Freitag, 28. Juni 2019
Capital Bra x Samra:
Tilidin
Diese zwei haben sich gefunden. Jetzt also ein gemeinsames Album: Berlin lebt 2. Und für den neuen dicken Kumpel hat Samra sogar den Release des eigenen Debüts um ein paar Monate verschoben. Das ist Freundschaft.
Aber ach - der Vorgeschmack auf das gemeinsame Werk ist rabenschwarz. So wie das Cover. In Tilidin geht es nicht lustig zu. Da klagen die beiden ordentlich über ihr Scheiß-Leben. Jaja - Lambo in Monaco, das ist ormaler Lebensstil. Und trotzdem fehlt da was. Was fürs Leben. Was lebendiges.
Und weil Einsamkeit so weh tut, verlangen die beiden nicht nur nach Narkoticas sondern klammern sich ganz ganz fest aneinander. Vor lauter Schmerz können sie manchmal nicht anders als noch schlimmer den Macho spielen und jedem drohen, der sich auch nur zu nähern versucht. Sie beißen um sich, obwohl es Ihnen besser ginge, wenn sie es nicht täten. Haben sie nie anders gelernt.
Samra steht diese Verzweiflung sehr gut. Das war schon bei Cataleya so. Der Typ weiß ziemlich gut, was es heißt völlig abzudrehen. Capital Bra kriegt das dagegen nicht so gut hin. Der pöbelt einfach in seinem immer gleichen Stil rum. Hat es ja auch nicht nötig, irgendwie originell zu sein. Hat dann aber leider auch nicht viel mitzuteilen.
So rennen die beiden in ihren Pullovern von LV durch die Nacht. Zwei Markenzwillinge - wie süß! Am liebsten würden sie Papierkörbe anzünden oder Autospiegel abbrechen. Oder überhaupt gleich alles in Schutt und Asche versenken. Schade, dass das nicht hilft gegen die Sehnsucht. Wahrscheinlich ist Betäubung wirklich die einzige Lösung. Das könnte der Grund sein, warum Tilidin in der Masse ihrer Veröffentlichungen wirklich zum besseren Output gehört.
Freitag, 21. Juni 2019
Kalazh44 Nimo Luciano Samra Capital Bra:
Royal Rumble
Am witzigsten sind tatsächlich die Kommentare, die man so zu diesem Track in den Netzwerken finden kann:
"Völlig egal, wer da schon wieder gefeatured wird."
"Auf den Part von Kalazh44 kann ich verzichten."
"Neuer Track? Klingt doch eh alles gleich."
"Weiß gar nicht, warum die alle so auf alte Frauen stehn."
...
Ist damit alles schon gesagt?
Vielleicht soviel noch: Passend zum Name Listing verweist der Titel auf das Massen-Wrestling-Ereignis, das mit viel Tamtam jährlich über die Bühne geht. Und jeweils auch einen Gewinner kürt - was aber nicht wirklich etwas zu bedeuten hat.
So ist das auch bei den hier Aufgeführten: wer da gerade was darstellt ist einigermaßen beliebig und vor allem Poserei. Ist halt Show. In diesem Fall Kiezgangster-Show. Wer am bösesten guckt, hat gewonnen. Und wer sich dazu noch möglichst tierisch schüttelt ist gleich noch besser. Schöner Kindergarten.
Man kann das Ganze natürlich auch als Hollywood-Blockbuster sehn: Das hier sind die Bösewichter, die ja sowieso immer cooler sind als die positiven Helden. Auch wenn sich Horden von Dramaturgen und Producer sonst wie bemühen. Und die hier sind wirklich ordentlich böse. Könnte ich auch sagen: Ins Absurde überzeichnet. So hässlich lacht nich mal der Joker. Huhuhu ... hab ich jetzt aber Angst.
Und warum gucken wir eigentlich solche Filme? - Weil wir sowieso wissen, dass die da im Digitalkasten nicht echt sind. Weil auch das mit der Vororthöllenkacke maximal spannend für einen wikipedia-Artikel ist. Dass das System nur diejenigen überleben lässt, die gegen die Spielregeln verstoßen, wissen wir doch schon längst alle. Erzählt uns doch mal was Neues. Oder erzählt überhaupt mal was.
Na gut: Deutschrap hat schon vor einer Weile die Grenze zu Dada-Lyrics überschritten. Stellen so langsam ja auch Germanisten fest und fangen an Abhandlungen drüber zu schreiben. In 100 Jahren werden dann Schulkinder mit dem Zeug von heute gequält. Als Literatur-Kanon. Fein gemacht.
Freitag, 14. Juni 2019
Farid Bang French Montana Khaled:Maghreb Gang
Grundsätzlich ist es absolut notwendig, dass sich die vollkommen auf ihre jeweilige Vorstadt-Hood bezogenen DeutschRapper mal in die Welt hinaus begeben und im besten Fall nicht nur kolonialistisch-urlaubsmäßig neue Einflüsse und vielleicht sogar Ideen abkriegen. Insofern sehr gut, dass Farid Bang sich auf den Weg nach Marokko gemacht hat, dort Cheb Khaled zu einer Kollaboration bewegen konnte und nun einen Rai-inspirierten Track auf den Markt schmeißt.
Allerdings ist die Freude an Maghreb Gang dann doch ziemlich schnell vorbei, denn alles was Farid aus der Heimat seiner Eltern mitbringt sind nur ein paar oberflächliche Glitzeransichtskartensouvenirs. Mit schnellem Auto durch die Wüste flitzen oder in vergoldeten Shopping-Malls und Hotel-Lobbies posieren - dazu Sound-Einsprengsel von Khaled ... sind sich die beiden überhaupt jemals begegnet? Natürlich nicht, denn das was da in Maghreb Gang erklingt, ist eine Aufnahme aus dem Jahr 1993 Abdelkader - عبدالقادر . Das ist ungefähr so innovativ wie der Yeke Yeke Remix in den späten 1980ern. Sampling halt. Andere sagen referenzloser Kulturklau dazu.
So böse muss man natürlich nicht sein. Sampling und Remix als immer noch zeitgemäße Kulturtechnik funktioniert ganz gut. Der große Hype um Farid Bangs neuesten Output ist dennoch völlig übertrieben. Nur weil jemand ein bisschen in seiner Familiengeschichte forscht und dann jemanden ausgräbt, der ursprünglich in Algerien geboren wurde, dann lange Zeit aufgrund angenehmerer Lebensbedingungen in Monaco lebte und erst kürzlich - nachdem es ihm dort doch zu ungemütlich wurde (Homo-Ehe und so) - Marokko als ein Paradies für Wohlbetuchte entdeckte ... allein das macht Maghreb Gang jetzt nicht innovativ.
Auch die Kombination mit French Montana hilft da nicht so viel.
Was bleibt von Maghreb Gang? - Immerhin dieses schön orientalisch klingende Sample von Khaled. In Zahlen ist diese Produktion sein höchstplatzierter Hit und macht ihn vielleicht nun auch in Deutschland ein bisschen mehr außerhalb von eingefuchsten Weltmusikfreaks bekannt.
Der Rest reiht sich ein in die lange Liste von Farid Bang-Veröffentlichungen, die doch irgendwie seit Jahren ganz ähnlich tönen. Wahrscheinlich muss der Held auch gar keinen neuen Rhymes mehr aufnehmen. Einfach einen anderen Beat oder Sound drunter mixen - fertig ist der nächste Hit. Ich würde mal sagen: Der Typ hat ausgesorgt.
Freitag, 7. Juni 2019
RAMMS+EIN: Ausländer
Natürlich haben die Jungs von Rammstein ein sehr gutes Gefühl für Reizthemen und setzen diese bewusst ein. Um uns zu zeigen wie doof wir sind, dass wir immer wieder auf bestimmte Triggerpunkte reinfallen. Um überhaupt aufzufallen. Um mit Spaß im Fahrwasser der Uneindeutigkeit herumzuschiffen. Das war schon bei Engel so, erst recht vor kurzem bei Deutschland und natürlich ist es bei Ausländer genauso. Allein schon der Titel kann auf turmhohe Bäume treiben.
Im Track selber wird das Ganze dann bis ins Absurde hinein verwurstet. Deutungshorizonte werden verschmiert. Und jede/r, derdie sich wagt eine Interpretation vorzugeben kriegt mit kaltem Grinsen gesagt: Reingefallen, war absichtlich ganz anders gemeint!
Nun ist das mit dem "meinen" auch so eine Sache. Gut gemeint kommt nicht immer genauso an, sondern kann auch mal gehörig nerven. Umgekehrt ist es ebenso: Fies gemeint kann auch schon mal lächerlich ankommen. Wer sich also drauf beruft, was ersie meint - und das sei die einzig mögliche Art das Ganze aufzufassen - derdie hat von Kommunikation schonmal gar nichts begriffen.
Lassen Rammstein deshalb anders als bei Deutschland im Fall von Ausländer die Tore sperrangelweit offen für alle möglichen Lesarten? Nichts vorgeben als Strategie? Um sich vor Angriffen zu schützen? Oder allen zu gefallen? Oder einfach nur weil man es halt kann und auch keine Lust hat immer den Erklärbären raushängen zu lassen?
Also loben sich die Jungs mit gespaltener Zunge durch die Vielsprachigkeit als Bildungsideal. "Ich mache es gern jedem recht" klingt in meinen Ohren jedenfalls wie eine Drohung. Nicht wie ein besonders kluger Move zur Verständigung auf Augenhöhe. Also bleibt folgerichtig der einzige Zweck für linguale Vielfalt die Befriedigung des Fortpflanzungsdranges. Kein höheres Ziel.
Auch das Video lässt viel Platz für Fantasien. Es spielt mit allem was während Welterkundungen und -entdeckungen falsch lief. Kolonialfantasien pur: der weiße Mann, der sich irgendwo in Afrika breit macht, Bildung bringt, Traditionen studiert, seinen Samen verstreut ... und dann abhaut.
Kann man ironisch witzig finden - muss man aber nicht. Denn selbst wenn hinten dran eine knallend klare Botschaft gezeigt würde: erstmal werden Stereotype reproduziert. Auf beiden Seiten. Bewegt das Musikkonsumenten zum Nachdenken?
Das ist das Manko der dritten Single aus dem siebten Rammstein-Album. Es bleibt inhaltlich schwach, will einfach nur Druck ablassen - alles legitim - bleibt dabei aber auch musikalisch nur ein Mittelmaß-Aufguss der Neuen Deutschen Härte. Die lauten Gitarren höre ich bei anderen Bands in wesentlich spannenderen Kombinationen. Von elektronisch bis akustisch ... da war Deutschland im Vergleich schon richtig innovativ.
Na gut, nicht jeder Song muss ein Meilenstein sein. Heute geht es oft nur darum möglichst viel Material auf den Markt zu schmeißen - irgendeins der tausend Produkte wird schon Liebhaber finden. Nach drei Jahren Produktionszeit finde ich dieses Ergebnis dann aber doch irgendwie enttäuschend.
Und je öfter ich den Song höre um so mehr erinnert mich die Kombination aus gesprochenen Versen und dem kurzen Liedpart an Witt. Ob das so erstrebenswert ist?
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