Freitag, 26. Mai 2017

Robin Schulz Feat. James Blunt: OK

Das sind also die Geschichten der Generation Y: Er (und sie) unfähig mit Emotionen bzw. der Endlichkeit von Gefühlen und Beziehungen umzugehen. Ab zur Gedächtnislöschung, weg mit dem Kram, der da Schmerzen macht. Zum Glück gibt es gnadenlose Techniken und Mechaniker. Aber einer zögert dann doch, ist fasziniert von den anziehenden Momenten in der Erinnerung, dem Liebreiz der Geliebten – wahrscheinlich kommt er aus seiner Werkstatt höchst selten raus und kann deshalb bei Memory porn nicht wirklich widerstehen ... ein paar Szenen bleiben also drin im Gehirn. Ob es genug sein werden, damit der Mensch nicht völlig zum Roboter wird?

Im Erinnerungsstrudel die Szenen, die das Ganze Chaos ausgelöst haben: Ein Kondom in der Hosentasche! Oh je! – Vor 20 Jahren hätte man gesagt: wie spießig. Heute ist es eher so etwas wie: wertkonservativ. Und bleibt trotzdem ganz schön zickig. Ich meine: ein Kondom! Nicht: Ich erwische Dich, wie Du mit einer anderen Person rummachst. Ich finde einfach ein Verhütungsgummi in Deiner Hosentasche. Ach ja, du hast gestern abend ja auch jemanden angeschaut...

Die Generation Y steht also auf bedingslose Aufgabe. Wofür brauchst du andere Menschen? Du hast doch mich! Nur mich! Einer reicht. – Wir sind nicht mal verheiratet. Aber du gehörst mir. Und dein Schwanz sowieso. Schon der Gedanke an Sex (mit anderen) ist ein Sakrileg.



Das Video macht sehr deutlich, worum es der heute jungen Generation geht, welche Werte sie hat. Und welche Probleme.
Das Ganze mit der Vorlage abgeglichen, die dem Video offenbar dient, zeigt umso genauer in welche Richtung sich diese Werteentwicklung vollzieht. In Michel Gondrys Eternal Sunshine of the Spotless Mind (dt. Vergiss mein nicht!) geht es um das Verlangen und das Zerstörerische des Miteinander. Da gibt es einige Punkte, an denen die Beziehung eskaliert, unerträglich wird, die gegenseitigen Ansprüche unerfüllbar werden - ein Kondom in einer Hosentasche gehört nicht dazu. Die beiden Liebenden unterziehen sich der Gedächtnislöschung um sich später doch auf einen neuen Versuch einzulassen. Da spielt vielleicht auch Eifersucht eine Rolle, aber es gibt stets Gefühle und Versuchungen, die stärker sind.

Der Film spielt auch sehr schön durch, was so eine Technik der Gedächtnisbereinigung für Gefahren bergen könnte, wo es vielleicht doch besser ist, die Fehlbarkeit des Menschseins zu haben. Aber das ist alles mehr als 10 Jahre her.

Liza Minou Morberg begnügt sich mit Versatzstücken. Sie nimmt die schönsten Szenen, die eindrucksvollsten Situationen und Ideen und klebt alles neu zusammen. So wie sie es für sich gut findet. Das ist ihr gutes Recht. Das macht jede Generation so. - Und jede Generation offenbart damit, wo sie sich verortet. 2004 ging es um die Zukunft, um technische Möglichkeiten und deren Fehlbarkeit – 2017 geht es eher um die Vergangenheit, um das Vergessen und nach Möglichkeit die Chance, nicht erneut verletzt zu werden.

Zu dieser (ich nenne es mal so) Dystopie liefert Robin Schulz den Soundtrack. Einen ganz lauschigen. Aber Robin Schulz wäre nicht er selbst, wenn es da nicht auch die gewohnt verzweifelt quängelnde Stimme gäbe. Dieses Mal von James Blunt. Der leidet schon beim ersten Ton und erzählt mir seine Geschichte möglichst schön unkonkret. Zwischen den Zeilen teilt er mir allerdings deutlich mit, dass es wohl nicht ganz so einfach war. Ein Schatten von Schuldeingeständnis schwingt da mit: I'm really sorry I dragged you into this ... oder auch Overcomplicate when it's simple
James Blunt weiß recht genau, dass er kein einfacher Mensch ist. Irgendwie hat er sich damit aber auch ganz gut arrangiert. Das Jammern haben mittlerweile einige zu ihrem Motto gemacht. Es ist immer alles schlecht. Die Welt, die Menschen, die da oben. Über all das Klagen vergessen dann viele, dass es auch noch etwas anderes gibt. Dass man vielleicht auch aktiv werden könnte. Situationen ändern, Zustände beeinflussen. Bei James Blunt finde ich so eine Haltung eher nicht. Er ist dankbar für jeden Menschen, der ihn so aushält wie er ist – ob er sich selbst aushält ... ich weiß es nicht.

Mit dieser insgesamt doch sehr leidvollen Hymne kündigt Robin Schulz sein neues Album an. Und bleibt seinem alten Erfolgs-Sound treu. Bei Vorgänger Shed A Light war es vor allem die Zusammenarbeit mit David Guetta, die den Robin Schulz dann doch ein bisschen bombastischer machte und sogar fast schon überraschend wirkte. Bei OK ist der Produzenten-DJ dann wieder ganz bei gewohnten Mustern: Gequälte Stimme – Gitarrenharmonien, ein sanft tuckernder Beat. Immerhin ein kleines wild wiederholtes Dengeln ... ins Radio passt auch das allemal. Der neue Robin Schulz wird sicher wieder ein Hit.

Freitag, 19. Mai 2017

Shawn Mendes: There's Nothing Holdin' Me Back

Ok – Shawn Mendes gehört nun also zu den Superpopstars dazu. Gleich hinter seinem Landskollegen Justin Bieber. There's Nothing Holdin' Me Back ist der vierte Hit innerhalb von anderthalb Jahren – der dritte, der es unter die ersten 10 in Deutschland schafft. Und ja, irgendwie ist das sogar etwas mehr als der normale Teenie-Pop.

Klar, seine Jugend und sein makelloses Aussehen spielt bei der Vermarktung eine nicht zu geringe Rolle. Da können die kleinen Mädchen schwärmen. Aber neben diesem oberflächlichen Image schafft es der Sänger tatsächlich seinen Songs auch eine persönliche Note zu geben. Zumindest entdecke ich nach seinen bisherigen Veröffentlichungen so etwas wie einen Stil: Als Grundgerüst steht da meist ein akustischer Song, der gut und gern auch als Stimme-und-Gitarre-Version funktioniert. Dann schmeißt sich Shawn Mendes jedesmal mit viel Inbrunst rein. Ja, hier wird schon einigermaßen verzweifelt gelitten. Das ist alles nicht besonders lustig. Und der Sänger scheint schon einiges an traurigen Erfahrungen gemacht zu haben.

Damit ist er um einiges eigener und glaubhafter als Justin Bieber. Und könnte sogar ganz gut in der Nähe von Ed Sheeran verortet werden. Wobei sich der mit der Mehrzahl der Titel auf seinem Album : (Divide) ja ganz schön ins Melancholie-Jammertal katapultiert hat. Nur die Highlights gehen da als Popsongs durch. Das macht Shawn Mendes dann doch konsequenter. Hier geht es bei aller Nabelschau immer auch um Gefälligkeit. Shawn Mendes schreibt und singt seine Songs nicht für sich als Selbsttherapie, sondern weil er andere damit erreichen will. Möglichst viele.

Das kann man natürlich auch doof finden. Wie aber schon oben festgestellt – irgendwie kriegt er es ganz gut hin, auf dem schmalen Grat zur belanglosen Massenware entlang zu balancieren.

Das was mich ein bisschen nervt, ist dann aber doch die recht große Ähnlichkeit zwischen seinen Hits. Ob nun Stitches oder Treat You Better oder There's Nothing Holdin' Me Back – es braucht einige Repeat-Schleifen, um die Songs wirklich zu unterscheiden. In den 80ern und 90ern gab es mal die Mode, aus den Hits von Acts Megamixe zusammenzuzimmern und diese nochmal neu zu releasen. Bei Shawn Mendes ginge das vermutlich sehr einfach und der entstehende Song würde klingen, als sei es schon immer einer gewesen.

Ich warte also mal noch ein bisschen ab, was da in nächster Zeit noch von dem jungen Star kommt, ehe ich mich entscheide, wie kreativ ich Shawn Mendes finde.

Freitag, 12. Mai 2017

bibi h.: How It Is (Wap Bap …)



Es ist ganz einfach über Bibi H. alis Bianca Heinicke und ihr Lied How It Is (Wap Bap …) Schlechtes zu schreiben. Es ist ja bereits das Video mit den meisten Dislikes auf youtube. Oder zumindest kurz davor. Muss ich also alles nicht mehr machen.

Trotzdem ist aber How It Is (Wap Bap …) auch das zweite Lied eines youtube-Stars, dass es in die Top 10 der deutschen Charts schafft. Erst. Nach Y-Tittys Halt dein Maul im August 2013 schafft es bibi h. als einzige Youtuberin zu ordentlich Download-Ruhm. Das heißt auch schon was.

Zum Beispiel, dass die Generation Youtube sich offenbar mit ganz ganz wenig zufrieden gibt. Seichte Melodie – macht nichts, belangloser Text – egal, Hauptsache bibi ist wiede online. (Hab' ich nicht das gleich in der letzten Woche auch zu DJ Khaled geschrieben?) Der Unterhaltungseffekt ist schon gegeben mit ein paar kitschigen Bildern, ein bisschen Outfit und vielen Luftballons. Das ist ungefähr auch das, was uns der Son erzählt: Ich habe meinen Freund verloren, ich habe keinen Job mehr … macht nichts, ich sing mir die Sorgen einfach weg und bin glücklich.

Könnte jetzt die Optimismus-Hymne schlechthin sein. Wenn alles ganz schrecklich ist, lohnt es trotzdem nicht, verzweifelt zu sein, wird schon wieder. Rosa Wolken am Ende des Videos. Sind die Youtube-Kids also alle durch und durch glücklich?



Zufriedenheit hat hier natürlich auch was mit Unwissenheit zu tun. Oder auch mit Kritiklosigkeit. Bibi hat überhaupt kein Problem damit, Produkte gut zu finden und dafür bezahlt zu werden. Wohlgemerkt ohne es offenzulegen. Sie ist einfach begeistert vom neuen Lippgloss. Und teilt uns das mit. Ihre Fans finden das mindestens genauso in Ordnung. Ist doch egal, ob uns im Hintergrund ein Konzern dirigiert, Hauptsache das Lächeln stimmt. Glück kann so einfach sein.

Wenn man selbst nicht zu viel will. Denn das scheint mir der eigentlich Wertewandel zu sein. Die Generation, die sich mit youtube-Vlogs zufrieden gibt, hat offenbar nicht besonders große Träume. Zumindest nicht was Individualität und Selbstbestimmtheit angeht. Es geht ihr vielmehr um Angepasstheit, Durchschnittlichkeit, damit natürlich auch Erfolg im Mainstream – Normcore auf der nächsten Stufe. Das muss man auch erstmal konsequent durchziehen.

Am Ende ist es vermutlich auch diese Generation, die sich mit ganz einfachen Erklärungen zufrieden gibt und deshalb eine ganze Reihe von Zusammenhängen gar nicht mehr begreift. Nicht begreifen will. Evolution? Hat nie stattgefunden. Klimawandel? Eine Erfindung der Medien. – Ob das für ein ganzes Leben reicht?

Ich hab vor allem Angst vor der hässlichen Seite dieser Sorglos-Haltung. Wenn man in seinem Leben gar nichts will, dann ist diese Schicksalsergebenheit sicher völlig in Ordnung. Was aber, wenn ich plötzlich doch keinen Bock mehr habe, nur die vorgezeichneten Weg zu gehen? Das könnte durchaus unangenehm werden.

Das ist ein bisschen wie in Wayward Pines – das System erhält sich zwar ganz gut immer wieder, der Preis ist für Einzelne allerdings reichlich hoch. Vor allem für die, welche da zu viele Fragen stellen.

So eine Fiesheit traut man bibi h. natürlich nicht zu. Sie ist immer so lieb und erhaben über jede Kritik. Wenn Menschen sie nicht mögen, scheint ihr das völlig egal. Sie hat ihre Fans – die halten zu ihr. Und die Industrie, die sie fleißig mit Kosmetikartikeln versorgt. Schön, dass sie so einfach glücklich zu machen ist.

Freitag, 5. Mai 2017

DJ Khaled Feat. Justin Bieber Quavo Chance The Rapper Lil Wayne:
I'm The One



So werden heute also Hits gemacht: Man nehme einen frisch gebackenen Internet-Star wie DJ Khaled, setze ihm einen richtig erfolgreichen Popstar wie Justin Bieber an die Seite, noch ein paar upcoming Rap Stars wie Quavo von MIGOS und Chance The Rapper und auch noch einen, der ein bisschen länger schon dabei ist (Lil Wayne), dann hole man sich ordentlich Productplacement ins Haus, so dass es ein Leichtes ist SwimmingPool, Villa, dickes Auto und eine ganze Meute gecasteter schwarzer Schönheiten zu buchen, die Frauen stechen besonders durch ihre äußeren Sexualmerkmale hervor – fertig ist das Ganze. Dauerwerbeclip mit Hintergrunddudelmucke. Menschen mögen so etwas ganz unkritisch und bringen I'm The One zu Top 10 Status. Worin bestand jetzt noch mal der musikalische Wert des Ganzen?

Das ist natürlich eine eher unbedarfte Beschreibung. Denn I'm The One ist ganz klar die Fortsetzung der Key To Success-Clips von DJ Khaled, welche ihn zum digitalen Internet-Helden machten. Ein bisschen ist das ja auch wie in den guten alten TV-Zeiten Anfang der 2000er als Sarah Connor ihre Hochzeit, ihre Ehe und ihr Kind als Fernsehsoap inszenieren ließ. DJ Khaled ist mittlerweile auch Papa und der kleine Asahd wird im Intro explizit eingeführt, Papa Khaled ist stolz wie Bolle, lässt sich Justin Bieber und all die anderen einfliegen und feiert eine Pool-Party (ohne ins Wasser zu gehen). Die Musik spielt da insgesamt nicht so eine große Rolle, der Inhalt des Videos eigentlich auch nicht, Hauptsache wir haben hier mal wieder drei Minuten DJ Khaled erlebt und uns an seinem scheinbar guten Leben erfreut. Internet-Stars brauchen gar nicht viel zu machen.



Und was erzählt uns der Clip/die Produktion sonst noch?
Zum Beispiel einmal mehr, dass aktuelle Mainstream-Produzenten kein Problem damit haben, wenn in einem Video die Frauen allesamt in sexy Badewäsche posieren und sonst weiter keine Aufgabe haben, während die Typen (außer Sexsymbol Justin Bieber) ihre Potenz eher in angesagten Markenklamotten ausdrücken. DJ Khaled würd ich ja auch gern mal in Badehose sehen und ihn geil finden...
Schon klar, die Mehrheit der Pop-Konsumenten schüttelt sich hier und macht damit auch deutlich: Frauen brauchen sich nicht anziehen, sind halt nur hübsches Beiwerk. Auch im Jahr 2017 sind wir kein Stück weiter. Sexismus ist das alles natürlich nicht.

Auch die Huldigung von Richness und Luxus ist altbekannt. Und auch ganz schön langweilig. Festhalten an jahrhundertealten Traditionen und guten alten Werten mitsamt unantastbarer Weltordnung. Pop war da auch schon mal viel weiter. Viel rebellischer, mit mehr eigenen Ideen und Wertvorstellungen.

Bemerkenswert an I'm The One ist, dass ausgerechnet die ach so coolen Rüpel-Jungs, die sich ja sonst eher einen Scheiß um Konventionen und Abmachungen kümmern, ausgerechnet diese alten Kamellen von BlingBling und MachoMacker weiter zelebrieren. Das ist mindestens 2000er Style. Mickey Blanco zeigt mir da echt mehr an Zeitgeist und heute. Und kann so manch einen echt noch verschrecken. Das schaffen die fünf mit I'm The One definitiv nicht.