Freitag, 27. Juni 2014

OneRepublic: Love Runs Out


OneRepublic ist eine Band, mit der hab ich schon so meine Probleme. Das hängt vielleicht mit der allgemeinen Glaubwürdigkeitskrise von PopRock und Alternative zusammen. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass die Überpräsenz im Mainstream eben auch eine völlige Belanglosigkeit erzeugt und gar nichts mehr in irgendeiner Art Bedeutung hat. Vielleicht nehme ich dieses ganze Musikbusiness auch einfach nur zu ernst. Denn irgendwie bin ich hier ja immer auf der Suche nach einem Zusammenhang zwischen Kulturprodukt und Lebensalltag. Dass Menschen einfach alles was sie tun und konsumieren egal ist, kann ich nicht glauben.

OneRepublic und deren Leadsänger Ryan Tedder also waren bei dieser Auseinandersetzung regelmäßig Anstoß zu neuen Überlegungen. Eingängig bis zum Abwinken, damit erfolgreich hoch und runter, gleichzeitig aber völlig bedeutungslos weil fast immer in einer unglaublichen Beliebigkeit alles zusammenschmeißend, was ihnen nur zwischen die Finger kam. Nun kommt die Lead-Single zur Deluxe-Wiederveröffentlichung ihres Albums Native und wunderbar lässt sich wieder alles das bescheinigen, was bereits bei den vorhergehenden Hits zu kritisieren war.

Seltsamerweise geht mir Love Runs Out aber dann doch nicht schon beim dritten Mal völlig auf die Nerven vor lauter Allerweltsbreiigkeit, sondern es setzt sich fest und fängt mir an zu gefallen. Was ist denn da los? Hat der Song tatsächlich eine andere Qualität? Etwas, das ich seit Apologize nicht mehr finden konnte.

Vielleicht ist es die Ähnlichkeit zu schon Vorhandenem, die dem Titel in einigen Foren bescheinigt wird. Von Kanye West bis Adele reichen offenbar die Referenzen. Haben sich also Ryan Tedder und seine Jungs einfach sehr sehr clever altbewährter Rezepte bedient, ein paar Melodienschnipsel neu zusammen gefügt und so unserer Wahrnehmung ein Schnippchen geschlagen: Kenn ich – gefällt mir?


Kanye West “Love Lockdown” und Adele “Rumour Has It”

Die Ähnlichkeiten sind wahrhaftig nicht abzustreiten, aber OneRepublic beschränken sich nicht einfach auf ein hübsches MashUp, sie fügen der Rhythmusorientierung, die beide Vorlagen besitzen, noch etwas hinzu: Ein zwingend einnehmendes und über den kompletten Song wiederholtes Piano-Riff. Das verleiht dem Titel einen Sog und eine Funkyness, die ich in dieser Art bei einer OneRepublic-Single noch nicht entdeckt habe. Und die auch gleich noch eine neue Referenz eröffnet. Denn bereits bei der ersten Begegnung mit Love Runs Out stellt sich ein Dèja vu-Effekt ein: Diese Art, einen Song zu beginnen, zelebrierte Ende der 90er bereits Moby mit seiner Single Honey.



Auch wenn die beiden Songs ansonsten nichts weiter gemein haben, so finde ich hier doch ein paar hübsche (wahrscheinlich sehr zufällige) Parallelen. Moby nämlich spielte mit dem Album Play, von welchem Honey stammt, recht ausführlich durch, was es bedeutet seine elektronisch-melancholische Handschrift mit Anleihen aus dem Funk zu versehen. Nach 10 Jahren im Musikbusiness erfand er sich so quasi noch einmal ganz neu. Ähnlich tat das in dieser Zeit auch noch einmal Fatboy Slim/Norman Cook, obwohl der in den 10 bis 15 Jahren seiner bis dahin gehabten Musikkarriere schon häufiger sein musikalisches Repertoire grundlegend durchgerüttelt hatte.

OneRepublic haben nunmehr auch 10 Jahre Erfahrung in der Tasche und mir scheint, dass sie mit Love Runs Out tatsächlich einen für sie neuen – oder sagen wir: ungewohnten Weg einschlagen. Wohin dieser sie führt und ob sie überhaupt gewillt sind, hier weiter auszuprobieren, das darf getrost mit großen Fragezeichen versehen werden. Denn noch sieht alles eher aus wie nichts weiter als ein derzeit modischer Rückgriff auf die Endneunziger. Dieser Eindruck wird gestärkt durch das fukminante Video, welches sie zu Love Runs Out liefern.



Das sind Pop-Video-Bilder wie sie Großraum-Acts ganz gern mal benutzen: Überwältigend bunt, auch pathetisch und bedeutungsschwanger. Besser hätte es David Lynch in den 90ern auch nicht hingekriegt. Höchstens, dass seine Düsterkeit noch um einiges mystischer und verrätselter war. Bei OneRepublic drängen sich die Fragen nach Bedeutung jetzt weniger auf. Ich verstehe zwar die historischen und Ethno-Bezüge überhaupt nicht: Warum bitte muss der Drummer in so einem ägyptophilen Outfit da sitzen? Und was sollen die ekstatisch tanzenden Frauen mit Bändern im Haar? – Aber das will im Jahr 2014 ja im Grunde kaum jemand wirklich wissen: Ägypten ist seit Katy Perry’s Dark Horse mehr als salonfähig und musikalisch-tänzerische Ekstase gehören quasi zum Repertoire des Post-Techno-Pops. Allemal ist es sehr schön anzusehen. Den meisten Musikkonsumierenden reicht das.

Im Fall von Love Runs Out hat das Bild aber tatsächlich auch etwas mit dem Songinhalt zu tun. Ryan Tedder beschreibt hier manisch-expressive Gefühlssituationen: Extase und Hingabe bis zum bitteren Ende, Genuß und Selbstvergessenheit ohne Kompromiss. Diese Wildheit in ethno-inspirierte Konstellationen zu stecken bedeutet gleichzeitig eine Kritik an unserer vorherrschenden Kultur. Offenbar ist in der westlich geprägten Konsumwelt nicht viel Platz für wilde und unbändige Emotionen. Und erst recht nicht für Menschen, die sich diese zu eigen machen. Das geht maximal in abgeschlossenen Settings oder eben in Kulturen, die Nordamerikanern und Westeuropäern als ritualgeprägt und irgendwie wild erscheinen. (Dass alles das auch ein sehr sehr schwieriges Unterfangen ist, das wäre einen eigenen Artikel wert.)

An dieser Stelle könnte ich Schluss machen und OneRepublic einen großen Wurf bescheinigen: Subtile Gesellschaftskritik mit einem Popsong. Allein, die bisherigen Erfahrungen mit der Band lassen mich zweifeln und zögern, diesen Schritt zu tun. Die Verhältnisse zu kritisieren und sich gleichzeitig affirmativ-anbiedernd im System zu inszenieren find ich einen sehr waghalsigen Ansatz. Jaja – ich höre das häufiger: Wir kämpfen nicht mehr gegen das System, wir verändern/zerstören es von innen heraus. Hoffentlich ist das System an dieser Stelle nicht klüger und schneller.

Im Fall von OneRepublic hat es zumindest schonmal nicht funktioniert. Love Runs Out wurde vom ZDF eingekauft um die Berichterstattung zur Fußball-WM in Brasilien musikalisch aufzupeppen. Von dem Song, seiner Kraft und seinem möglichen Potenzial bleibt in den Minuten-Einspielern nicht sehr viel übrig. Allemal ist es aber immer noch besser als der unsägliche Einsatz von Andreas Bourani’s Auf uns. Das kriegt nämlich in der steten Wiederholung einen ganz unangenehm nationalistischen Dreh.




Freitag, 20. Juni 2014

Lilly Wood & The Prick And Robin Schulz:
Prayer in C


Peter Maffay sang 1983 in seinem Kinder-MusicalNessaja ”Ich wollte nie erwachsen sein”. Eine Hymne an die Unbeschwertheit und das Spielerische des Kind-Seins. Erwachsene liebten diesen Titel und machten in mehr oder weniger zu einem Hit.

30 Jahre später wollen erwachsene Menschen genauso wenig erwachsen sein. Sie lehnen sich dagegen auf indem sie jegliche Ernsthaftigkeit verweigern, sich in unmögliche Klamotten kleiden und sich die Gesichter anmalen. Sie zelebrieren den Spaß, die Unbeschwertheit, die Ironie. Und sie freuen sich dabei tatsächlich wie die kleinen Kinder.

Diese jungen Menschen überschwemmen die Groß- und Kleinstädte Deutschlands seit einem Jahr, oder vielleicht auch schon fast seit zwei. Und sie sind im Netz sowie den alten Medien derzeit omnipräsent. Zwischen Neo-Hippietum und Hipsterismus ordnen sie sich ein. Manchmal auch in beide Sparten, manchmal lehnen sie das jeweils andere vehement ab. Manchmal ist ihnen das alles völlig egal, denn sie sind viel zu cool und unbeschwert um sich über Einordnungen den Kopf zu machen. Die Musik, die sie zu allem hören ist Country/Folk oder Deep House. Wenn beides zusammen geht, dann ist es noch besser.

Prayer in C vereint alles das. Und schlägt genau deshalb ein wie ein Blitz. Gerade veröffentlicht und schon der ultimative Sommerhit. Sogar in einer Zeit, in der das gesamte öffentliche Leben scheinbar nur noch dem Gott Fußball huldigt, setzt sich dieser Titel durch, wird innerhalb von wenigen Tagen zum Nr.1-Hit und dreht all den bierernsten Deutschland-wird-Weltmeister-Fanatikern eine lange Nase.

Das ist das Schöne an Robin Schulz’ Remix von Prayer in C. Endlich mal etwas, das nicht gleich die Welt bedeutet.

Das Ganze lässt sich auch viel viel kritischer lesen. Lilly Wood & The Prick haben mit Prayer in C nämlich ein Lied über das Ende der Welt geschrieben. Darüber, dass Kinder verhungern, dass wir unweigerlich alt werden und darüber, dass sich die Menschen vermutlich selbst ausrotten. Und diese Fakten sind unverzeihlich. Lilly Wood & The Prick sind darüber zutiefst verzweifelt. Vielleicht haben sie schon aufgegeben – vielleicht haben sie noch Hoffnung. Angesichts der zarten Instrumentierung, der lieblichen Ummalung mit Flöten und Glöckchen, bleibt das Objekt von Spekulationen.



Robin Schulz nimmt diesen Abgesang auf die Welt wie sie existiert und macht daraus eine Party. Das könnte man zynisch nennen. Vielleicht ist es aber auch nur Verzweiflung. Eine Verzweiflung die sich keinen anderen Ausdruck mehr zu verschaffen vermag. Wieviel wurde in den letzten Jahrzehnten geschrien, geheult, protestiert, mit Bomben geworfen. Genutzt hat das alles nichts – die Welt wird weiter beherrscht von Habgier, Egoismus und Mißtrauen. Also kann man sich dem Ganzen auch entziehen, kann es ausblenden, sich eine eigene kleine Traumwelt bauen und wenigstens für den Moment glücklich sein.

Das funktioniert sogar richtig gut, denn man kann sich sagen: Sollte die Welt nicht schon in den 80ern untergehen? War in den 70ern nicht schon das Ende des Öls und die große Energiekrise in Sicht? Und? Die Welt existiert immer noch. Kein Atomschlag, keine Sintflut und auch (fast) kein mörderisches Massenabschlachten. Warum also all die apokalyptischen Hiobsnachrichten ernst nehmen? Warum immer die Welt retten? Dass kann man spätestens seit Tim Bendzko sowieso nur noch ironisch sagen. Also lasst uns feiern und genießt euch selbst.



In gewisser Weise hat das vor zwei Jahren DJ Wankelmut schon genauso gemacht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Robin Schulz mit seiner Produktion im breitesten Deep House-Mainstream-Fahrwasser fischt. Er riskiert gar nichts, er spielt einfach ein zweites Mal sein Erfolgsrezept durch. Hat bei Waves schon funktioniert und funktioniert hier wieder. Und das verursacht dann eben doch auch ein bisschen ein unangenehmes Gefühl. Meint Robin Schulz irgendetwas von dem was er da tut? Ist das Ganze nicht einfach eiskaltes Kalkül und klare Berechnung?

Könnte gut sein, dass Prayer in C eine ganz perfide Nummer ist: Tut völlig gleichgültig, selbstvergessen, selbstgenügsam – ist aber nichts anderes als sehr bewusst und ernsthaft eingefädelt, ganz genau auf den Markt abgestimmt, also das genaue Gegenteil von egal und hab-doch-einfach-Spaß.

Den mit sich selbst beschäftigten Nicht-Erwachsenen ist allerdings auch das völlig egal.




Freitag, 13. Juni 2014

KIESZA: Hideaway


Da haben wir also mal wieder einen kanadischen Act, der sich in die Ohren – und in diesem Fall wohl auch Tanzbeine – der Kontinentaleuropäer drängelt.

Obwohl das Land recht groß ist und auch einige Einwohner hat, ist die musikalische Ausbeute von dort scheinbar doch eher dünn. Vielleicht liegt dieser Eindruck auch ein wenig daran, dass hierzulande Kanada und die USA gern als ein kultureller Raum gesehen werden und die kanadische Eigenständigkeit gar nicht so bedeutend wahrgenommen wird. Für Kanadier in den USA ist das schon deutlich anders. Die sind dort nämlich erstmal eines: Ausländer.

Aber zurück zu den Gemeinsamkeiten. Mit dem Verweis darauf bin ich nämlich bei einem wesentlichen Merkmal von Hideaway. Der Track ist eingängig, infektiös, trifft den Nerv der Zeit – vor allem, weil hier sehr gekonnt ein paar Erfolgsrezepte angewandt und wiederverwertet wurden.

Schon beim ersten Hören habe ich Erinnerungen und vermute bewusst gesetzte Verweise auf einen Überflieger-Track der 90er: Show Me Love von Robin S. aus dem Jahr 1993.



Nun hat dieser Titel in den letzten Jahren immer wieder mal eine Renaissance erlebt, sei es als Grundlage für eine 1:1-Coverversion (Michael Mind Project) oder auch etwas indirekter benutzt für eigenständige Tracks (Kid Ink). Kluge Produzenten orientieren sich also an dem bekannten und erfolgreichen Klangbild, sind aber schlau genug, das Ganze dann doch ein bisschen weiter in die Eigenständigkeit zu treiben, bleiben aber hübsch im Groove der 90er, auch das House-Piano kommt noch mal zu Ehren (besonders in den zahlreichen Remix-Versionen ist das bis zum Abwinken ausgewalzt) … kann hier eigentlich noch was schief gehen?

Na klar, kann es. Es reicht selbstverständlich nicht einen auf 90er zu machen und schon funktioniert’s. Glücklicherweise sind da die Musikkonsumierenden doch schon etwas eigensinniger. Aber Kiesza hat da tatsächlich noch zwei Trümpfe im Ärmel. Zum einen nimmt sie den Grundsatz der 90er Clubmusik ernst und verzichtet auf zu viele Botschaften. “Ooh uh” sind Aussage genug, schließlich geht es hier auch um grundsätzliche Bedürfnisse: Tanzen und sich vergessen bis der Körper nicht mehr kann. Der Godfather der Chartkommentatoren höchstpersönlich, James Masterton, sah sich angesichts dieser Kompromisslosigkeit zu einer kleinen Lobeshymne veranlasst.

Trumpf Nummer 2 ist das von Kiesza mitgelieferte Video. Und da landen wir wieder beim Anfang dieses Textes. Denn wenn es ein Video in den letzten Monaten gab, welches für Aufsehen sorgte, dann war das der 24h-Happy-Rundumschlag von Pharrell Williams. Gedreht an einem Stück (oder zumindest so clever geschnitten, dass es aussieht als gäbe es nur eine einzige Kameraaufnahme), macht Kiesza genau das selbe und zieht mich mindestens genauso in den Bann.



Ich weiß gar nicht genau, was mich an dieser Art zu filmen immer noch so fasziniert. Ist es die Überstrapazierung der immer schneller geschnittenen Filme und Videos? – Ich freu mich eben auch mal über etwas gestalterische Ruhe. Oder ist es die Lust daran zu gucken, aus welchem Hauseingang und hinter welchem Container nun die nächste Person hervorspringt? Quasi das Ratespiel der Möglichkeiten. Oder ist es schlichtweg die Choreographie die hier gekonnt Gruppeneinlagen mit Pas de deux’s oder Solos kombiniert?

Ich denke ein wesentlicher Faktor ist die Inszenierung in der Realität. Was passiert wenn eine exaltiert tanzende Frau auf einer normalen Straße durch Bauarbeiter und Joggerinnen springt? Welche Reaktionen kann ich erwarten? Lässt sie sich von solchen Störungen und Zufällen aus dem Konzept bringen? Und ist das vorbeifahrende Auto nun bestellt oder Zufall?

An dieser Stelle eröffnen sich Parallelen zu dem, was aktuell in Musikvideos aus Deutschland zu beobachten ist, und das ich mal frech unter den Begriff “inszenierter Realismus” gepackt habe. Es geht um die Wirklichkeit, es geht um Authentizität. Aber das Ganze ist sehr bewusst und deutlich eben auch ein Stück Inszenierung und im besten Falle Kunst. Kunst die sich eben auch in der Wirklichkeit behauptet und kein bisschen Angst hat oder Rücksicht nimmt. Beides so deutlich nebeneinander zu stellen und aus der Diskrepanz heraus Spannung zu erzeugen, das find ich ein ganz schlaues Konzept.




Freitag, 6. Juni 2014

Mark Forster: Au Revoir


Jetzt ballern sie wirklich aus allen Rohren, die deutschen Singer-Songwriter. Was bei den Albumumsätzen die harten Rapper vormachen, das kriegen die Liedpoeten bei den Einzeltracks mindestens genauso gut hin. Massenumsätze und echte Hits.

Nunmehr auch in der Liga der massentauglichen Sänger angekommen ist Mark Forster. Angefangen hat er eher unscheinbar vorsichtig vor gut zwei Jahren, dann wurde er im vergangenen Herbst von Sido gefeatured und nun steht er mit eigenem Solo-Album gar nicht schlecht da. Besser noch: Au Revoir etabliert sich gerade als Lead-Single mit Ohrwurmcharakter.

Wie es sich gehört, darf hier Kumpel Sido nochmal mitmischen – sieht fast ein bisschen so aus, als hätten sich hier zwei gefunden. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich so ein bisschen mißtrauisch auf das Ganze schauen. Bei Sido weiß man ja nie so genau, was da jetzt wieder drin steckt bzw. raus kommt. Im Grunde könnte das ganz lustig sein, aber irgendwie landet mir das dann doch zu oft im Mittelmaßgejammere. Da hab’ ich jetzt ein bisschen Angst, dass sich Mark Forster auch nur als ein Spießer entpuppen könnte, der nur nichts ändern will. Am wenigsten sich selbst. Mit seinem Unschuldslamm-Blick könnte er gut und gerne bei jeder Schwiegermama-Kaffeetafel der Liebling werden.

Aber darauf hat er nicht so richtig Lust. Denn Au Revoir ist genau das Gegenteil, der Abgesang auf die vorgefertigte Langeweile in der Reihenhaussiedlung. Da geht es um die pure Lust am Leben, um die Angst irgendwas zu verpassen. Und das richtig gut. Vor allem weil es sich so schön konträr zu dem etabliert, was uns die unglaublich überpräsente Schlagertümelei als lebenswert verkaufen will.

Mark Forster hält nicht so viel von vorgefertigten Lebensschablonen. Ja klar, es gibt auch da das eine oder andere Klischee – davon sind wir letztlich alle nicht frei. Aber es gibt eben oft genug auch diese schöne Haltung: Mir doch egal, ich mach’s trotzdem anders.
Und weil das jetzt nicht der erste Titel in den letzten Monaten ist, der mehr oder weniger so ein Lebensgefühl transportiert und trotzdem erfolgreich ist, weil es so Menschen wie MARTERIA oder CRO ähnlich (und doch auch ganz anders) auf den Punkt bringen, hab’ ich mittlerweile nicht mehr so viel Angst um die derzeitige Jugend und die Zukunft dieser Welt. Es werden nicht nur die Xavier Naidoos und Helene Fischers übrig bleiben. Es gibt auch noch junge Menschen, die ihre eigenen Träume haben.

Für diese Einsicht möchte ich mich bei Mark Forster bedanken. Da verzeih’ ich ihm sogar, dass er sein Lied ganz schön pathetisch mit Orchesterviolinensound zugekleistert hat.