Freitag, 6. Juli 2018

El Profesor: Bella Ciao - Hugel remix



Da schafft es also ein Partisanenlied aus dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 2018 zu Hitstatus. Na gut, da es zu so etwas wie dem kulturellen Erbe in Mittel- und Westeuropa gehört, war es vermutlich schon vorher ein Sleeping Hit - um im Popbusiness-Sprech zu bleiben. Ich kann mich erinnern, dass ich als Heranwachsender durchaus begeistert von dem Lied war. Dass der Text eigentlich auch echt dämliche Seiten hat – nämlich: opfer dich auf für den Kampf um das Gute und für Andere – das hab ich dann später erst mitgekriegt. Und tatsächlich können wir uns hervorragend darüber streiten, ab wann es sinnvoll ist sein Leben zu geben und einzig dafür zu sterben, dass Nachgeborene einem gedenken. Die Nähe zum Radikalismus und Terrorsimus liegt auf der Hand. Allein deshalb find ich es durchaus schwierig, dieses Lied so ohne Weiteres zu benutzen oder attraktiv zu machen.

Aber natürlich leben alle möglichen Heldenerzählungen auch heute noch von der Aufopferung, dem Tod, der Selbstlosigkeit ihrer Helden. Ob nun Game Of Thrones oder Westworld – für irgendetwas Hehres und Großes lohnt es sich immer zu sterben.

Genauso tut es die spanische Serie La casa del papel (Haus des Geldes). Spannend ist an dieser vor allem, wie hier Widerstand definiert wird. Die Protagonisten empfinden sich zurecht als ausgebeutet, unterdrückt, ohnmächtig. Vor allem von den kapitalistischen Verhältnissen. Ihr Kampf dagegen besteht darin, so viel Geld wie möglich zu drucken, um damit sorgenfrei und quasi geadelt das Leben genießen zu können. Konsequenter ausgedrückt: Sie wehren sich nicht gegen die Verhältnisse, sondern wollen einfach nur mitspielen.

Das ist eine Haltung, die derzeit sehr weit verbreitet ist. Nahezu das komplette deutschsprachige Rap-Business handelt davon. Möglichst dicke Autos fahren, Uhren tragen und teuren Champagner ausgießen - bloß nichts anders machen als das gnadenlose System uns von Kindesbeinen an lehrt. Ich vermute mal, die Partisanen vom Anfang des 20. Jahrhunderts würden sich im Grabe umdrehen über so viel Anbiederung und Feigheit.

Klar, auch Brecht hat schon geschrieben: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank. (zumindest sinngemäß) - Aber wer von den tonangebenden Kulturproduzent*innen heute kennt schon noch Brecht?

Lasst uns also das Gelddruckinstitut besetzen, die Menschen dort in Geiselhaft nehmen (haben sich ja mitschuldig gemacht, weil sie Teil des Systems sind) und drucken was das Zeug hält. Die Story hat mehr als eine Hintertür – gut, dass es für Erfolg im Jahr 2018 nicht unbedingt eine schlüssige und schlaue Geschichte braucht. Zeitgemäße Inszenierung und ein geiler Soundtrack tun es allemal.

Bella Ciao steht sinnbildlich für den Erfolg der Serie und den Sinnverlust älterer Kulturgüter. Das Lied kriegt mehrere chice Gewänder, wird verrapt, geremixt, verpopt ... Hauptsache ich erkenne noch einen winzigen Fetzen des Refrains und fühle mich so an das Serienerlebnis erinnert.

In Deutschland kommt die erfolgreichste Variante vom französischen DJ Hugel. Der hat sich im Kommerzmainstream schon mit einszwei Kollaborationen und Remixen ein wenig bekannt gemacht. Leicht flockiger DeepHouse, gern auch mal streng in Richtung Radiopop gebürstet. Mittlerweile darf er auch Alt-Größen wie Taio Cruz zwischen seine Finger nehmen. Und dann eben auch das Partisanenlied aus der überflieger-Netflix-Serie.

Was macht er draus? – Nunja, einen DeepHouse Hit halt, der ganz gut auf dem Dancefloor funktioniert und dank des Kultstatus sowohl der Serie als auch des Songs in den Verkaufslisten ziemlich weit oben notiert wird. Ein bisschen besteht die Gefahr, dass genau dieser Remix zum Sound des Sommers wird. one kiss ist einfach schon zu lange durch und Solo besitzt im Vergleich zu Bella Ciao millionenfach weniger Cheesyness.

Jetzt können wir uns gern darüber streiten was schlimmer ist: Dieser Remix als Urlaubssound oder noch so ein Luschenhit von einem Deutschrapper? Ähm - wir können natürlich einfach auch was ganz anderes machen: einfach die freie Zeit genießen und wenn möglich das schöne Wetter.

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