benzin, Dynamit und fackelt sein altes Leben ab. Ja – das sind krasse Mittel. Aber es ist gleichzeitig auch der Versuch eines Neuanfangs.
Das ist die Stärke der jungen Pop-Rapper: sie suchen nach eigenen Wegen, sie werden aktiv. Sei es die Flucht ins hedonistische Vergnügen, sei es die Suche nach dem Glück irgendwo in der Welt da draußen, sei es der Ascheregen. Ghettogangster-Romantik, die nur das Recht des Stärkeren kennt ist langweilig, gibt keine Perspektive. Dort gilt immer noch der beknackte Werte-Quatsch von Idioten, die man doch eigentlich nicht mehr sehen und hören will. Wer hat darauf eigentlich noch Bock?
Dass es mit den Neuanfängen nicht ganz so einfach ist, zeigt uns das Video zu Ascheregen. Eine religiöse Heilserlösungsgeschichte samt weißem Büßer-Gewand – was soll uns das eigentlich erzählen? An dieser Stelle hätte ich mir jetzt doch ein paar zeitgemäßere Bilder gewünscht. Zumindest ist für mich Religion weder das Grundproblem, noch die Lösung. Aber daran können wir uns ja später noch mal ein bisschen mehr abarbeiten.
Samstag, 10. August 2013
John Newman: Love Me Again
Existiert eigentlich schon eine Schublade für das, was da seit einiger Zeit musikalisch auf den britischen Inseln passiert? – Ich meine diese rhythmisch betonten, gern auch elektronisch instrumentierten Titel und Tracks mit verzweifeltem Gesang, die so schön desillusioniert intime Dramen zerlegen. In ihrer Kombination aus gefühlsbetonter Stimme und dekonstruiertem Sound beschreiben sie eine immer wieder nicht funktionierende Beziehungslandschaft, ein Versagen des Menschen im Privaten, dass sich wunderbar spiegelt in der zersplitterten und pseudo-individualisierten, globalen Welt.
Die direkten Vorläufer für diese neue Art der Beschreibung sind zu finden im Erfolg von solchen Künstlerinnen wie Amy Winehouse, Duffy und schließlich auch Adele. So verschieden deren einzelne Zugriffe waren, sie alle transformierten den altehrwürdigen Soul ins aktuelle Jahrhundert, ohne Angst vor einem Flirt mit der Popkultur. Nicht in jedem Fall ging das gut aus – zumindest was die Lebenswege dieser Frauen angeht. Musikalisch war und ist das was dort entstand ein spannender Prozess gewesen.
Viel war vor etwa fünf Jahren, als die Damen ihre ersten großen Erfolge feierten, von Northern Soul die Rede. Die US-amerikanische Tradition war Vorbild und gleichzeitig auch etwas, von dem man sich abgrenzen wollte und musste. Rassenunterscheidungen, die im Soul irgendwie immer als Background mitgedacht werden mussten, spielten keine Rolle mehr, bzw. wurden in der weißen Variante zwangsläufig nicht bedient. Das private Gefühlsdrama war eben genau das: Ein privates Gefühlsdrama ohne großen gesellschaftlichen Kontext. Ganz traditionell geschlechterspezifisch waren es dann auch vorrangig Frauen, die ins Rampenlicht gestellt wurden. So ein Produzent wie Mark Ronson blieb doch ganz gern im Hintergrund. Männer und private Gefühle – immer wieder ein schwieriges Thema.
Mit der neuen Variante des britischen Soul wird dieses statische Rollenverständnis interessanterweise aufgebrochen. Vertreter wie Alex Clare oder John Newman stehen recht gleichwertig neben einer Künstlerin wie Emeli Sandé. Sie versehen Soul nun nicht einfach nur mit ein wenig Pop-Glanz, sie schicken das Ganze eher wieder ein Stück zurück auf die Straße, und mischen ihre Geschichten mit Dubstep oder Drum and Bass. Das private Dilemma erfährt so eine Rückkopplung mit einer etwas weiteren Sicht auf die Welt. Unser Leben ist geprägt von Widersprüchen, Unterbrechungen, großen und kleinen Rhythmuswechseln – und genauso sind es die Beziehungen und Selbstwahrnehmungen.
Der im Moment am meisten beachtete Vertreter dieser Entwicklung ist John Newman. Vor einem Jahr, als Alex Clare mit Too Close wenn auch reichlich spät, so aber doch enorm eindrucksvoll den Wobbelsound in Deutschland zum Mainstream machte, da lieh John Newman dem Duo Rudimental für zwei Tracks seine Stimme. Feel The Love schaffte es sogar in Deutschland zu einiger Aufmerksamkeit. Für den nach wievor unterrepräsentierten Drum and Bass ein enormer Erfolg.
Mittlerweile steht John Newman kurz vor Veröffentlichung seines ersten Solo-Albums. Mit Love Me Again sind die Erwartungen auf dieses enorm hoch gehängt. Am unglaublichsten mutet für mich der Fakt an, dass diese von Gefühl und Verletzlichkeit schier versagende Stimme einem gerade 22-jährigen gehört. Wie schafft es ein junger Mensch, so lebenserfahren und authentisch zu klingen? – Er nimmt seine Gefühle ernst und breitet sie vollkommen ungefiltert, ungeglättet vor uns aus. Großartig .
Ich würde mir wünschen, dass auch in Deutschland die jungen Liedermacher und Poeten diesen Mut hätten. Für meine Begriffe brauchen ihre poetischen Geschichten keine glattgeputzte und saubere Interpretation. Das Leben, und gerade das Beziehungsleben und das Leiden ist auch nicht hübsch und sauber. Es sei denn, man richtet sich darin ein und findet es doch auch ganz schön und komfortabel so melancholisch dahin zu leiden. Bis sich eine wirklich zeitgemäße und eigene Variante von Soul in Deutschland (oder Kontinentaleuropa) entwickelt, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Wenn es überhaupt passiert.
Montag, 5. August 2013
Bastille: Pompeii
Was treibt eine junge Independent- oder Alternative-Band dazu Musik zu machen? Welches Bedürfnis sich zu äußern besteht für diese Band heutzutage?
Zynisch könnte ich behaupten: Indie-Rock ist momentan sehr gefragt – Ruhm und Reichtum könnten also sicher ein Antrieb sein. Trotz großem Jammern in der Branche lässt sich ja offenbar noch ganz gut verdienen mit Musik und Veröffentlichungen. Das könnte der Grund sein, warum Bastille doch recht fix den angebotenen Major-Vertrag unterschrieben haben und sich mittlerweile breit vermarkten lassen.
Etwas weniger abgeklärt behaupte ich an dieser Stelle: es gibt da wohl eine Leerstelle bei den vorhandenen Geschichten und Gefühlen, die eben noch nicht erzählt sind. Sich zusammen ins Studio stellen, Songs schreiben und einspielen – das ist auch Arbeit. Der Antrieb dazu ist eventuell das Gefühl, die eigene Gedankenwelt nicht ausreichend wiedergegeben zu erleben in der doch recht großen Masse von kulturellen Produkten. Also schauen wir mal, was haben uns Bastille mit ihrem Song Pompeii Neues und Eigenes zu erzählen.
Erste Erkenntnis: gar nicht so viel. – Pompeii beschreibt in wenigen Zeilen ein Horrorszenario. Es beginnt mit einer Art kommunikativem Blackout – Einsamkeit: “I was left to my own devices / Many days fell away with nothing to show”
Was immer es ist, was dieses Exil, dieses Abgeschnittensein verursachte – es ist die absolute Hölle. Für Menschen, die in jeder Minute mit anderen connected sind, ihre Mikrogefühle und Kleinsterlebnisse teilen, in der globalen Familie zu Hause und geborgen sind, für diese Menschen ist der Verlust von Kontakten oder auch von Mitteilbarem vermutlich das Schlimmste auf der Welt. (Nebenbei bemerkt: Kontaktverluste, Einsamkeit, Kommunikationslosigkeit war auch früher schon etwas Schlimmes, wenn nicht gar Tödliches. Nur die Relevanz dessen wurde noch nicht so stark hervorgehoben.)
In dieser Situation also werden die Bilder sämtlicher Apokalypsen der Welt erfahrbar. Die Katastrophe von Pompeji steht als Sinnbild dafür: einstürzende Wände, Staub und Asche, dunkle Wolken und der endgültige Verlust der Stadt, der Umgebung, wie sie geliebt und gelebt wurde. Dass eine Band wie Bastille auf dieses Bild zurückgreift ist an dieser Stelle schon beachtenswert. Gern steht in Zeitungen und Untersuchungen, dass die neue Generation Internet sich nicht mehr um Geschichte kümmert – Halbwissen und Weichspülerei im Soapformat allüberall. Durch einen Titel wie Pompeii wird das sicher nicht behoben. Eher wird auch hier ein antiker Fakt zum Popspektakel im Breitleinwandformat gemacht. Antike Tragödien sind nach wie vor ein beliebtes Thema. Auch, weil vor zweitausend Jahren ja alles so überschaubar und einfach schien.
Bastille sind also mit ihrer Geschichte, ihrer Erzählung enorm nah dran am Mainstream. Da wird wenig gebrochen oder in Frage gestellt. Auch musikalisch wird dieser Eindruck durch den doch eher gefälligen Sound verstärkt. Oh-weh-oh-Chöre sind schon recht nah am Fußballmassenspektakel gebaut. Wohlfühlstimmung unter Gleichgesinnten inklusive.
Oder ist es hier eher die Diskrepanz zwischen eher resignierendem Text und Gute-Laune-Sound, die bewusst herbeigeführt wurde um Aufmerksamkeit zu erzeugen? Anders als bei OneRepublic/Ryan Tedder habe ich bei Dan Smith durchaus das Gefühl, dass er an der Welt und deren Dauer-Unterhaltungsmodus leidet. Gleichzeitig weiß er wohl um seine Position und Rolle. Das Leben als verspinnerter Eigenbrötler zu führen ist für ihn kein Ausweg.
So verständlich diese Haltung ist, sie bietet auch keinen Ausweg, keine Alternative an. Independent/Alternative – das sind seit mehr als 10 Jahren leere Begriffe. Die Musik, die damit beschrieben wird geht diesen Weg ebenfalls beständig weiter. Mal mehr und mal weniger deutlich. Bastille haben gute Chancen schon recht bald zum Allerweltszombie zu mutieren. In ihrem Video zu Pompeii machen sie das schonmal schön vor. Angesichts dieser Resignation kann man nur einstimmen in den Refrain: “How am I gonna be an optimist about this?”
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