Freitag, 2. Mai 2014

George Ezra: Budapest


Das ist nun also die Stimme des Jahres. Zumindest wenn man den Pressemeldungen glaubt. Und der BBC. Obwohl die George Ezra ja Anfang des Jahres nur auf Platz 5 der heißen Empfehlungen für 2014 hatte. Wie auch immer, jetzt ist der Typ angekommen in Kontinentaleuropa und feiert euphorische Erfolge. In diesem Fall hat auch die Plattenfirma alles richtig gemacht und genau zum Zeitpunkt der größten Nachfrage die CD-Version seines Titels Budapest veröffentlicht.

Beim ersten Hören ist schnell die Schublade auf: Ok – noch so einer von der Sorte Passenger, Milow, James Blunt ... Der einzige Unterschied: dieser hier ist wirklich noch ganz jung. Die nächste Generation also. Und das ist dann tatsächlich auch ein Unterschied. Denn da wo sich die gestandenen Singer Songwriter doch mehr und mehr in romantischem Selbstmitleid und Weltschmerz ergehen und verstricken, da erzählt uns George Ezra lieber von der Einfachheit des Glücks. Er braucht keine Schlösser in Budapest oder Ländereien oder Kunstsammlungen. Er braucht eine Gitarre, ein paar Claps und einen Menschen für den er singt. Das ist doch mal eine Aussage. Obendrein eine, die in dieser Deutlichkeit seit Macklemore & Ryan Lewis niemand weiter in den Mainstream-Erfolg gebracht hat. Da ließe sich hier jetzt schön der Herr Ezra hochstylisieren zum neuen Superhelden der Konsumverweigerung. Das ist ja quasi Kapitalismuskritik pur …

Kann man natürlich auch sein lassen.

Trotzdem bleibt es beeindruckend mit welcher Konsequenz – oder nenn’ ich hier lieber den abgenutzten Begriff Ehrlichkeit? – wie auch immer, beeindruckend ist, dass George Ezra hier nicht einfach ein eingängiges Lied singt mit einem poetischen Text, der alle möglichen Deutungstüren offen lässt. Das, was er hier von sich gibt ist vermutlich seine innerste Überzeugung. Er kann auf all die Luxusfaxen verzichten. Sein Leben ist wertvoll durch Gemeinschaft.

Warum ich glaube, dass George Ezra hier mit ganzem Herzen dabei ist? Weil er sich – anders als andere Stars in seiner Sparte (siehe oben) ganz einfach und zurückgenommen inszenieren lässt. Er ist nicht der Outlaw-Held, der auf die ganze Gesellschaft scheißt, er ist auch nicht der unverstandene Vollblut-Musiker, der auf der Bühne sich entäußert. Sei es im minimalistischen Stripped-Down-Video welches auf MTV zu finden ist und nur den Sänger vor farbig wechselndem Hintergrund zeigt oder sei es in der hübschen Version, welche auf VEVO angeboten wird und selbst in der kunstvollen Inszenierung zurückhaltend schön ist: George Ezra ist ist einfach ein ganz durchschnittlicher Normcore-Junge. Und das durchaus positiv.



Nun muss man natürlich dazu sagen, dass George Ezra mit seinem Jungengesicht auch sofort jeden Zweifel hinwegfegt, dass hier irgendetwas nicht authentisch an ihm und seinem Song sein könnte. Vielleicht ist das alles ja aber trotzdem wohlwissend eingesetzt …?

Egal. Zur Romantik – und das verkörpert George Ezra ja auch – gehört eben auch, dass man sich ein bisschen was vormacht und nicht immer alles dekonstruiert.

Bevor ich hier die Kiste zu mache und mich vor lauter Erstaunen über so viel uneitle Bescheidenheit noch in Verzückung schreibe, werfe ich mal noch einen Blick auf die Chartstatistiken seines Titels Budapest. Und da fällt etwas Sonderbares auf: Budapest schafft es in den deutschsprachigen und in den Benelux-Ländern bis ganz nach vorn – die Menschen lassen sich in Massen von ihm vereinnahmen und begeistern, in seiner Heimat und in Irland, da reicht es gerade mal für Positionen im Mittelfeld. Wie kommt denn das? Ist Budapest für die Inseln zu weit weg? Ist der britische Musikmarkt dann doch eher was für komplett durchgestylte und auf Glamour setzende Acts? Natürlichkeit ja – aber nur wenn es drumrum ordentlich technisch zur Sache geht. So wie es John Newman und James Arthur zelebrieren.

Und in Deutschland hat man grad die teutonisch stampfende Eurodance-Nummern satt, steht deshalb auf eher sanft weichspülende Nummern, die von echten Menschen kommen?

Wenn man sich mal die großen Hits der letzten Monate anschaut, dann steht zumindest in Deutschland tatsächlich recht häufig der plakativ bodenständige (naturverbundene) Sound in der Liste. Gern auch modern aufgehübscht mit Deep House-Rhythmus (Mr. Probz, Klingande oder Milky Chance) oder dann doch auch Dance-Beats (AVICII) – in Großbritannien dagegen ist es auffallend oft der reine Dancefloor-Sound, der allerdings um einiges vielfältiger in den einzelnen Tracks variiert wird als es in Deutschland der Fall ist. Offenbar existieren hier doch recht verschiedene gesellschaftliche Realitäten. Oder eben verschiedene Wege mit Realitäten im Jahr 2014 umzugehen.

Deutschland – so viel lässt sich problemlos konstatieren – sehnt sich in der Mehrheit nach mehr Einfachheit. Vielleicht auch Übersichtlichkeit. Womit wir auch schon wieder beim Erfolg des simplen Schlagers wären. Da können wir froh sein, dass es solche Menschen wie George Ezra gibt, die uns zeigen, dass Einfachheit nicht generell blöd sein muss.




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