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Freitag, 6. Juni 2014

Mark Forster: Au Revoir


Jetzt ballern sie wirklich aus allen Rohren, die deutschen Singer-Songwriter. Was bei den Albumumsätzen die harten Rapper vormachen, das kriegen die Liedpoeten bei den Einzeltracks mindestens genauso gut hin. Massenumsätze und echte Hits.

Nunmehr auch in der Liga der massentauglichen Sänger angekommen ist Mark Forster. Angefangen hat er eher unscheinbar vorsichtig vor gut zwei Jahren, dann wurde er im vergangenen Herbst von Sido gefeatured und nun steht er mit eigenem Solo-Album gar nicht schlecht da. Besser noch: Au Revoir etabliert sich gerade als Lead-Single mit Ohrwurmcharakter.

Wie es sich gehört, darf hier Kumpel Sido nochmal mitmischen – sieht fast ein bisschen so aus, als hätten sich hier zwei gefunden. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich so ein bisschen mißtrauisch auf das Ganze schauen. Bei Sido weiß man ja nie so genau, was da jetzt wieder drin steckt bzw. raus kommt. Im Grunde könnte das ganz lustig sein, aber irgendwie landet mir das dann doch zu oft im Mittelmaßgejammere. Da hab’ ich jetzt ein bisschen Angst, dass sich Mark Forster auch nur als ein Spießer entpuppen könnte, der nur nichts ändern will. Am wenigsten sich selbst. Mit seinem Unschuldslamm-Blick könnte er gut und gerne bei jeder Schwiegermama-Kaffeetafel der Liebling werden.

Aber darauf hat er nicht so richtig Lust. Denn Au Revoir ist genau das Gegenteil, der Abgesang auf die vorgefertigte Langeweile in der Reihenhaussiedlung. Da geht es um die pure Lust am Leben, um die Angst irgendwas zu verpassen. Und das richtig gut. Vor allem weil es sich so schön konträr zu dem etabliert, was uns die unglaublich überpräsente Schlagertümelei als lebenswert verkaufen will.

Mark Forster hält nicht so viel von vorgefertigten Lebensschablonen. Ja klar, es gibt auch da das eine oder andere Klischee – davon sind wir letztlich alle nicht frei. Aber es gibt eben oft genug auch diese schöne Haltung: Mir doch egal, ich mach’s trotzdem anders.
Und weil das jetzt nicht der erste Titel in den letzten Monaten ist, der mehr oder weniger so ein Lebensgefühl transportiert und trotzdem erfolgreich ist, weil es so Menschen wie MARTERIA oder CRO ähnlich (und doch auch ganz anders) auf den Punkt bringen, hab’ ich mittlerweile nicht mehr so viel Angst um die derzeitige Jugend und die Zukunft dieser Welt. Es werden nicht nur die Xavier Naidoos und Helene Fischers übrig bleiben. Es gibt auch noch junge Menschen, die ihre eigenen Träume haben.

Für diese Einsicht möchte ich mich bei Mark Forster bedanken. Da verzeih’ ich ihm sogar, dass er sein Lied ganz schön pathetisch mit Orchesterviolinensound zugekleistert hat.








Freitag, 9. Mai 2014

Andreas Bourani: Auf uns


Dies ist die neue Generation deutschsprachiger Popstars: Jung, feinfühlig, poetisch und ziemlich handgemacht.

Vor etwa drei Jahren setzte die Invasion ein: Tim Bendzko , Philipp Poisel, Mark Forster, MAXIM... Und einer davon war auch Andreas Bourani. Alles nur in meinem Kopf – damit stellte er sich vor und traf offenbar den Nerv der nicht mehr ganz so Jungen, die sich in dieser sehr komplexen Welt zurechtfinden müssen und das mit einer Leichtigkeit und Lebenslust hinzaubern, dass ich mich frage: Meinen die das wirklich ernst?

Nun ist Andreas Bourani wieder da, hat ein neues Album im Gepäck und eine neue Single am Start, die dann gleich mal einschlägt und Wochenbester im Verkauf wird. Auf uns ist eine Hymne an die Freundschaft, an die einmaligen Momente, an die Lebenslust. Auch hier ist es ungezügelter Optimismus und Lebenslust, die sich da Bahn brechen. Hier geht es mal gleich um's Ganze. Aufrichtigkeit und Glück für ein komplettes Leben und darüber hinaus. Sogar die Unendlichkeit wird heranbemüht.

Und um dieser Euphorie auch entsprechend Ausdruck zu verleihen, greift Andreas Bourani zum orchestralen Fulminant-Pop, der schon auch ein ordentliches Stück Pathos in sich trägt. Das ist eigentlich ein bisschen schade. Mit der reduzierten und zurückgenommeneren Variante vor drei Jahren hatte Andreas Bourani sich zwar in die Ohren und Herzen der Menschen gespielt, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass seine Lieder kleine, fast schon intime Geschichten oder Geheimnisse blieben. Musik, die ich ganz allein entdecken und genießen kann. – Auf uns ist ungefähr das genaue Gegenteil. U2- oder Coldplay-Stadion-Pop. Das ist ein Sound, der die Massen mitreißen will und zum Mitgrölen auffordert.

Wenigstens präsentiert Andreas Bourani in dieser Stadion-Euphorie eine ordentliche Portion Vielfalt. Dass, was uns die Bilder von Regisseur Kim Frank da vorführen, könnte gegensätzlicher und bunter nicht sein. Feuerwerksromantik steht neben Großstadtpartygefühl wird kombiniert mit Sommerurlaubsspaß wird ergänzt mit Hochzeitsspektakel, dass sich abwechselt mit WG-Party-Eindrücken und Kindheitserinnerungen ... Das Ganze rutscht auch ordentlich häufig ab in reichlich biedere, fast schon konservative Vorstellungen, aber es wird auch genauso oft gebrochen von gleichgeschlechtlichen Küssen oder Akteuren, die eben nicht den durchschnittlichen Schönheitsmaßen entsprechen. Insgesamt also ein ganz passendes Abbild heutiger Lebensformen und -welten.



Bei all dem kommt mir ein Begriff in den Kopf, der da "inszenierter Realismus" heißen könnte. Alles kommt so unglaublich lebensnah und echt daher, ich könnte fast sagen: Ja, so ist es. Und gleichzeitig versuchen weder Video noch Musik zu verbergen, dass es selbstverständlich Kunstprodukte sind: poetisch und inszeniert.

Vielleicht ist auch genau das wieder ein Spiegelbild von dem, was in der uns umgebenden Welt tatsächlich Realität ist. Da gibt es keinen einzigen Fleck mehr, der nicht durch Menschenhand überformt wäre. Vielleicht gibt diese neue Singer-Songwriter-Generation mit ihren Videomachern tatsächlich ganz gut das Lebensgefühl 2014 wider.