Freitag, 5. April 2019
RAMMS+EIN: Deutschland
Dass es Rammstein noch gibt! Nach mehr als sechsjähriger Pause melden sie sich zurück. Und verursachen gleich wieder einen Skandal.
Wie immer segelt die Band schön an den Grenzen des Sag- und Zeigbaren entlang. Das Spiel mit Martialität, Pathos und Nationalismen ist natürlich heikel. Auch wenn die Autoren sich ziemlich klar positionieren, ist nie gewiss, was davon auch wirklich ankommt. Und genau das führt immer wieder zu heftigen Diskussionen. Kann man sich schön dran beteiligen.
Auch bei Deutschland hat das gut funktioniert. Vor allem durch den Einsatz eines Video-Snippets als Werbung. Wir sehen: Verkürzungen sind nicht unbedingt immer gut. Im Fall von Rammstein war es natürlich wohlweislich geplant. Es geht ja schließlich um Schlagzeilen und Wahrnehmbarkeit. Experiment geglückt. Fazit: Deutschland geht direkt auf die Position 1.
Ich vermute, der Skandal war nicht nur ein Werbetrick. Bei allem Donner und Pyrotechnikeinsatz haben es Rammstein doch immer auch geschafft, das Ganze Theater auch wahrnehmbar als ein solches zu zeigen. Das ist nicht einfach nur Neue Deutsche Härte - das ist vor allem auch stets die Unsicherheit: Meinen wir es wirklich so? Oder denken wir was ganz anderes?
Könnte also sein, dass der Werbetrick ein pädagogischer Kniff war: Seht Ihr, wie schnell Ihr in die Falle tappt und euch auf halbe Informationen verlasst?
Allein das könnte als Begründung reichen, warum Nazis den Titel nicht mögen. Im Fall von Deutschland ist die Abgrenzung zum Nationalismus dann aber mehr als eindeutig. Kann man das noch überhören und nur auf die Deutschland-Chöre hereinfallen?
Beeindruckend, weil irgendwie schon lange nicht mehr so erlebt, ist die Videoinszenierung. Aufwändig wie ein Kinofilm, bis ins kleinste Detail gestylt - das ist der totale Kontrast zu den gerade sehr geliebten superschnell produzierten Video-Clips, in welchen es schon als Kunst gilt, wenn ein paar Moves in Markenklamotten vor möglichst teurer Kulisse gedreht werden.
Rammstein sind nicht nur als Band ein paar Dinosaurier, auch ihre Vermarktungstaktik zeigt uns noch einmal, wie es mal war. Dass das 2019 dann immer noch funktioniert - nicht schlecht. Ich fürchte allerdings, dass wir von diesen überlegten und an zeichenhaften Zitaten überbordenden Kampagnen nicht mehr allzu viele erleben werden. Die kurzlebige und oberflächliche Influencer-Kultur mag zwar auch nicht das letzte Wort haben, die Seh- und Konsumgewohnheiten hat sie aber ganz sicher beeinflusst.
Also genießt diesen visuellen Wahnsinn ruhig nochmal. Es könnte eines der letzten Relikte einer längst vergangenen Zeit sein.
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