Ist Rumänien jetzt wirklich das neue Popland Europas, welches uns wenigstens einmal im Jahr einen veritablen Sommerhit schenkt? Nachdem im vergangenen Sommer Edward Maya mit Unterstützung der Sängerin Vika Jigulina (und einer Melodie des Aserbaidschanischen Komponisten Eldar Mansurov) den Titel Stereo Love in komplett Europa gut absetzen konnte ist es im Jahr 2011 Alexandra Stan. Ihr Titel Mr. Saxobeat tauchte zuerst in den britischen Charts auf, um kurz darauf auch in Deutschland als Single veröffentlicht zu werden und seit etwa einem Monat beständig an Popularität zu gewinnen. Mittlerweile reicht es sogar in den deutschen Charts für einen Platz 2 und in Österreich für die Nummer 1. Damit ist Alexandra Stan der erfolgreichste rumänische Act seit Haiducii. Diese hatte im Jahr 2004 ihre Coverversion des Hits Dragostea Din Tei fast genauso erfolgreich wie das Original absetzen können (zumindest in Deutschland und Italien). Davor war Popmusik aus Rumänien überhaupt kein Thema – abgesehen von Michael Cretu, der allerdings bereits mit 18 Jahren deutscher Staatsbürger wurde und dementsprechend auch hier produzierte.
Wie lässt sich nun diese rumänische Pop-Szene beschreiben, die es über die Landesgrenzen hinaus zu Popularität bringt. Zunächst mal verortet sich der exportierte Sound eindeutig im Bereich EuroPopSommerhit. Ob nun Haiducii, Edward Maya, Inna oder auch Alexandra Stan. Es ist immer strandpartytauglich und bedient sich dabei ganz gern mal schon vorhandener Rezepte. Im Falle von Mr. Saxobeat kommt einem schon mal die Assoziation zum Sommerhit des letzten Jahres We No Speak Americano, auch wenn es außer des Blechblassounds nicht wirklich viele Gemeinsamkeiten gibt. Es genügt für einen Aha-Effekt und irgendwie auch eine angenehm positive Erinnerung. Da war doch Sommer und Urlaub …
Bemerkenswert ist, dass Mr. Saxobeat im Gegensatz zum gerade aktuellen Stampf-Electro-Sound ziemlich brav daherkommt. Ja, es ist tanzbar – ja, es hat auch einen Beat – aber im Grunde könnte man jetzt auch locker nen Foxtrott oder Swingbeat drauf tanzen. Alexandra Stan ist also ein Produkt für (fast) die ganze Familie, was man von LMFAO jetzt so nicht behaupten kann. Höchstens die Oma ab 70 macht da nicht mehr richtig mit ... (An dieser Stelle: komisch das Alexandra Stan noch gar nicht bei „Wetten dass…?“ aufgetreten ist. Naja, vielleicht ist es dafür doch zu hedonistisch belanglos.)
Nun kann man solch naiv-harmlosen Sound mögen oder nicht. Richtig schlimm wird’s allerdings, schaut man sich das entsprechende Video von Frau Stan an. Das lässt dann wirklich kein Klischee aus, zeigt uns zwei böse Frauen, die von tumben Polizisten in den Knast gesteckt werden, aber dank ihrer üppigen weiblichen Reize die schwanzgesteuerten Typen ausschalten und wegsperren kann um unbehelligt in die Freiheit zu spazieren. Bei ganz viel gutem Willen könnte ich das als Emanzipations-Geschichte deuten – aber irgendwie funktioniert das doch nicht. Zu viel Augengeklimper, zu viel Make up und zu viel mit dem Busen in der Kamera herumgefuchtelt. Schade, dass Frau Stan (oder ihr Produzent) so konservativ alles das bedienen was an Vorurteilen über Osteuropa und die Menschen dort existiert. Dass es dann so gut funktioniert ist noch trauriger. Aber ich geh jetzt einfach mal davon aus, dass niemand wirklich auf das Video guckt und lediglich genau so den Titel erlebt wie oben beschrieben: Open Air Party in irgendeinem debilen Urlauberdorf, auch schon ordentlich angeschickert und dann vielleicht so etwas wie ein Flirt ... aber bloß nicht zu wild – und dann passt der Saxobeat schon.
PS: Wer auf der Suche nach rumänischem Pop abseits des Mainstreams ist, der/dem sei Miss Platnum empfohlen. Sie lebt zwar auch schon seit mehr als zwanzig Jahren in Berlin, aber mit ihrer Entscheidung, sich dem Balkan-Pop zu widmen, ist sie vielleicht doch noch ziemlich nah an Rumänien dran.
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