Freitag, 28. Februar 2020
UFO III IIIIII I: Rich Rich
So langsam nehmen die Veröffentlichungszyklen der Rapper normal gewohnte Züge an: Hau 17 Songs raus - vorher möglichst einen bis sieben wochenweise als Vorabauskopplung droppen. Dann Ruhe und irgendwann nach sechs bis zehn Monaten wieder von vorn. Klar, das Tempo ist höher, als es zu Zeiten nur physikalischer Releases war. Das zeigt sich dann auch in der Kurzlebigkeit der Hits. Wobei es noch spannend wäre zu schauen, was zuerst da war: die schlechten Songs, die nur für eine Woche glühen - oder doch die Erhöhung des Ausstoßes auf sieben pro Woche.
Hier kommt also einer, der hat es mindestens miterfunden das massenweise-neue-Tracks-auf-den-Markt-Werfen. Und er ist gerade dabei, das nächste Album häppchenweise zu promoten. Rich Rich ist das aktuelle Schnittchen.
Für UFO361 ist das durchaus eine kleine Veränderung. Klar hat er auch zuvor schon das schöne Leben im Geldluxus angehimmelt. So knallhart und direkt war es für mein Empfinden bislang nicht. "Wir können nicht reden, weil du nicht meinen Status hast" sind die ersten Worte des Tracks. Das ist schon eiskalte Abgrenzung: Ich bin jetzt auf einem anderen Level - belästigt mich nicht!
Bislang war UFO immer noch ein wenig so unterwegs: Ich bin einer von euch, ich hab mich nicht verbiegen müssen ... Das ist Schnee von gestern. Ich bin Trump-Erdogan-Putin-Liga. Nur ich habe das Recht was zu sagen. Ab zurück in dein Dreckloch!
Diese Haltung scheint für viele bewunderungswürdig. Geil, dass sich jemand das alles anmaßen kann. Geil, dass er mich erniedrigt. Ich will so werden, wie dieser Typ!
Für mich klingt das ziemlich krank. Warum soll ich jemanden feiern, der mich mit meinem Pseudo-Luxus verachtet. Für den eine Margiela-Jacke lächerlich ist. Zum Inner Circle zu gehören, heißt arrogant, abfällig und überheblich zu sein.
Mir ist klar, dass Menschen es geil finden, in solchen Gefilden zu Hause zu sein. Deshalb kann ich UFO361 erstmal nichts vorwerfen - auch wenn ich seine Ideale eher lächerlich finde. Schräg ist für mich lediglich, dass Menschen es lieben, Leuten dabei zuzuschauen, wie sie mich verachten. Ist das schon Masochismus?
Oder geht es eher darum, UFO361 zuzuhören und zu wissen: Das, was du da so großkotzig beschreibst, dass wirst du doch sowieso nie erreichen. Dafür reicht dein bisschen Kohle noch lange nicht. Da musst du schon noch ein paar mehr Hits in die Waagschale bringen.
Selbstüberschätzung als Unterhaltungskonzept. - Das könnte ich zumindest noch nachvollziehen. Wenngleich mir das auch eher abgeht. Zumindest in der Abwesenheit von Selbstironie, wie sie UFO zelebriert.
Nunja: Moskau und Russland sind also die aktuellen Orte der Neureichen-Hipness. Gute Wahl! Das ist ja auch genau der Ort wo die von UFO gepriesenen Haltungen Macht versprechen. Mitreden kann maximal der, der Diamanten klingeln lässt. Sich dazu zu bekennen ist einfach. Wer würde sich schon trauen, einem schwerreichen Oligarchen zu widersprechen?
Leider funktioniert das System dann aber doch nur, wenn man die Bewunderung stetig am Kochen hält. Ich muss andere erniedrigen, weil sie sonst ja gar nicht merken, dass ich vermeintlich was Besseres bin. Mein Reichtum ist nur deshalb etwas wert, weil es andere gibt, die diesen ebenfalls wollen. Sobald die Lust an Kaviar, billig gestylten Mädchen und Helikoptern erlischt, ist mein Luxus dahin. Und dann redet wirklich keiner mehr mit mir. Aber nicht, weil ich es nicht will, sondern weil sich niemand mehr für mich interessiert.
Ich hab die Befürchtung, dass es genau diese Leere ist, die UFO antreibt, so vehement seine Wichtigkeit zu behaupten. Dann kann er sich wenigstens einreden, dass seine Isolation eine selbstgewählte ist. Dass überhaupt niemand mehr mit ihm spielen will, das merkt er gar nicht. - Allerdings ist es soweit ja noch lange nicht.
Freitag, 21. Februar 2020
Luciano: Mios mit Bars
Ui, das ist ja fast schon überraschend, was sich Luciano da traut. Schon der Einstieg ... ist das eine Erinnerung an die 90er? Da waren in schlechten Dance-Produktionen immer irgendwelche Rapper - damals noch MCs - reingecastet. War zwar peinlich - wurde trotzdem gemacht.
Zurück ins heute. Luciano macht es umgekehrt: Er rappt gewohnt abgehackt hölzern und dann holt er sich einen fast schon Refrain als verzerrte Reminiszenz rein. Und die könnte schon auch ein Song aus den 90ern sein. Das traut sich bisher nur der Apache so richtig. Etabliert sich da nun endgültig ein neues Stilmittel? Ist Luciano ein früher Trittbrettfahrer? Oder findet er gerade seinen eigenen Stil?
Immerhin, als Produzent steht nicht nur Gotcha sondern auch Luciano himself dran. Das ist zumindest derzeit nicht der gängige Weg im Business. Lieber lassen sich die Herren Rapper von gestandenen Produzenten aufpimpen derweil sie vor allem posieren. Das könnte ein winziges Anzeichen sein dafür, dass Luciano doch auch was will mit seiner Karriere. Alles nur Blingbling ist vielleicht ein bisschen zu wenig. Vielleicht. Müssen wir mal noch abwarten, was da so in nächster Zukunft kommt.
Freitag, 14. Februar 2020
SAMRA: Weiss
Dass Samra für mich ein ganz guter Erzähler ist darüber, was Menschen heute umtreibt und beschäftigt, das hab ich wirklich schon mehrfach hier geäußert. Und das kann ich bei Weiss alles nur wiederholen. Denn auch hier traut er sich, die dunklen Flecken in seiner Seele rauszuholen. Das hört aber nicht mit Gejammer à la Dardan auf. Dazu ist Samra zu sehr Macho - und das steht ihm ganz gut.
Immerhin schafft es Samra trotzdem die Kapitulationsfahne zu ziehen. Und dann doch wieder zu verlangen "Hau ab!" - Schön widersprüchlich bleiben. Das ist das Motto. Hat er gut von seinem Freund und Kollegen Bra gelernt.
Trotz dieser grundsätzlich bodenständigen und brutal ehrlichen Erzählung, bleibt weiss für mich überraschend mittelmäßig. Ja, es hat alle Ingredenzien, die ich an anderer Stelle auch schon mal gelobt habe. Vielleicht ist es dann doch eher die eher weichgespülte Produktion von Lukas Piano & Greckoe, die mich dann doch eher kalt lässt, statt mit Samra mitzuleiden.
Künstliches Pianogeklimper im Hintergrund und Autotune ... das ist mir dann doch zu offensichtlich auf Gefühlsduselei gemacht. Und auch da war ich hier schon oft genug ehrlich: HipHop, der zum Schmachtschlager abdriftet ist nicht so meins. Da muss Samra nun wohl doch aufpassen, dass er nicht zu sehr in Weichspüler landet.
Freitag, 7. Februar 2020
Joker Bra & Vize:
Baby
Seit einem Jahr firmiert er eigentlich unter dem Joker-Signet, zumindest hin und wieder. Hier ist die erste Produktion, die offiziell dem Joker zugeordnet wird. Zuerst frage ich mich: Warum denn das? Warum jetzt? Weil grad der gleichnamige Film für alle möglichen Oscars nominiert wurde?
Ist natürlich alles Unsinn und schon nach wenigen Takten ist klar: Mit diesem Alias geht Bra Richtung Dancefloor.
So ein bisschen hat er schon immer mit der Ecke geliebäugelt, mit VIZE als offiziellem Kollabo-Partner lässt er es aber richtig knallen. Die Beats sind trocken und bretthart, die Lyrics noch verkürzter und extra auf russisch, damit's kryptischer wirkt. Und ehrlich: Ich finde, das passt wesentlich besser zu seinem Dauerbedröhntgelalle als alle Tracks vorher. Wobei ich mich hiermit vermutlich als absolute Spießerin oute, weil ich immer noch unterscheide zwischen, was ist Rap und was ist Dancemusic. Eigentlich haben sich die Unterscheidungen längst aufgelöst. Ist alles eine Kiste, eine Soße. Geht alles nur um Party und Vergnügen. Ob der Beat nun so rum oder so rum gebaut ist. Egal.
Dass der Videomann Heiko Hammer dazu besonders kranke Bilder findet - geschenkt. Mittlerweile wissen alle, die sich irgendwann mal auf Tindr oder einer ähnlichen Plattform rumgetrieben haben, dass die Jugendlichen online allesamt ein großes Maul haben, dann aber den Schwanz einziehen wenn es ins echte Leben geht. Da ist dann nichts mehr mit Verdorbenheit - oder sie ist so aufgesetzt, dass man nur gähnend allein ins Bett gehen kann. Spaß ist anders.
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