Freitag, 20. Juni 2014

Lilly Wood & The Prick And Robin Schulz:
Prayer in C


Peter Maffay sang 1983 in seinem Kinder-MusicalNessaja ”Ich wollte nie erwachsen sein”. Eine Hymne an die Unbeschwertheit und das Spielerische des Kind-Seins. Erwachsene liebten diesen Titel und machten in mehr oder weniger zu einem Hit.

30 Jahre später wollen erwachsene Menschen genauso wenig erwachsen sein. Sie lehnen sich dagegen auf indem sie jegliche Ernsthaftigkeit verweigern, sich in unmögliche Klamotten kleiden und sich die Gesichter anmalen. Sie zelebrieren den Spaß, die Unbeschwertheit, die Ironie. Und sie freuen sich dabei tatsächlich wie die kleinen Kinder.

Diese jungen Menschen überschwemmen die Groß- und Kleinstädte Deutschlands seit einem Jahr, oder vielleicht auch schon fast seit zwei. Und sie sind im Netz sowie den alten Medien derzeit omnipräsent. Zwischen Neo-Hippietum und Hipsterismus ordnen sie sich ein. Manchmal auch in beide Sparten, manchmal lehnen sie das jeweils andere vehement ab. Manchmal ist ihnen das alles völlig egal, denn sie sind viel zu cool und unbeschwert um sich über Einordnungen den Kopf zu machen. Die Musik, die sie zu allem hören ist Country/Folk oder Deep House. Wenn beides zusammen geht, dann ist es noch besser.

Prayer in C vereint alles das. Und schlägt genau deshalb ein wie ein Blitz. Gerade veröffentlicht und schon der ultimative Sommerhit. Sogar in einer Zeit, in der das gesamte öffentliche Leben scheinbar nur noch dem Gott Fußball huldigt, setzt sich dieser Titel durch, wird innerhalb von wenigen Tagen zum Nr.1-Hit und dreht all den bierernsten Deutschland-wird-Weltmeister-Fanatikern eine lange Nase.

Das ist das Schöne an Robin Schulz’ Remix von Prayer in C. Endlich mal etwas, das nicht gleich die Welt bedeutet.

Das Ganze lässt sich auch viel viel kritischer lesen. Lilly Wood & The Prick haben mit Prayer in C nämlich ein Lied über das Ende der Welt geschrieben. Darüber, dass Kinder verhungern, dass wir unweigerlich alt werden und darüber, dass sich die Menschen vermutlich selbst ausrotten. Und diese Fakten sind unverzeihlich. Lilly Wood & The Prick sind darüber zutiefst verzweifelt. Vielleicht haben sie schon aufgegeben – vielleicht haben sie noch Hoffnung. Angesichts der zarten Instrumentierung, der lieblichen Ummalung mit Flöten und Glöckchen, bleibt das Objekt von Spekulationen.



Robin Schulz nimmt diesen Abgesang auf die Welt wie sie existiert und macht daraus eine Party. Das könnte man zynisch nennen. Vielleicht ist es aber auch nur Verzweiflung. Eine Verzweiflung die sich keinen anderen Ausdruck mehr zu verschaffen vermag. Wieviel wurde in den letzten Jahrzehnten geschrien, geheult, protestiert, mit Bomben geworfen. Genutzt hat das alles nichts – die Welt wird weiter beherrscht von Habgier, Egoismus und Mißtrauen. Also kann man sich dem Ganzen auch entziehen, kann es ausblenden, sich eine eigene kleine Traumwelt bauen und wenigstens für den Moment glücklich sein.

Das funktioniert sogar richtig gut, denn man kann sich sagen: Sollte die Welt nicht schon in den 80ern untergehen? War in den 70ern nicht schon das Ende des Öls und die große Energiekrise in Sicht? Und? Die Welt existiert immer noch. Kein Atomschlag, keine Sintflut und auch (fast) kein mörderisches Massenabschlachten. Warum also all die apokalyptischen Hiobsnachrichten ernst nehmen? Warum immer die Welt retten? Dass kann man spätestens seit Tim Bendzko sowieso nur noch ironisch sagen. Also lasst uns feiern und genießt euch selbst.



In gewisser Weise hat das vor zwei Jahren DJ Wankelmut schon genauso gemacht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Robin Schulz mit seiner Produktion im breitesten Deep House-Mainstream-Fahrwasser fischt. Er riskiert gar nichts, er spielt einfach ein zweites Mal sein Erfolgsrezept durch. Hat bei Waves schon funktioniert und funktioniert hier wieder. Und das verursacht dann eben doch auch ein bisschen ein unangenehmes Gefühl. Meint Robin Schulz irgendetwas von dem was er da tut? Ist das Ganze nicht einfach eiskaltes Kalkül und klare Berechnung?

Könnte gut sein, dass Prayer in C eine ganz perfide Nummer ist: Tut völlig gleichgültig, selbstvergessen, selbstgenügsam – ist aber nichts anderes als sehr bewusst und ernsthaft eingefädelt, ganz genau auf den Markt abgestimmt, also das genaue Gegenteil von egal und hab-doch-einfach-Spaß.

Den mit sich selbst beschäftigten Nicht-Erwachsenen ist allerdings auch das völlig egal.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen