Freitag, 31. Mai 2019
Ed Sheeran Justin Bieber:I Don't Care
Endlich ein würdiger Nachfolger zu Shape Of You. Ein bisschen hatte ich ja schon Angst, dass Ed Sheeran jetzt nur noch Balladen macht und in der Schmuseromantikecke alt wird. Zum Glück zeigt er mit I Don't Care, das dem nicht so ist.
Und hat sich gleich noch einen Duettpartner rangeholt, der dann doch irgendwie ein bisschen überrascht. Klar, heutzutage geht alles: Rap mit Schlager, Electronic mit Liedermaching, Ed Sheeran mit Justin Bieber. - Das geht nicht nur, sondern ist in seiner Fusion sogar ganz funky.
Daran schuld ist natürlich zuallererst der ordentlich anheizende Rhythmus. Nicht zu sehr Latino-Ragga, aber doch erkennbar dort entlehnt. Und über weite Strecken ganz allein den Song bestimmend. Plus Gesang. Hübsch minimaler Einsatz mit enormem Effekt.
Und natürlich muss dieser Song Spaß machen, denn er erzählt genau davon: Eigentlich will ich hier auf dieser Party gar nicht sein. Ich find diesen Latino-Müll total ätzend - auch und gerade, weil sogar Madonna auf den Zug drauspringt. Aber ehrlich: Mit dir halte ich auch das aus. Mehr noch: Ich feier sogar richtig drauf ab. Denn I don't care...
Egal ob mich alle schräg angucken, egal ob ich mich falsch angezogen fühle - Stärke gibt mir die Person neben mir, die mich nimmt wie ich bin.
Mensch, das ist mal eine Liebeserklärung!
Und wenn man das kapiert hat, funktioniert auch das völlig alberne Video, das eigentlich nur Müll im Snapchat-Stil macht. Snapchat? Gibs das überhaupt noch? Genau - die visuelle Inszenierung ist so oberpeinlich, Justin Bieber im Eistütenkostum oder als Mais, Ed Sheeran im Morgenmantel oder als Pandabär verkleidet... Wer will so etwas eigentlich sehen?
Richtig - Fans, die ihre Stars abgöttisch lieben. Da gibt es kein unpassendes Kostüm oder bescheuerte Rollen - da ist alles mindestens ein Ausdruck von Coolness.
Und obendrein wirklich 7.000 mal cooler als die angestrengte Gestelztheit der Mehrheitsrapper - Lil Dicky an dieser stelle explizit ausgenommen.
Jetzt bin ich fast schon wieder versöhnt mit der aktuellen Chartmusik. Doch nicht alles nur blöd.
Freitag, 24. Mai 2019
Samra & Capital Bra:Wieder Lila
Und noch eine Kollaboration zwischen Samra und Capital Bra. Und immer noch das selbe Schema. Mit der Nuance, dass es hier nicht nur um die Feindschaft zur staatlichen Ordnung geht sondern auch gegen Familienclans ... na, wer da nicht sofort schnallt, welche Personen gemeint sind.
Das Eindrucksvollste an dieser Produktion ist vielleicht das Cover. So sehen sich die beiden also. Liebe Gesichter und die Knarre im Anschlag. Hinten der Stoff in großen Ballen.
Davon rappen die beiden dann auch. Was sie nicht alles für Freiheiten haben als gesetzlose Dealer. Und natürlich die lila Scheine - die flattern nur so durch die Strophen.
Wenn also jemand wie ein Dealer tickt, dann ist sein Leben gefährlich, schnell, ohne Geldsorgen ... und am Ende kann man den guten Stoff sogar selbst genießen. Schöne Träume - an die so manche nur zu gern glauben. Ein Leben ohne Geldsorgen, schnell verdient und immer schnell. Geil.
Ich muss hier nicht erzählen, was die mir bekannten Dealer nach ein paar Jahren im Geschäft tatsächlich für Existenzen waren.
Die deutschen Kids träumen gern von dieser Freiheit ohne Regeln. Verständlich, das Leben ist so vollgepfropft mit Verboten und Erwartungen. Schön wär's, so sinn- und haltlos sein Leben feiern zu können wie es Samra und Capi vormachen. Und wenn einem schon der Mut nicht dazu reicht, diesen Schritt wirklich zu tun, dann wenigstens doch diesen Sound feiern. Ein Hauch von Unabhängigkeit.
In Echt ist das Dealerleben dann wirklich kein Zuckerschlecken. Das ist harter Marktkampf und vor allem ziemlich eiskalte Berechnung. Das kriegt jetzt auch nicht jeder so ohne Weiteres hin. Vor allem sind die Plätze jetzt nicht unbedingt einfach frei wie Handwerkerlehrstellen - da muss man sich schon ordentlich reindrängeln. Das kostet richtig Kraft und Ausdauer. Und Eier brauch man dafür auch. Deshalb sind also alle, die Stoff verticken per se Helden.
Moderne Märchen. In denen Samra und Capi die Helden spielen. Oder die verkannten Prinzen.
Auffällig aber schon, dass beide - obwohl unglaublich cool - zur Untermauerung ihres Status dann doch immer und immer wieder die äußerlichen Zeichen brauchen: Knarre, schnelles Auto, teure Klamotte. Gegen wen müssen sie sich absetzen? Wem beweisen, dass sie es drauf haben? Am Ende sogar sich selbst?
Da könnte dann doch noch ein tragisches Drama draus werden. Die Märchenhelden sind in Wirklichkeit ganz unsicher, ganz kleine Jungs, die mit ihren teuren Spielsachen so tun als hätten sie Macht. Die hübsche Cover-Zeichnung verniedlicht nämlich gar nicht die Realität, sondern zeigt sie ganz ungeschminkt. Und schon ist der Bra nicht mehr der böse Ukra sondern das kleine Kuschelbärchen... auweia.
Das Eindrucksvollste an dieser Produktion ist vielleicht das Cover. So sehen sich die beiden also. Liebe Gesichter und die Knarre im Anschlag. Hinten der Stoff in großen Ballen.
Davon rappen die beiden dann auch. Was sie nicht alles für Freiheiten haben als gesetzlose Dealer. Und natürlich die lila Scheine - die flattern nur so durch die Strophen.
Wenn also jemand wie ein Dealer tickt, dann ist sein Leben gefährlich, schnell, ohne Geldsorgen ... und am Ende kann man den guten Stoff sogar selbst genießen. Schöne Träume - an die so manche nur zu gern glauben. Ein Leben ohne Geldsorgen, schnell verdient und immer schnell. Geil.
Ich muss hier nicht erzählen, was die mir bekannten Dealer nach ein paar Jahren im Geschäft tatsächlich für Existenzen waren.
Die deutschen Kids träumen gern von dieser Freiheit ohne Regeln. Verständlich, das Leben ist so vollgepfropft mit Verboten und Erwartungen. Schön wär's, so sinn- und haltlos sein Leben feiern zu können wie es Samra und Capi vormachen. Und wenn einem schon der Mut nicht dazu reicht, diesen Schritt wirklich zu tun, dann wenigstens doch diesen Sound feiern. Ein Hauch von Unabhängigkeit.
In Echt ist das Dealerleben dann wirklich kein Zuckerschlecken. Das ist harter Marktkampf und vor allem ziemlich eiskalte Berechnung. Das kriegt jetzt auch nicht jeder so ohne Weiteres hin. Vor allem sind die Plätze jetzt nicht unbedingt einfach frei wie Handwerkerlehrstellen - da muss man sich schon ordentlich reindrängeln. Das kostet richtig Kraft und Ausdauer. Und Eier brauch man dafür auch. Deshalb sind also alle, die Stoff verticken per se Helden.
Moderne Märchen. In denen Samra und Capi die Helden spielen. Oder die verkannten Prinzen.
Auffällig aber schon, dass beide - obwohl unglaublich cool - zur Untermauerung ihres Status dann doch immer und immer wieder die äußerlichen Zeichen brauchen: Knarre, schnelles Auto, teure Klamotte. Gegen wen müssen sie sich absetzen? Wem beweisen, dass sie es drauf haben? Am Ende sogar sich selbst?
Da könnte dann doch noch ein tragisches Drama draus werden. Die Märchenhelden sind in Wirklichkeit ganz unsicher, ganz kleine Jungs, die mit ihren teuren Spielsachen so tun als hätten sie Macht. Die hübsche Cover-Zeichnung verniedlicht nämlich gar nicht die Realität, sondern zeigt sie ganz ungeschminkt. Und schon ist der Bra nicht mehr der böse Ukra sondern das kleine Kuschelbärchen... auweia.
Freitag, 17. Mai 2019
Shindy: Nautilus
Shindy macht absolut ernst mit seinem Versprechen die späten 90er und frühen 2000er ins heute zu holen. Road2Goat sampelte mal ganz frech Whitney Houston, das sehr sehr coole Affalterbach holte sich die Inspirationen bei P. Diddy und Nautilus ist ganz dicht bei 50 Cents Candy Shop aus dem Jahr 2005. Musikalisch hübsch angereichert mit arabisch-orientalisch klingenden Einsprengseln, das Video zumindest in der Anfangs- und Endsequenz 1:1 übernommen.
Die 2019er Version à la Shindy
Das 2005er Original von 50 Cent
Bei Shindy kann man nun also sogar richtig Referenzen studieren und (Pop)Geschichte lernen. Das ist schon allein deshalb großartig, weil sich der Rapper offenbar nicht mehr nur selber genügt. Er sortiert sich ein, stellt sich in Traditionen - und relativiert damit auch sein eigenes Sein und Tun. Deshalb ist er nicht weniger eitel oder großkotzig. Der Unterschied ist: Er weiß vor allem, dass der ganze Spaß erstmal nur Show ist und spielt dieses Spiel bewusst mit. Sogar mit Freude. Sogar mit Ironie.
Damit hat er sich etwas erarbeitet was den meisten Rapstars aus Deutschland eindeutig abgeht. Die nehmen sich alle noch viel zu ernst.
Es tut Shindy offenbar sehr gut, sich aus allen Abhängigkeiten loszusagen, sein eigenes Ding zu machen und vor allem seinen Vorlieben zu folgen. Vor 15 Jahren in den USA wäre Shindy der Megastar geworden - mal beobachten, ob das in Deutschland auch klappt. Vor allem mit so viel Verzögerung. Eventuell ist Deutschland 2019 aber wirklich auf einem Stand wie die Vereinigten Staaten im Nach-9/11-Luxushype. Äußere Parallelen gibt es durchaus. Wäre allerdings schade, wenn wir komplett die gleiche Entwicklung durchmachen würden ... Auch das hat jede/r von uns in der Hand.
Freitag, 10. Mai 2019
Juju Feat. Henning May:
Vermissen
Ich geb's ja zu: Juju fand ich bislang eher zu krawallig, zu laut, zu aufgesetzt. Mit SXTN hat sie zusammen mit Nura ordentlich auf die Kacke gehaun. Das war schon auch geil - und trotzdem immer auch einen Tick zu dolle übertrieben. Show halt. Wer am lautesten schreit, wird auch wahrgenommen.
Dann kam im letzten Sommer das Capital Bra-Duett Melodien: erstes Popstar-Getue mit Pietro Lombardi-Appeal. Immerhin durch den Ukro-Germanen so sehr durchgeknallt, dass es höchstens als Ironie durchging. Jetzt aber mit Henning May ein richtig ernstzunehmender Liedermacher - und plötzlich zeigt sich Juju als eine auf Emotionen abzielende Sängerin, die gut und gerne auch bei DSDS starten könnte. Das finde ich einerseits ziemlich beachtlich: Juju hat ja noch mehr drauf als Straßenmädchen. Da sind - bei allem Slang - plötzlich Zweifel und gefühlsartige Anwandlungen zu hören. Da schreit eine nicht nur rum, sondern kriegt's auf die Reihe, dass da was mit ihr komisch läuft. Und wundert sich sogar darüber, was alles möglich ist. So viel Selbstreflexion hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut.
Und man kann diese Wandlung aber auch sehen als: Jöh, steckt in der kleinen doch nur ein Pferdemädchen! Wenn ich bei ihrem Part irgendwie an Sabrina Setlur denken muss, dann ist das nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Besonders in den Parts, wo ihre Stimme dann auch noch gedoppelt oder sogar durch Hintergrundfrauenchor unterlegt wird. Will Juju jetzt wirklich zur Helene Fischer des Rap werden? So kommt's mir vor. Und deshalb distanziert sie sich gleich auch mal von Nura ... war eben doch alles nur ein jugendlicher Fehlgriff. Hmm - gut, dass die Popszene wirklich alles ganz schnell vergisst.
So in der Art ist dann auch das Video. Schöne Großstadtszenebilder. Alles abgeranzt genug um nicht bei Manufactum zu landen, aber in keiner Sekunde wirklich verstörend. Das heimelt schon ganz schön alles...
Henning May ist hier eher der Gewinner. Der kann im Moment wahrscheinlich nichts falsch machen. Mit AnnenMayKantereit zaubert er Hits hin, die auf allen Parties laufen und trotzdem niemals die Top10 erreichen. Das ist mal Erfolg.
Und klar: wer so eine Stimme hat, der muss eigentlich gar nichts mehr machen. Da klingt alles existenziell. Von Pocahontas bis Vermissen. Wenn man dann noch das Talent hat, seine Zustände in Worte zu packen, die wunderbar alltagspoetisch sind und trotzdem mitten ins Schwarze treffen... Insofern ist die Mischung auf Vermissen vielleicht etwas, das uns einen kleinen Blick auf die Zukunft deutscher Popmusik ermöglicht.
Freitag, 3. Mai 2019
UFO III IIIIII I Feat. RIN:
NEXT
Hier haben sich also zwei Rap-Popstars aus der zweiten Reihe zusammen getan. Beide gut unterwegs mit ordentlicher Fangemeinde, aber bei weitem nicht so ultraerfolgreich wie Capital oder Strassenbande oder eben die Uralt-Haudegen ... Könnte man auch gut sagen: die beiden haben noch so etwas wie Street-Credibility und Authentizität. Bis vor ein paar Monaten hätte ich das wahrscheinlich sogar ohne Zögern unterschrieben. Mit Next in den Ohren (und vor allem vor Augen) zögere ich dann doch ein wenig.
Zuerstmal: Hat sich UFO361 nicht nach seinem Album VVS ganz lautstark aus dem Musikbusiness verabschiedet? "Familie ist wichtiger." - so ungefähr tönt es mir noch im Ohr. Neun Monate später ist das alles nicht mehr gültig. Heißt also: die Generation Z hat nochmal ein ganz anderes Zeitempfinden: neun Monate - das ist eine Ewigkeit. Vor allem bei reichlich Betäubungsmittelkonsum sind solche Kategorien wie Dauer und Länge eher unwichtig. Und dass UFO361 immer schön drauf ist, das zelebriert er ja nahezu von Beginn seiner Karriere an.
Das hat ihn für viele auch so attraktiv gemacht: Einer, der sich nicht benehmen muss, der sich einfach die Birne zudröhnt, drüber lacht und das Ganze als Kunst verkauft. 15 Songs in einer Woche - kein Ding... Schade, dass ihm dieses Markenzeichen "high und kreativ" der Bra innerhalb von ganz kurzer Zeit total entwendet hat. Bra ist immer noch einen Zacken schräger drauf, noch durchgeknallter. Und was seinen Ausstoß angeht - ist der überhaupt zu toppen.
Da hechelt UFO doch ganz schön hinterher. Vielleicht war das auch der Grund, im Sommer erstmal die reißleine zu ziehen. Nun ist er also wieder da und versucht es im Wochentakt mit neuem Material. Bei NEXT ist er gut dabei: Zweiter Track innerhalb von 10 Tagen und sofort Karriere-Bestwert mit Platz 3.
Und RIN? - Neues Outfit, so viel Gossip muss schon sein. Und als markenbewusster Trendsetter im Rap-Universum hat er ohnehin seine Nase vorn. Das ist also der angesagte Stil.
Und musikalisch? - Man kann ihn noch erkennen, das schon. Von seinem Markensound entfernt er sich trotzdem ein ganzes Stück. Man kann ja plötzlich richtig alle Rhymes verstehen. Ob das so geil ist? Vielleicht hätte es sich doch gelohnt mal drüber nachzudenken, ob man nicht auch mal eine Feature-Anfrage ablehnt. Das ist zwar in der Szene nicht so wahnsinnig angesehen, hätte aber echten Stil gehabt.
Der Sound insgesamt kommt reichlich dark daher. Das ist für UFO361 noch nachvollziehbar, bei RIN bin ich mir gar nicht so sicher. Als gut betuchter Stuttgart-Rapper ist diese Art von Underground-Touch vielleicht doch ein bisschen zu viel Show. Wie schon angedeutet: Seine Stärken sehe ich eher woanders.
Das Video krönt diese Kolaboration mit Marken-Glanz. Sowohl UFO als auch RIN lassen sich hier nahe an dem inszenieren, wie es Samra, KC Rebell et co in den letzten Wochen vorgemacht haben. Klare Markenbilder und Styling-Posen. Das schön Zwielichtige mit Understatement-Bewusstsein ist fast weggefegt. Irgendwie fehlt mir da was.
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