Die Pop-Sensation dieses Winters waren Clean Bandit. Zumindest in Großbritannien. Dort landete Rather Be recht überraschend und sehr direkt auf der Nummer 1. Vorbestellungsrekord für eine Single, meiste Tags und Streams … das waren die Schlagzeilen Anfang Februar. In Deutschland brauchte der Titel etwas länger, was auch der nach wie vor beknackten Videoveröffentlichungspolitik des Warner Music-Labels angelastet werden kann. So einfach kommt man an das Video nämlich nicht ran. Und wenn man es dann mal gefunden hat, dann ist es nicht unbedingt möglich, dieses auch problemlos irgendwo einzubinden.
Also ging’s erstmal eher verhalten los mit dem Erfolg. Dann fand der Song seinen Weg doch immer wieder mal ins Fernsehen, als hübscher Soundtrack zur Olympia-Berichterstattung zum Beispiel. Und wie so oft, wenn smarte TV-Redakteure etwas als gut auswählen und geschickt einsetzen, wurde Rather Be allmählich zum Ohrwurm. Sehr wahrscheinlich ist, dass der TV-Einsatz das Label auch ein bisschen was gekostet hat, alles in allem also ein zumindest in Deutschland professionell durchgesetzter Hit. Aber mal zur eigentlichen Musik.
Als ich den Song das erste Mal hörte, da fragte ich mich schon, was denn nun genau so sensationell an der Produktion sein sollte. Etwas sperrig fand ich das Ganze zudem: hübsche Melodie ja, Glöckchensound und Violinen – auch ok, aber irgendwie arg zusammengezimmert kam’s mir vor. Vielleicht liegt es daran, dass mit dem was Brandt Brauer Frick samt Ensemble machen, die Latte für die Verschmelzung von Klassik und Pop doch schon recht hoch liegt. Da werden elektronische Produktionsstrukturen analog nachgestellt, da wird der Drum-Computer in den Konzertsaal gestellt und nicht selten gibt es Ausflüge in den Jazz. Das Ganze ist derartig organisch und selbstverständlich, als hätte es nie die verschiedenen Musiktraditionen und –entwicklungen gegeben.
Clean Bandit sind da etwas weniger konsequent. Sie fügen klassische Elemente, wie Kompositionsausschnitte oder Violinen-/Cello-Besetzungen in Popsongs ein. Das hat durchaus noch innovatives Potenzial ist aber im Grundansatz auch schon 100 mal durchgespielt worden. Immerhin wagt sich die Band etwas Sperrigkeit. Dass ein Poptitel recht unverfälscht mit einem halbminütigen Violinenstück beginnt, ist nicht unbedingt förderlich für den durchschlagenden Massenerfolg. So ist es für mich auch nicht verwunderlich, dass es vor allem Rather Be an die Spitze der europäischen Verkaufshitparaden schafft. A&E oder auch Mozart’s House waren allerhöchstens Wegbereiter, obwohl sie im Grundansatz nichts anderes machten.
A&E – Mozart’s House
Rather Be
Wenn sich Clean Bandits jetzt noch trauen, etwas tiefer in die Songstrukturen einzugreifen, die heutige Popsongs in der Regel aufweisen, dann könnten sie tatsächlich zu so etwas wie den Erneuerern des Pop avancieren. Aber das wird sicher eine steiniger Weg.
Hallo, weißt du vllt noch wann genau das Lied im TV gespielt wurde? War das bei der Eröffnungsfeier oder immer mal wieder zwischendurch?
AntwortenLöschenDanke und LG
Hi, ich habe den Song lediglich zwischendurch in der Berichterstattung als Pausenmusik wahrgenommen. Von einem offiziellen Auftritt ist mir nichts bekannt (lässt sich auch nichts bei wikipedia etc. finden).
AntwortenLöschenIch halte es nicht für sinnvoll ein Lied anhand der von dir benutzten Kriterien zu bewerten
AntwortenLöschenIch analysiere auch gerne Popmusik und Rather be ist ein ausgesprochen komplexes und durchdachtes Lied. Ein beispielhafter Einsatz von dynamischer Harmonieprogression mit einer fantastischen Hookline.
http://www.hooktheory.com/theorytab/view/clean-bandit/rather-be
Hi, ich hab nichts dagegen einzuwenden, andere Kriterien anzuwenden. Erst recht nicht, wenn dann eine andere Einschätzung herauskommt. Ist nur ein Beweis dafür, wie vielschichtig Pop sein kann.
LöschenDanke für Deine Anmerkung.