Freitag, 26. April 2019

Lil Nas X: Old Town Road



Was zeitgemäße Chartmusik tatsächlich für fundierte (und auch politische) Debatten auslösen kann, zeigte sich kürzlich in den USA anhand von Old Town Road. Lil Nas X, ein junger Rapper, der sich nicht sonderlich viel um Genregrenzen schert, nimmt den Track auf, veröffentlicht ihn auf Soundcloud, iTunes ... der Track dreht bei TikTok durch und landet in den Country-Charts. Dort wo ihn Lil Nas X auch sehen wollte. Produziert hat er ihn anlässlich einer Yeehaw-Challenge. Und dann suspendiert billboard den Track mit der Begründung: Is mich genug Country!

Bam! Los geht die Debatte: Wer legt eigentlich Fest, wann ein Song zu welchem Musikgenre gehört? Und für wen ist das überhaupt wichtig? Finden Menschen, die gern Schlager hören, eine deutsche Pop-Produktion plötzlich nicht mehr gut, bloß weil jemand sagt: Ja ja gar kein Schlager!

Mag sein, es gibt Puristen. Allerdings ist ja alles was überhaupt irgendwie in den vergangenen zehn Jahren Spaß gemacht hat, der ungebrochenen Lust an Fusion, Mix, Stilüberschreitung oder ähnlichem zu verdanken gewesen. Die Bewacher von Territoriumsgrenzen sind so was von vorvorgestern. Und obendrein vermutlich sehr lustfern. Da geht es nur ums Einhalten von festen Regeln und nur möglichst keine Entwicklung. Auf dass alles so bleibe wie es immer schön war.

Da ist Sony Music Nashville allemal offener. Das Kabel bemusterte nämlich nach der Sperrung durch billboard diverse Country-Stationen mit dem Song. Wenigstens um zu testen, wie die Reaktionen ausfallen. Manchmal ist es wohl doch nicht das Schlechtedte wenn es einfach um Erfolg geht.

Der billboard dagegen erntete zurecht eine Diskussion über Rassismus. Auch wenn die einfache Formel 'Schwarze können kein Country' in diesem Fall nicht der Grund für den Ausschluss war, Country gegen jede Art von Beeinflussung oder Vermischung zu bewahren, hat schon was von akribischen Ariertum.

Dem Track selber gab das Theater eher noch Aufwind. Denn ziemlich prompt mischte sich Billy Das Cyrus ein und stellte sich für ein Feature zur Verfügung. Spätestens dann gab es wirklich keine Grenzen mehr.

Ob all diese Diskussionen dem Track auch in Deutschland Rückenwind gegeben haben? Schwer zu sagen. Ich vermute mal das Footage-Video mit Szenen aus Red Dead Redemption 2 hat mindestens einen äquivalenten Einfluss gehabt.



Und nicht zu vergessen: Old Town Road ist schön ordentlich catchy. Die Coolness des Landlebens - Trekker fahren - wird hier gefeiert und alle Porsches dieser Welt sehen dsgegen langweilig aus. Auch cool natürlich, dass selbst der öde Cowboy Hut von Gucci sein kann.

So reduziert wie das Landleben ist auch die Produktion. Ein bisschen Banjo, ein bisschen Beat fertig. Und damit kann man feiern - es braucht nicht die überbordende Produktion. Und es kommt gut ohne die Elend langen Gangster Hass-Tiraden aus. Allein dafür gebührt Old Town Road ein Sonderplatz in der Popgeschichte.

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