Freitag, 29. Januar 2016

Dua Lipa: Be The One



Dua Lipa wird ein bisschen als Geheimtipp gehandelt. in Deutschland schon seit dem Herbst – in ihrer Heimat Großbritannien spätestens seit Dezember, denn da stand sie zumindest als Nominee in der Empfehlungsliste Sound of 2016 der britischen Musikpresse.

Nun – das macht natürlich neugierig und so hab ich mir also die Dame angehört. Vor allem ihren Hit Be The One. Immer wieder. Und ich muss sagen: Ich weiß gar nicht, was hier so sensationell sein soll.

Also nicht falsch verstehen – ich bin hier zwar angetreten, um alles in der Luft zu zerfetzen, auch Dua Lipa. Muss ich aber gar nicht. Das ist ein Sound, der so hübsch in den Poptopf passt und das komplett bedient, das zerlegt sich quasi von selbst in der Normalität. Was war jetzt nochmal das Sensationelle daran?

Das ist Musik, wie wir sie von Years & Years (Gewinner der Umfrage für 2015) oder vielleicht auch Zara Larsson kennen. Mehr oder weniger. Unbeschwert, gern in 80er Synthesizer-Sounds wildernd – die Pet Shop Boys haben sicher ihre Freude dran – und in jedem Fall mitsingbar. Tagesschlager halt. So gut und so langweilig belanglos.

Das ist nichts Verbotenes. Aber auch nichts, was über den grünen Klee gelobt werden muss. Da haben die Musikkritiker in Britannien doch den Zwang zum immer Neu-Entdecken und Konsum-Antreiben schon ganz schön tief inhaliert. Na gut – am Ende ist Dua Lipa ja doch nur als Nominee durchgegangen, so richtig überzeugen konnte sie hier also nicht.

Auch bei ihren anderen Songs, die so auf soundcloud zu finden sind, geht es mir ähnlich. Da ist hin und wieder mal ein ganz hübscher Einfall dabei, aber es seicht alles ordentlich an der Oberfläche dahin. Das ist durchaus eine nette Oberfläche. So wie eine dieser nichtssagenden Schaufenstergestaltungen. Da will eine Sängerin vor allem erstmal gefällig sein.

So lässt sich Dua Lipa dann auch in ihrem Video inszenieren: 90er Jahre Kreisrund-Brille, Pelzjacke und ein Streifzug durch London. Da Dua Lipa gut aussieht, darf sie auch immer wieder sehr hübsch durch das Bild tanzen, ein paar Licht-Reflexionen... das war's.



Wenn man dann wirklich mal einen Song erwischt, der nicht so pop-elektronisch überproduziert wurde, dann kann man entdecken: da ist wirklich eine markante Stimme im Einsatz. Aber – da fehlt noch Lebenserfahrung, Lust am Eigenen und vermutlich auch das eine oder andere Experiment. Da weiß ich jetzt gar nicht genau, ob ich es gut finde, dass sie mit solchem Durchschnittskram schon zu Erfolg kommt.

Mein Tipp für 2016 bleibt die Nummer 2 der "Sound of 2016"-Liste Alessia Cara. Die ist genauso alt wie Dua Lipa und trotzdem schon um einiges markanter.

Freitag, 22. Januar 2016

The Weeknd: The Hills



Während sich in den deutschen Hitlisten nicht allzu viel Neues tut – ok, Adele ist nicht mehr Nr.1, aber ihre Nachfolger lümmeln auch schon eine ganze Weile als Hits herum – während sich also der deutsche Musikmarkt ausruht, nutze ich die Gelegenheit und schaue mir einfach mal einen Mann an, den ich für einen der aufregendsten Künstler des Moments halte: The Weeknd.

Auch wenn ihm der ganz ganz große Hitstatus hierzulande noch verwehrt bleibt, seine Single The Hills spielt mit Platz 14 immer noch eine wichtige Rolle beim Verkauf. und das mehr als ein halbes Jahr nach Veröffentlichung.

The Weeknd zu mögen ist nicht unbedingt einfach. Zu dreckig, verstörend, obszön ist das, was er da singt. Der eine oder andere seiner Titel könnte musikalisch vielleicht noch als Untervariante von Soul oder R'n'B durchgehen – durchaus mit Pop-Charakter wie bei Earned It – aber spätestens, wenn man den Text mitbekommt, ist es aus mit der Beschaulichkeit. Dann wird es nämlich ernst und wir blicken in die Abgründe der menschlichen Lüste und Gefühlswelten. Da muss man schon ziemlich heutig verortet sein und nicht gerade die Landhausidylle leben, um daran Spaß zu finden.

The Hills beispielsweise beschreibt ziemlich schonungslos das zerstörerische Begehren, die Sucht nach dem Verbotenen, dem umso Attraktiveren – ein Gemisch aus Drogenrausch, Trance, Sucht, Verlangen immer mit dem Wissen um den bevorstehenden und stets drohenden Absturz und Entzug. Der das Ganze ja überhaupt erst so intensiv macht. "No risk no fun." wäre in den 90ern wahrscheinlich der Spruch dazu gewesen. 2015 klingt das viel zu harmlos für den Wahnsinn und die Verzweiflung, mit der da nach dem Kick gesucht wird.

Musikalisch garniert ist dieser Psycho-Ausflug mit einer verrückten Mischung aus diversesten Stilen und Sub-Genres. Wäre The Hills möglich ohne die Crossover-Experimente in den 2000ern? Ohne das neue, verstörende Aufleben von TripHop? Ohne Trap?
Rhythmuswechsel, harte Unterbrechungen in der Art zu singen, verstörende Geräusche, das sind die Mittel dieses Songs. Das fängt bereits mit den Eingangsakkorden an: Das soll Musik sein? Sogar ein Single-Hit? Das klingt alles eher nach Alptraum.

Offenbar ist es ein sehr faszinierender und einnehmender Alptraum. Auch wenn wir schon längst am Ende sind, den Crash gerade so überlebt haben, geht es doch immer weiter. Halbtot, aber lebendig; gerade noch fähig zu laufen, trotzdem immer weiter in die selbe Richtung, von einem Desaster in das nächste. Nach dem Rausch kommt der kalte Entzug, die nächste Grenzerfahrung, der nächste Horror.

Die Videobilder erzählen das entgegen der gerade herrschenden Geschwindigkeitshysterie mit unglaublicher Langsamkeit und Statik. Der Autocrash, der langsam in der Abenddämmerung versinkt, die Straße, die zum nicht enden wollenden Tunnel gerät. Und mitten drin der geschundene Abel Tesfaye.



Obwohl kaum etwas passiert in diesem Video, ist es trotzdem nicht weniger drastisch. Die Straßenaufnehmen allein würden vielleicht schon reichen, aber Leute, wir leben im 21. Jahrhundert, deshalb wechselt zum Ende die Szenerie noch mal komplett und wir befinden uns endgültig in der kranken Welt von David Lynch. So ähnlich, nicht ganz so mysteriös aufgeladen, hat das BOOTS bereits 2014 mit Mercy durchgespielt.



Natürlich kann man beides kaum miteinander vergleichen. Und trotzdem lassen sich ein paar Parallelen aufspüren, die uns vielleicht etwas über unsere Welt erzählen. Kann sein, dass The Weeknd/BOOTS den sicheren Weg ins Chaos beschreiben, den Verlust von allen möglichen Normen, Verabredungen und Sicherheiten. Kann sein, dass das verunsichert. Kann allerdings auch die konsequente Entsprechung und der einzig mögliche Umgang sein, mit der uns umgebenden Komplexität. Wenn wir die schon nicht beherrschen können, wenn um uns rum sowieso gar nichts mehr mit Sicherheit echt ist, dann lass uns wenigstens den Schritt wagen uns als menschliche Wesen zu vergewissern, unsere Fehlerhaftigkeit und unsere Endlichkeit zu spüren. Das hat zumindest den Anschein von Selbstbestimmtheit.

Freitag, 15. Januar 2016

DJ Ötzi und Nik P.: Geboren um dich zu lieben



Sie haben bereits den meistverkauften Schlager aller Zeiten geliefert. Sie sind also quasi unsterblich. Selbst Helene Fischer steht da ein bisschen blass daneben. Und nun tun sie es also wieder. Denn dass in den letzten zwei drei Jahren ein Jungspund wie Andreas Gabalier plötzlich der beliebteste und erfolgreichste, österreichische Schlagerdepp sein soll, das geht nun wirklich nicht. Also haben sich DJ Ötzi und Nik P. wieder zusammengesellt und einen Hit aufgenommen. Und als hätte die gesamte Nation nur darauf gewartet, ist dieses Ding ein Erfolg. Wieso denn das nur?

Denn Geboren um dich zu lieben ist ja nichtmal ein kleines bisschen Pop. Wo das doch das Erfolgsrezept der letzten Jahre war. Von Helene Fischer über Andreas Gabalier bis Glasperlenspiel haben sie doch alle auch immer auf fluffige Party-Produktion gemacht, ein bisschen versteckt, dass es sich um biederen und einfältigen Schlager handelt. Das wollte immer auch ein bisschen cool aussehen.

Das wollen DJ Ötzi und Nik P. auf gar keinen Fall. Sie klingen nach ganz schlimmer 80er Jahre Schlagerproduktion. Selbst Discofox ist ihnen zu modern. Und sie machen das schon mit ihrem Namen auf dem Cover klar. Da steht DJ Ötzi und Nik P. – nicht Featured oder & oder + oder irgendetwas was ein bisschen jünger aussehen könnte.

Die beiden zielen ganz klar auf das Rentnerpublikum 70+ ab. Und das erreichen sie definitiv. Dann braucht es nur noch einen Auftritt bei Florian Silbereisen und schon gibt es kein Halten mehr.

Damit da nirgendwo auch nur der leiseste Zweifel aufkommt, dass es sich hier wirklich um ein ganz konservatives und altmodisches Stückchen Akustikbrei handelt, schieben sie gleich noch ein bräsiges Video hinterher. Zurück in den Schoß der Familie heißt es da. Ein sehr beliebtes Thema gerade. EDEKA hat's mit seinem Spot zelebriert, DieLochis feiern es ein bisschen klamaukiger, aber nicht weniger überzeugt. Das Blut ist das einzig Wahre, das uns zusammenhält, Zufriedenheit und Frieden verspricht.



Das ist der neue deutsche Konsens. Passt hervorragend in die aktuelle Nachrichtenlage. Schrei nach Liebe war gestern – heute ist: Meine Frau, mein Haus, mein Auto, mein Land. Krass, wie schnell das geht. Und auch wieder nicht überraschend, denn eigentlich war dieser ganze Familienblut-und-Boden-Zauber nie weg.

Freitag, 8. Januar 2016

Lukas Graham: 7 Years



Da gibt es also gerade eine Band aus Dänemark, die es wirklich schafft Musik aus dem kleinen Land auch in Deutschland populär zu machen. Das passiert nicht so oft. Vielleicht mal, nach einem Eurovision-Sieg, wie vor drei Jahren mit Emmelie de Forest – aber das hat irgendwie den Geruch von Casting-Star. Aura Dione? – War eigentlich zu international produziert um für so etwas wie Danske Musik zu stehen. Ich erinner mich gerade noch an Alphabeat ... das ist echt schon lange her.

Nun also: Lukas Graham.

Und was erzählen uns diese dänischen Jungs? – In 7 Years geht es reichlich autobiographisch zu. Gern auch ein bisschen melancholisch angehaucht. Sänger Lukas Forchhammer erzählt uns von den guten Ratschlägen seiner Mutter und seines Vaters, von seiner Band und davon, wie er in 30 Jahren auf sein Leben blicken wird, mit 1-2-3-4 Kindern, die ihm Liebe und Wärme zurückgeben. Familienglück als Lebensziel. Uiuiui...

OK - über seine Boys in der Band singt er auch ein bisschen. Da ist also nicht nur das Einfamilienhaus, da ist auch ein bisschen lebenslange Freundschaft. Menschen mit denen du – ohne wählen zu können – in eine Klasse oder in eine Nachbarschaft geworfen wurdest, gehören zu deinem Leben dazu, ob du nun willst oder nicht. Am Ende formen die gemeinsamen Erlebnisse die Gemeinschaft. Und wahrscheinlich auch die Einstellungen und Werte.

Diese Träume, diese vorgezeichneten Wege geben Sicherheit. Die europäische Jugend ist zu großen Teilen offenbar ordentlich verunsichert. Sie sucht Halt, Orientierung, Werte an denen man sich festhalten kann und die einem zeigen wo es lang geht. Ein bisschen schade finde ich, dass dabei so wenig Vertrauen in die Kraft und das Vermögen des Einzelnen gesetzt wird, in die Lust, auch mal einen anderen Weg zu gehen, auszuprobieren, sich vielleicht auch mal dem Unbekannten auszusetzen. Inspiration von außen? Lieber nicht.

So traditionell das textliche Weltbild daher kommt, so erwartbar und wertebewusst der Sound. Indie-Jungsband at its best. Hier ein bisschen romantisch verklärt mit Glöckchensound und Akustik-Piano. Und an den dramaturgischen Knackpunkten ("Soon I'll be 60 years old") mit breiten Streichern unterlegt. Da kann ich gut mein Feuerzeug in die Luft halten, ins Schunkelwogen verfallen und mitsingen.

Dazu ein Video aus Erinnerungsfotos: Kindheit, Jugend, Erwachsensein, Konzertauftritte … sehr privat und trotzdem irgendwie austauschbar. Hat nicht jeder solche Fotos in irgendeiner Kiste oder Festplatte liegen? Immerhin – schön perspektivisch in einer Endlos-Collage zusammengefügt.



Was mich abhält, dieses Lied zu mögen, ist die Normalität und Durchschnittlichkeit des Ganzen. Das bietet natürlich Anknüpfungspunkte für ganz ganz viele. Das, was Lukas Graham da singen, ist die Wirklichkeit für viele. – Aber nicht für alle. Ich glaub, das Leben ist bunter, vielfältiger und unberechenbarer. Sich einfach Freunde suchen, um nicht einsam zu sein, wie es Lukas' Mutter empfiehlt, reicht nicht.

Freitag, 1. Januar 2016

Shawn Mendes: Stitches

Und noch ein kanadischer Teenie, der die Mädchen in Verzückung versetzt. Sein Name: Shawn Mendes.

Einmal mehr ist es die Legende vom Internet-Star, der seine Coverversionen auf diversen Plattformen veröffentlicht, so eine Fangemeinde findet und schließlich seine eigenen Songs erfolgreich vertreiben kann. Der Traum schlechthin in der digital vernetzten Welt. Und da sich ja nun schon eine ganze Reihe von Acts so etablieren konnten, reißen die hochgeladenen Aufnahmen und Videos auch nicht ab. Weshalb besonders beliebte Melodien irgendwie schon Allgemeingut geworden sind, ehe man sie auch nur im Original zu Gehör bekam.

Etwa so ist es auch bei Stitches, dem Titel, mit welchem Shawn Mendes es gerade in der westlichen Welt zu ordentlichen Umsatzzahlen bringt. Kelly Marie aus Ohio hat genauso ihre Version hochgeladen wie Åke Knudson aus Jonköping. Mit etwas Glück erwischt man tatsächlich auch eine Version, die etwas Eigenes hat und sich angenehm von der Vorlage abhebt, eine neue Farbe hinzufügt und so vielleicht wirklich im Ohr hängen bleibt. Bei Alessia Cara und ihrem Portishead-Remake Here war das gerade vor wenigen Wochen ganz eindrucksvoll zu erleben. Bei Shawn Mendes ist mir dagegen noch kein Cover mit eigener Seele untergekommen.

Ich weiß nicht, ob das an der einmaligen Interpretation des jungen Kanadiers liegt. Oder tatsächlich lediglich an der Uninspiriertheit der Karaoke-Liebhaber*innen. Zumindest hat der 17-jährige stimmlich schon einigen Charakter mehr vorzuweisen als sein Vorgänger Justin Bieber (gut, der hat ja auch noch viel früher angefangen mit dem Singen als Idol).
Das passt dann ganz gut zu dem Text über Verletzungen und Gefühlsschmerz, den Shawn Mendes tatsächlich so singt, als hätte er ihn selbst geschrieben.

Dazu passend eine reduzierte Instrumentierung mit Akustik-Gitarre, Rhythmus-Claps und ein bisschen Background-Chor als Boden oder Gerüst. Was mich dann aber doch irritiert ist die sehr funkige Rhythmus-Orientierung. Kriege ich mit dieser fast schon tanzbaren Nummer meine Narben besser zum Heilen? Ist das der Tanz der Verzweiflung?
Oder sind wir hier Zeuge einer starken Zuversicht: auch wenn es jetzt so scheint, als würde ich ohne dich nicht leben können - ich werde es überleben, es gibt Erste Hilfe für das Herz und auch die tiefste Wunde kann heilen.

Da würden die Bilder aus dem Video ganz gut passen: auch wenn mich ein Schlag zu Boden streckt, ich stehe doch wieder auf.

Oder ist es sogar noch anders: Ich feiere, dass ich dich gefunden habe, auch wenn ich weiß, dass es früher oder später zu Ende gehen wird. Irgendwo gibt es auch dafür ein Pflaster.

Wow - das wäre mal ein souveräner und sehr eigener Zugang. Vielleicht fast schon zu abgeklärt, vielleicht auch ziemlich nahe dran am Superheroismus, der ja auch nicht nur toll ist. Aber irgendwie würde mir das schon gefallen. Klingt nämlich enorm zeitgemäß – und lässt trotzdem genügend Raum die superromantischen Momente zu genießen.

Also lasse ich mich von der flauschig-eingängigen Melodie einnehmen und bin gar nicht böse drüber, wenn diese uns in den nächsten Wochen immer wieder begleiten wird. Ein Popsong für das Jahr 2016.



PS: Natürlich weiß ich, dass der Erfolg von Teenie-Stars sehr oft nicht unbedingt was mit dem interpretierten Songmaterial zu tn hat. An dieser Stelle bin ich aber definitiv raus – ich frag mal in unserer Kindergruppe nach, was so toll an Shawn Mendes ist :-)