Freitag, 27. Mai 2016

KUnGS vs. Cookin' On 3 Burners: This Girl



Alle Welt schwadroniert gerade über die neue Generation Sorglos. Das sind die, welche relativ sicher in Frieden, Demokratie und sozialer Absicherung aufgewachsen sind, die in Erwartung ziemlich großer Erbschaften sind (dafür aber vermutlich keine Rente mehr erhalten werden). Die sich Fahrräder leisten zu Preisen, welche früher für abgelegte Gebrauchtwagen bezahlt wurden. Die sich zwar um alle möglichen Abstufungen von Bio oder Vegan kümmern, aber so richtig politisch nicht mehr sein können. Ja nun – hier kommt dann also der nächste Hit genau dieser Jugend/Generation.

Und er wiederholt alles das, was ich schon seit zwei oder drei Jahren immer wieder hier beobachte: sorgloser Zeitvertreib im DeepHouse-Gewand mit melancholischem Unterton. Hier dann aber doch etwas trickreicher angewandt, so wie es auch The Avener oder Feder schon vorgemacht haben. Da ist also eine französische Szene ganz gut unterwegs und hat sich von den eher durchschnittlichen Wegbereitern à la Klingande oder Faul & Ad Wad sehr schön abgesetzt.

Das, was KUnGS anders macht, ist der noch beherztere Griff in die Zitatenkiste. Für diese gerade stark beobachtete Generation ist ja Geschichte erstmal nichts weiter als ein freudvolles Surfen durch die spotify-Bibliothek – das Jahr, der Kontext spielen gar keine Rolle mehr. Und so kombiniert KUnGS das Original der australischen Funk-Band Cookin' On 3 Burners mit Versatzstücken aus Martin Solveigs Intoxicated und schon haben wir einen locker flockigen Hit, der auf der Homeparty gut nach LunchMoney Lewis' Bills laufen kann. Funky, irgendwie ein bisschen retro und dann doch ganz gut tanzbar. Auch das etwas, das ich nicht unter alle DeepHouse-Tracks schreiben würde.

Verglichen mit dem Original aus dem Jahr 2009 wurde This Girl so tatsächlich in die Jetzt-Zeit transportiert. Das Funksoul-Stück stand bislang nämlich ordentlich zeitlos da, hätte getrost so auch in den 60ern eingespielt sein können – und fand genau deshalb nicht den Weg in den Mainstream. Das ist nun anders.

Was dem Musikstück ganz gut tut, das ist für meine Begriffe bei der visuellen Inszenierung durch Matt Larson eher daneben gegangen. Ein junges Teenie-Paar verbringt einen schönen Tag mit Neckereien und Lazyness am Meer. Sei Ihnen gegönnt, diese Privatheit in der Natur. Wer sich allerdings nur ein ganz klein wenig umschaut in unserer Welt, für den/die sind solche Bilder nicht mehr unbelastet – wenn sie überhaupt noch möglich sind. Da sind Rikkard und Tobias Häggbom bei Faded von Alan Walker wesentlich konsequenter und ehrlicher. Sie inszenieren auch noch Träume und Wunschvorstellungen, sagen aber gleichzeitig, dass es mit dem einfachen, privaten Glück eben nicht so einfach ist. Das finde ich für unsere Zeit richtiger und besser.

Link zum Video auf VEVO.tv

Freitag, 20. Mai 2016

JT: Can't Stop The Feeling


Und das hier ist definitiv die Fortsetzung von Happy. In jeder Hinsicht.

Und es ist der Song, mit dem sich Justin Timberlake definitiv in die Liga der Pop-Superstars spielt, die auch über ihre Gegenwart hinaus Bedeutung haben könnten. In dem Bereich ist ja durch einige Todesfälle auch etwas Platz geworden – hier kommt Nachrücker Nummer 1.

Nachdem Justin Timberlake vor drei Jahren fleißig daran mitgewirkt hat, dass Funk wieder zu einem relevanten Einfluss und Stil im Mainstream-Pop geworden ist, dreht er mit Can't Stop The Feeling das Ganze noch ein Stück weiter. Das ist nicht einfach nur funky, sondern tatsächlich sofort im Ohr und in den Beinen – gute Laune auf Knopfdruck.

So wie Pharrell Williams vor zwei Jahren dieses überschwengliche Gefühl besang und gleichzeitig transportierte, so bekommt das auch Justin Timberlake im Jahr 2016 hin. Und ein bisschen bin ich auch überrascht, wie zeitgemäß dann doch so ein klassisches Arrangement klingen kann. Es gibt sie also, die Werte und Stilmittel, welche länger Gültigkeit haben.

Noch eine Parallele zu Happy und damit gleichzeitig der Unterschied zu den 70ern etc.: Das Video. Hier tanzt der Durchschnittsbürger. Alt, jung, schwarz, weiß, angestellt, herumhängend, dick, schlank, durchtrainiert, modisch, zeitlos, runtergekommen … Das war zwar auch schon die Idee für den Funk vor 50 Jahren, aber da wurde die Gleichheit vor allem in einem ganz bestimmten Kosmos hineintransportiert: den Club, die Disco. Dort war der Gegenentwurf zur Realität, dort konnten alle gleich sein und Spaß haben.

Heute ist das also ein bisschen anders – die westliche Gesellschaft ist insgesamt toleranter und offenere geworden. Es ist eben nichts Besonderes mehr, als schwarzer Arbeiter um die 60 neben der jungen, gutaussehenden Weißen im Fernsehen aufzutauchen. Fast jedenfalls.
Denn so schön diese Idee von Justin Timberlake ist, ein bisschen bleibt es auch ein Märchen. Die sozialen Unterschiede nehmen seit einigen Jahren wieder drastisch zu. Und so geschieht es mit den Abstiegsängsten und der Aggressivität allem Andersartigen gegenüber.

Also lese ich dieses Lied und dieses Video auch als einen Aufruf: So einfach kann es sein. So simpel und doch mitreißend. Lasst euch nicht das Leben vermiesen, glaubt an euch und das Miteinander. Und tanzt!


Für alle, die nicht so sehr auf youtube/goolge und deren Geschäftsgebarenstehen stehen, hier auch der Link zum Video auf VEVO

Warum ich alles das Justin Timberlake sogar abkaufe?
Weil seine Auftritte zwar bis ins Letzte durchinszeniert aber in keinem Moment übersteigert, gekünstelt oder abgehoben wirken. Da wo sich Pharrell dann doch als männliche Mode-Ikone hochstilisiert, da ist Herr Timberlake einfach völlig durchschnittlich. Schick angezogen – ok, die Choreographie stimmt auch, aber irgendwie könnte er eben auch der Nachbar aus dem Haus gegenüber sein. Wer es nicht glaubt, guckt sich am besten mal das "First Listen"-Video zu Can't Stop The Feeling an. Da tanzt der Mann mit der Filmcrew von Trolls im Studio als wäre es das Normalste auf der Welt. (Isses ja eigentlich auch, bloß weil einer Popstar ist, heißt das ja nicht, dass er nicht auch ein ganz normaler Mensch ist - oder sein könnte.)

Noch einen Beweis? – Die 1:30 min als Justin Timberlake im "Green Room" der Eurovision-Show auftrat. Ganz selbstverständlich, ohne Allüren und voller Respekt vor seinen Kolleg*innen.



Bei allen Überraschungen, politischen Gemengelagen, Bombast-Inszenierungen und auch hübschen Einfällen was das vermutlich einer der ehrlichsten und am meisten überzeugenden Momente des Abends.

Freitag, 13. Mai 2016

Prince Damien: Glücksmoment



So werden heute also Hits erzeugt. Oder sagen wir schnelle Nr.1-Blitze. Denn sehr viel mehr dürfte der Gewinner der jüngsten Staffel von Deutschland sucht den Superstar Prince Damien auch dieses Mal nicht erreichen. Immerhin, nach dem desaströsen Einspielergebnis von 2015 (gerade mal Platz 10 für den Gewinner, der dann gleich einen Prozess wegen Betrugs am Hals hatte) bringt es die Show nun wieder zu einem direkten Nr.1-Einstieg. Allerdings ist an den aktuellen Download-Listen von iTunes schon jetzt abzulesen, dass dem Titel bereits mächtig die Puste ausgeht.

Das ist auch nicht direkt verwunderlich. Denn der Song ist genau das – schnell zusammengezimmert aus den Erfolgsrezepten der letzten Monaten und bricht schon beim zweiten Blick völlig in sich zusammen. Dieter Bohlen hat in diesem Jahr mal wieder auf einen deutschsprachigen Sound gesetzt, der ordentlich an der Schlagergrenze entlangsegelt. Im Hintergrund sind – zumindest in der etwas poppigeren Version von Prince Damien – vorsichtige Deephouse-Anleihen zu vernehmen und die Bühneninszenierung ist eine fast 1:1-Übernahme der letztjährigen Eurovision-Gewinner-Performance von Mans Zelmerlöws Heroes.

Hier nochmal zum vergleichen:


Und hier das nicht einbindbare Video des Auftritts von Prince Damien.

Im direkten Vergleich der beiden Videos wird offensichtlich, was die Unterschiede sind. Bei Prince Damien wird nicht mal ansatzweise darüber nachgedacht, was zu ihm, seinem Stil zu singen und zu performen passt. Ihm wird etwas hingeknallt und das hat er zu erfüllen. Funktioniert nur mäßig. Nicht dass ich seinen X-Factor-Song Easy Breezy aus dem letzten Jahr für besonders grandios halte, wenigstens kann man hier aber sagen: das entspricht dem jungen Sänger.

Um Individualität und etwas Besonderes geht es also bei DSDS nicht – das ist eine ziemlich bekannte Erkenntnis. Um wirklich durchschlagende Hits, die uns einen Sommer lang begleiten geht es sowieso nicht. Sonst wäre die Veröffentlichungspolitik (siehe oben: wo ist welches Video wie abrufbar?) nicht so rigoros und einschränkend. Vielleicht sinds die Einschaltquoten? – Naja, auch da ist die 2016er Staffel nicht unbedingt der Bringer. Mit 3,6 Millionen Zuschauern liegt die finale Show bei einem Fünftel des Ergebnisses aus dem Jahr 2003.

Gut, 3,6 Millionen Teenies, die sich auch ziemlich teure Karten leisten um live bei der Show dabei zu sein ... das ist schon mal was. Die Zielgruppe ist also sehr viel kleiner und eingegrenzter geworden. Und da funktioniert das Modell tatsächlich noch. Wird es vermutlich auch noch eine Weile, denn junge Menschen in der Pubertät sind anders begeisterungsfähig als Menschen mit etwas Erfahrung.

Fazit: Superstar Nummer 13 – merkt euch diesen Namen nicht. Und den Titel ... wie war der doch gleich? Schade ist es allerhöchstens um die jungen Talente, die ernsthaft darauf hoffen mit der Teilnahme ein Stück Karriere machen zu können (oder wenigstens Erfahrungen zu sammeln). Denn selbst so ein Kinderkopf wie Prince Damien hat schon eine ganze Menge Erfahrung auf der Bühne (von solchen Typen wie Thomas Katrozan mal ganz zu schweigen), wird aber durch die Teilnahme an DSDS mit seinem unterdurchschnittlichen Qualitätsanspruch eher versaut, als dass vorhandene Ansätze gefördert würden. Schade.

PS: Hört man sich die Version von Thomas Katrozan an, dann spürt man, was aus dem Song auch rauszuholen gewesen wäre – aber dazu braucht man eben schon eine ganze Menge Erfahrung und Rückgrat. Die kann Prince Damien in der DSDS-Maschinerie logischerweise noch nicht haben.

Freitag, 6. Mai 2016

Calvin Harris // Rihanna: This Is What You Came For



In der wöchentlichen Chartauswertung mischt aktuell ein Duett ordentlich den Laden auf: Calvin Harris in Kombination mit Rihanna. Das ist durchaus ein Aufmerken wert, denn in den vergangenen Jahren haben sich die deutschen Single-Charts ordentlich beruhigt. Klar gibt es immer noch diese Hits, die mit ordentlich medialem Aufwand von 0 auf 1 springen – die Frequenz dieser Ereignisse ist aber deutlich zurück gegangen. Drei- bis viermal pro Jahr lässt sich so etwas derzeit beobachten. Und auch sonst geht es eher zurückhaltend zu. Wenn sich mal ein Titel ganz weit oben platziert, dann passiert es gar nicht so selten und er verweilt dort wochen- bis monatelang. Spannende neue Produktionen gibt es durchaus auch, allerdings brauchen diese derzeit mindestens einen Monat um wirklich ganz oben anzukommen. Das entspricht ziemlich genau den Charts bis weit in die 80er hinein: neue Titel erobern zunächst ein paar Vorreiter, setzen sich langsam durch und sind dann ganz gern in aller Ohren.

Spannend ist es zu beobachten, dass in den Album-Charts derzeit genau der entgegengesetzte Trend vorherrscht. Neues Album – zack: Platz 1 – und in der nächsten Woche schon fast nicht mehr interessant. Es sei denn, es ist der neue Silberling von Helene Fischer...

Zurück zu den einzelnen Songs und dem, was in dieser Woche mit einem Charteinstieg auf Platz 6 auf sich aufmerksam macht: This Is What You Came For. Der Track hat eine Menge Rückenwind – immerhin sind es zwei Mainstream-Schwergewichte, die da erneut gemeinsam in den Ring gestiegen sind. Rihanna – die trotz kompletter Neuerfindung in diesem Winter immer noch als Pop-Königin gefeiert werden darf. Und Calvin Harris – hinter AVICII und David Guetta die Nummer 3 der internationalen Super-DJs. Bei dieser Kombination greifen dann auch schon mal nicht ganz so hitparaden-affine Menschen blind zu. Kann ja eigentlich nichts schief gehen. Die haben beide schon so oft bewiesen, dass sie radiotaugliche Hits fabrizieren können, das ist eine sichere Nummer.

Und genau so stimmt das dann auch. This Is What You Came For liefert nichts Neues oder Überraschendes. Das ist ein DancePopSong direkt von der Konfektionsstange – da kann man sich fast schon fragen, wo denn hier eigentlich das kreative Potenzial sein soll, das ja irgendwie bei einem neuen Musikstück zumindest ansatzweise zu finden sein sollte.

Das ungewöhnlichste ist hier höchstens, dass Rihannas Gesang doch recht ordentlich zerhackt wird. Allerdings immer noch recht sanft, wenn man mal dagegen das anschaut, was auf ihrem Anti-Album so präsentiert wird oder was ihre letzte Single Needed Me macht. Da war Mr. Harris also eher zurückhaltend – aber auch das ist ja eine Tendenz, die ich bei ihm schon eine kleine Weile beobachte.

Diese Zusammenarbeit ist also nicht der Meilenstein und hat so gar nichts mit dem zu tun, was andere gerade so ausprobieren. Ich empfehle hier einfach mal in das neue Album von Beyoncé reinzuhören – da passiert derartig viel an Dekonstruktion und Minimalismus, da weiß ich gar nicht mehr, ob das noch R'n'B ist. Und wenn ich dann This Is What You Came For in der Reggae-House-Version von Lea Beiley höre, dann habe ich die Vermutung, dass Calvin Harris vermutlich nicht zu den Produzenten gehören wird, die uns in den 2020ern begleiten wird. Rihanna könnte dagegen noch fleißig mitspielen, zumindest wenn sie so experimentierfreudig bleibt, wie in den vergangenen Monaten.