Freitag, 10. April 2020

Ramon Roselly: Eine Nacht



Tatsächlich, DSDS gibt es noch. Hatte ich wirklich nicht mehr auf dem Schirm. Das ist so ähnlich wie beim Dschungelcamp. Da erschrecke ich mich auch zu jedem Jahresanfang aufs Neue, dass das immer noch läuft.

OK - nach drei Jahren Misserfolg schafft es nun der Sieger Ramon Roselly endlich wieder einen glatten Nr.1-Hit hinzulegen. Geschrieben von Dieter Bohlen, produziert von demselben, als Schlager. In der Rückschau sind die deutschsprachigen Schlager eindeutig erfolgreicher. Und scheinbar muss es dann doch der Guru DB sein, der das seichte und eingängige Metier beherrscht wie wohl kein anderer.

Wie immer war es ein und derselbe Song, der da interpretiert wurde. Eine Nacht - immerhin, es geht endlich mal nicht mehr um das komplette Leben. Wir fangen realistisch an: eine Nacht und einen Tag. Dass die Nacht an erster Stelle steht, sagt deutlich, dass es vor allem erstmal um die körperlichen Bedürfnisse geht.

Natürlich wird im Laufe des Songs diese Reduzierung dann doch relativiert. "Alles macht jetzt Sinn." - das ist doch der echte Schlager-Talk. Und dann gibt es Märchenklischees im großen Stil: "Wenn ich deine Augen seh' weiß ich, dass ich dir vertrauen kann. Ich weiß, wir passen zusamm'n" - Ach ja, Liebe auf den ersten Blick, das einzig Wahre und Echte und Richtige. Dafür sind Schlager gemacht. Dass man mal so richtig träumen und schwelgen kann. Damit es dann im echten Kack-Leben nicht ganz so weh tut.

Dieter Bohlen hat unter diese Sehnsüchte eine klebrige Melodie gelegt, die aus bekannten Versatzstücken zusammengeleimt ist. Ich habe den Song noch nie gehört und kann doch sofort mitsingen. Mir läuft ein Schauer über den Rücken als dann die Bridge wirklich so einsetzt, wie ich es erwartet habe. Das so 1:1 zu bedienen, muss man sich auch erst mal trauen. Peter Urban würde kotzen - und genau das ist vermutlich Hr. Bohlens Ziel. Denn so erreicht er mehr. Menschen, die nicht alles kritisch hinterfragen oder analysieren. Die einfach nur glücklich sein wollen. Egal wie falsch dieses Glück auch sei.

Ich mach hier natürlich trotzdem genau das: Bisschen drüber nachdenken und drauf schauen, was uns da gerade die Lautsprecher verstopft.
Vier Versionen sind im Umlauf. Lohnt sich vielleicht, mal die Unterschiede rauszufinden. Auch wenn das wahrscheinlich zur Höllentour wird.

Beginnen wir mit der Viertplatzierten Paulina Wagner:


Geigchen-Kaskaden am Anfang - ganz schön schlimm. Paulina singt - klingt auch ein bisschen hingeschnoddert. Kann man auch gut finden. Endlich mal nicht so überzüchtete Aussprache. Aber leider ist diese Version ordentlich altbacken. Wäre das nicht auch schon in den 1980ern genau so produziert worden?

Platz 3 Joshua Tappe

Oops - das klingt ja gar nicht nach Schlager. Erstmal. Der 4/4-Takt ist etwas getarnt und eine verrauchte Bärenstimme gibt den Text zum Besten. Passend zum bärtigen Aussehen des Jungstars. Aber leider ... Matthias Reim hat auch schon seine besten Tage hinter sich. Und dass er immer noch allerorten herhalten muss, macht's nicht besser.
Produktion und betulicher Inhalt klaffen hier doch ordentlich auseinander. Wenigstens ist dieser grässliche oh-oh-oh-Chor weggelassen worden. Und sowieso ist das die einzige Variante, die tatsächlich eine Alternative zum Rest darstellt. Wenn auch in meinen Ohren eine eher mittelmäßige.

Chiara D'Amico - Platz 2

Da sind sie wieder die Geigchen - hör' ich schon gar nicht mehr. Aber sag mal ... Chiara klingt ja wirklich wie ein ganz kleines unbedarftes Kind. Entweder hat sie gar keine Lust auf dieses Lied oder sie versteht einfach nicht was sie da singt. Das klingt für mich wie ein auswendig gelerntes Gedicht am Weihnachtsbaum. Plötzlich kommt mir Paulinas Version richtig emotional vor. Warum nochmal musste sie schon in der Runde davor ausscheiden?

Und jetzt der Sieger:

Die Geigen beginnen eine Oktave tiefer - welche Wohltat. Auch der Chor ist männlicher. Und dann kommt diese ganz ganz sanfte und weiche Stimme. Buttercremetorte - Gesichtscreme - Geschirrspülmittel ... irgendsowas. Klar, dass das gewinnen musste.

Dazu dieser eher einfallslose Video-Clip. Ramon steht im Mittelpunkt. Sein niedliches Gesicht. Sein liebes Outfit mit Hosenträgern. Und frisiert ist er auch ganz adrett. Wie der lächeln kann. Der muss gar nicht singen. Vorabendserie - Teenie-Schwarm - Schmetterlings-Sehnsucht - so fühlt sich unbeschwerte Kindheit an. Ein schönes Gesicht und schon ist man verliebt. - Immer auch ein bisschen peinlich.

Ach je - der Ramon. Ist er jetzt eigentlich glücklicher? Zirkuskind aus'm Wohnwagen. Will er dieses Leben tatsächlich wegtauschen gegen das kurzzeitige Rampenlicht. Ändert sich überhaupt etwas für ihn?

Ich bin jedenfalls nur froh, dass DSDS schon lange nicht mehr diese Breitenwirkung hat, die es noch vor 15 Jahren entwickelte. Als man sich nicht entziehen konnte. - Heutzutage werde ich mit den entsprechenden Suchfiltern Eine Nacht vermutlich nicht nochmal hören müssen. Und da größere Menschenansammlungen ohnehin untersagt sind und wohl auch noch eine Weile bleiben werden, werde ich auch auf keiner dieser peinlichen Veranstaltungen malträtiert. Hoffentlich.






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