Freitag, 1. Februar 2013

Sido: Bilder im Kopf



Jetzt muss ich mich hier also auch noch mit Sido beschäftigen. Aiaiai… das kann ja nur schief gehen.

Wer hätte vor fünf oder sechs Jahren wirklich geglaubt, dass dieser Sido, der Wilde und Ungebändigte, der Provokante, mal zum TV-Liebling wird und Mainstream-Musik macht? – Ich definitiv nicht. Und ich kann bei nahezu jeder neu erscheinenden Nummer von Sido nicht glauben, wie weit die Transformation des Herrn Würdig geht. Ok – wir werden alle älter und gesetzter. Und irgendwann ist halt der Lack ab, dann hat man keinen Biss mehr. Aber dass das schon mit 32 so sehr passiert …?

Na gut, Sido hat zum Austoben und Frech-Sein immer noch sein 23-Projekt zusammen mit Bushido. Da macht er all das, für was er auch vor 10 oder 15 Jahren schon stand: Ghetto Rap und ganz viel unpolitisch Korrektes. Als Sido – seiner eigentlichen Identität - hat er sich lieber für dieses Grundschullehrer-Aussehen und den Vertrag mit UNIVERSAL entschieden. Wahrscheinlich um zu zeigen, dass auch ein Rebell und ein Junge von ganz unten es schaffen kann. Der alte Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Leider hat das schon bei good old “Jenny from the Block” nicht wirklich funktioniert. Denn dieser Sido, der da dauernd im Fernsehen auftaucht, das ist nicht derselbe, der 2004 Mein Block hoch gelobt und diesen gegen nichts anderes getauscht hätte. Konsequent wäre es gewesen, wenn Sido mit seiner Maske auch seinen abgelegt hätte. Paul Würdig – zu so einem Namen passt ein Song wie Bilder im Kopf viel besser. Sido ist da eher verwirrend.

Bilder im Kopf – das ist Mainstream-Sound. Das ist durchaus funky oder jazzy, das hat auch einen Schuss Blues. Da spielt sogar eine Gitarre mit. Herr Eißfeldt hätte seine Freude dran.



Ein bisschen ist der Sido natürlich noch der Sido von früher – klar, so ganz kann man zum Glück aus seiner Haut nicht raus. Deshalb versucht er wenigstens etwas frech zu sein und singt von seinen Haaren am Sack und ähnlichen Dingen. Glück gehabt – die Welt ist weiter in Ordnung, denn viel Schwanz und Potenz macht Typen cool. Den Biss von früher hat es allerdings definitiv nicht mehr.

Ein bisschen Angst sollten wir um Sido ganz sicher haben. Jetzt archiviert er nämlich seine Erinnerungen. Nicht nur in Songs, sondern auch in Fotoalben. Für mich sind ja solche Alben eher eine gruselige Angelegenheit und enorm albern. Da kommt nur noch das Poesiealbum dahinter. Für Sido (der, der früher Einfamilienhäuser Scheiße fand) ist so ein Poesiealbum nichts Schlimmes. Und dieses Fotoalbum hat dann sogar einen silbernen Knopf … um mal im Sido-Sprech zu bleiben: Wie schwul ist das denn?

Jetzt gibt es irgendwie zwei Möglichkeiten, warum so ein Bilderbuch für Jungs wie Sido funktioniert: Entweder er fand das schon immer ganz normal. Dann würd’ ich aber doch tatsächlich nochmal ganz anders auf seine ach so wilde Zeit schauen: war das etwa schon immer nur ein kleiner Spießer, der halt niemanden zum Spielen hatte und deshalb so aggressiv drauf war?

Oder er hat sich tatsächlich schon vollständig jedes letzte bisschen Hirn aus seinem Kopf rausgesoffen und -gekokst? Na gut, dann hatte er wenigstens ein paar Jahre ordentlich Spaß. Und dann ist es sowieso egal, weil dann ist Sido definitiv nicht mehr zurechnungsfähig.

Vielleicht ist ja aber dieses liebe und harmlose Liedchen samt Kindergarten-Video auch als ganz ernstahftes Erwachsenwerden zu werten. Sido blickt auf seine Jugendzeit zurück und wackelt ein bisschen altväterlich mit dem Kopf: “Ach, waren wir verrückte Jungs.” – Passt zum Ghetto-Rap. Der beklagt sich ja auch immer über die schlimmen Umstände und erzählt, dass die armen Jungs keine andere Chance haben als dumm rumzulabern und möglichst viel Frust aus sich rauszuballern. Brauchen wir uns ja nur Kollegah & Farid Bang anzuschauen.

Das hat der Sido nun alles hinter sich gelassen. Jetzt ist er Papa und braucht keine dicke Angeber-Show mehr. Hat ja ohnehin keiner so recht geglaubt, was er da alles von sich gegeben hat. Ist nur schade, dass es jetzt genauso ist. Der ganze Brei von Paul Würdig, das ist TV-Talkshow-Dünnpfiff vom Feinsten. Nur jetzt ist es irgendwie obendrein noch langweilig. Hmmm … da hab’ ich tatsächlich keine Minute länger Bock, drüber nachzudenken.

Bilder im Kopf ist also ein richtig großer Hit und sogar die Landeswellen für Rentner mögen den Titel und spielen ihn. Fehlt eigentlich nur noch, dass die Söhne Mannheims Sido demnächst bei sich aufnehmen. Dann wäre er mal einen Weg richtig zu Ende gegangen.




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