Freitag, 20. Juli 2018

Dynoro & Gigi D'Agostino:
In My mind



Es gibt ein paar ganz sentimentale und nostalgische Gründe, warum die Tracks von Gigi D'Agostino in meiner All times dearest Liste ganz oben rangieren. Der Sound der beginnenden 2000er, voll mit Selbstverliebtheit, Glück und Freiheit. Wir brauchten nicht viel mehr als einen ordentlich knallenden Beat und einen dunklen Club am Sonntagvormittag. OK - für sehr viele ging es da auch schon nur noch ums pure Geldverschleudern. Unschuldig war die Dancezene Anfang der 2000er ganz sicher nicht mehr. Auch musikalisch ist der Sound sicher nicht das, was unter besonders qualitativer Musik zusammengefasst wird - es genügte dem Moment und war darin ziemlich geradlinig. Das war ungefähr die Stärke von Gigi D'Agostino: arrogant und kaltschnäuzig genug, um sich einen Dreck zu scheren um Anwürfe des Feuilletons oder tiefsinniger SingerSongwriter. Jeden Abend eine Party und jede Menge Selbstgenuss.

Insofern wunderte es mich nicht, dass nach einzwei erfolgreichen Jahren dieser DJ und Produzent auch gleich wieder in seiner Nische verschwand. Dass mehr als 15 Jahren ein junger litauischer DJ die Hookline von L'amour toujours wieder ausgräbt und mit einem anderen Technotrack zusammenschmeißt, das finde ich allerdings mehr als überraschend.

Der junge Mann gehört eher zur Generation RiesenRave à la Tomorrowland und hat sich den Track In My Mind geschnappt, der schon einige Zeit zu dem Festival gehört. Sinnvollerweise hat der die allzu geschranzten Parts rausgehauen und dann in die Musikdatenbank gegriffen um Herrn D'Agostinos Melodie in das Ganze hineinzumashen. Tatsächlich eine gut passende Mischung, die bereits zu Jahresbeginn in den sozialen Netzwerken ordentlich einschlug.

Spannend war dann vor allem der Moment, als Österreich offiziell Platz 29 für den Track meldete und plötzlich sämtliche Downloads gesperrt waren. Da gab es nämlich ein Urheberrechtsproblem. Oder ging es eher um Eitelkeiten? - Wiederveröffentlicht wurde der Track nämlich vier Monate später mit dem zusätzlichen Credit des italienischen DJs, obwohl dieser an der Produktion selbst nicht beteiligt ist. Hat einfach ein Stück Signature-Hookline geschrieben.

Wie kurios diese Konstellation ist wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Urheber der eigentlichen Titelzeile und -Melodie nicht als Interpreten genannt werden. Die stehen maximal im Kleingedruckten als Autoren. Ist durchaus eindrucksvoll, zu sehen, dass Personen mit größerer Bekanntheit offenbar auch mehr (Urheber)Rechte haben. Ist so ähnlich wie bei Disney, das sich als Mediengigant alles sichern kann (und das auch verteidigt), während der kleine Soundbastler aus Buxtehude mal schnell den Anwalt vor der Haustür hat und lieber gleich alles an eigener Kreativität verleugnet.

Nun gut - In My Mind hat sich zum Sommerhit entwickelt. Passt ja auch ganz gut in das allerorten zelebrierte 90er Jahre Revival. Wobei ich mir zunächst nicht sicher war, ob es bei diesem Track wirklich um die Erinnerung an die Kindheit geht.

Doch das was Dynoro da hinlegt ist ernsthaft sentimental. Ein Text, der eine verträumt-unwirkliche Sehnsucht beschreibt: Gedankengespinst, Wunschvorstellung - da kommen die Sommertänzer her. Und alles worauf sie warten ist allumfassende Liebe und Träume. Wenn das nicht alte Love Parade-Glücksgefühle hervorrufen soll! (Die Dynoro dank seines Alters maximal von den Berichten seiner Eltern oder aus Videoaufzeichnungen kennt.) Also doch ein Retro-Track an eine nicht erlebte Vergangenheit. Trifft ziemlich gut den Zeitgeist, der sich nach vermeintlich besseren, ruhigeren, schöneren und sicheren Zeiten sehnt. Und völlig negiert, dass auch 1999 nicht einfach nur Party war. Auch wenn wir das gern so hätten. Für einen Sommer mag das trotzdem reichen.

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