Eine Folk-Welle überrollt uns gerade. Zuerst war es Taylor Swift, die plötzlich alles durfte. Das war noch nicht wirklich ernst zu nehmen, denn als junge Frau erreichte sie wohl auch einige Männer, die erstmal nichts mit Country und Folk zu tun hatten. Meistens übertragen sich solche Leidenschaften ja nicht gleich auf die dargebotene Musik. – Dann kamen die bärtigen Jungs. Zum Beispiel Mumford & Sons. Deren Erfolg ließ schon eher vermuten, dass da gerade etwas passiert. Nicht, dass ihr I Will Wait nicht wirklich auch einen gewissen Charme hatte … allerdings transportierten sie mit ihrem Bodenständigkeits-Getue auch eine Menge an ziemlich verquasten Werten. Ich habe da eine lange Zeit gehofft, dass das unbeabsichtigt passierte. Sicher bin ich mir nach wie vor nicht.
Und dann kam die britische Version von Passenger – nochmal um einiges massenkompatibler gemacht im Singer-Songwriter-Pop-Stil. Nummer 1 für fünf Wochen – das war das Ergebnis in Deutschland. Und im Erfolgswind von Let Her Go segeln nun auch The Lumineers ganz nach vorn in der Gunst der Musikkäufer und –käuferinnen.
Ja ja – sie sind natürlich schon ganz süß und sympathisch die drei. Unschuldig stehen sie da in ihren Holzfällerhemden und Unterwäschekleidchen. Hosenträger und Hut dürfen auch nicht fehlen. Sieht alles schwer in Ordnung aus. Die sind ganz einfach und unkompliziert. Die brauchen keine bis ins Kleinste durchgeplante Werbekampagne oder besonders viel Technik. Mit einer Gitarre und mit Tamburin feiern sie genauso großartige Parties. Ein paar Papierblüten reichen schon als Dekoration. Kindergeburtstag – das ist meine Assoziation.
Sind sie also glücklich die Kinderchen, dass sie ihre Nische gefunden haben. Sollen sie auch sein. Schrecklich wirds nur, wenn man sich ansteht, wofür diese Unschuldslämmchen alles herhalten müssen. The Lumineers beispielsweise verdanken einen Großteil ihres Erfolges auch dem Einsatz ihres Liedes in der Serie Hart Of Dixie. Da geht also die New Yorkerin Dr. Zoe Hart in die Einöde nach Alabama und lernt das biedere Landleben lieben. Das mag als Komödie noch gut dienen – hier wird es aber zum Drama mit entsprechendem Herzschmerz. Ehe Zoe Hart wirklich zu ihrem Herzenseinen kommt, da vergeht schon eine ganze Weile. Und es ist unglaublich kompliziert. Klar, es ist ja schließlich DER EINE, der Auserwählte – da kann sich niemand einen Fehlgriff leisten… Das mit einem Lied wie Ho Hey zu untermalen ist da schon passend. Der Text erzählt genau das: Du gehörst zu mir, ich gehör zu mir, Fehler können wir uns nicht leisten, und wenn das nicht klappt, dann werde ich verbluten…
Das Ganze ist eine Art romantisches und modernes Märchen: Verkitscht und überzuckert - und genauso unwahr. Komplett. Wer sein Leben in einer Kleinstadt verbringen muss, der kennt all die unangenehmen Zwänge und Unzulänglichkeiten, mit denen man dort umgehen muss. Und wer ein bisschen Lebenserfahrung hat, der/die weiß, dass das mit der Liebe und dem gemeinsamen Leben eine ganze Menge an Kompromissen erfordert. Aber das ist natürlich nicht so schön einfach zu erzählen.
Mag sein, dass so ein simples (Land-)Leben für den einen oder die andere tatsächlich der große Traum und die Erfüllung sind – es gibt ja auch hierzulande eine wachsende Menge an wertkonservativen Menschen, die sich auf ihre ruhigen Landhäuser zurückziehen. Ist insgesamt auch gar nichts einzuwenden. Allerdings … woher kommen eigentlich der Wohlstand und die Luxusprodukte, die ja auch das Landleben überhaupt erst angenehm machen?
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen, die so sehr das Authentische und Einfache zelebrieren, sich dieser Situation bewusst wären. Und diese bitte auch mittransportieren. Eine Auseinandersetzung mit der großen, globalisierten Kultur- und Gesellschaftsindustrie (und vielleicht auch eine Verweigerungsstrategie dazu) sieht definitiv anders aus. Macklemore & Ryan Lewis machen es vor – die verzichten auf Vermarktung durch ein großes Label. The Lumineers sind dagegen seit Neuestem bei DECCA, die dann auch noch durch UNIVERSAL vertrieben werden – nicht gerade die Firmen, die dem Ideal des Einfachen und Handgemachten entsprechen.
Oder ein anderes Beispiel: vor fünf, sechs Jahren da tobten die ersten Vertreter von Neo-Folk durch die Musiklandschaft. Coco Rosie und Devandra Banhart waren die Vorzeige-Protagonisten. Das war Hippie-Folk vom Allerfeinsten, gleichzeitig aber absolut 2000er, zu keiner Sekunde im Zweifel darüber, dass all dieses Zurück-zum-Authentischen nur funktionieren kann MIT Industrie und komplizierter Vernetzung und Elektronik. Das waren wunderbare Musikstücke und Auftritte, die da entstanden. Sogar für einen wie mich, der mit Folk nur wenig anfangen kann. Davon sind The Lumineers, Passenger oder Mumford & Sons Millionen Lichtjahre entfernt.
Freitag, 26. April 2013
Samstag, 20. April 2013
WAX: Rosana
Es gibt einen Titel zur Zeit, der ist auf eine Art enorm entspannt, sogar ein klein wenig abwegig, so dass es für eine gewisse Coolness reicht und dann ist dieser Titel gleichzeitig auch total daneben und peinlich. Ich rede von Rosana und dem Mann dahinter WAX.
Schon mit der allerersten Begegnung ist mir klar: das wird keine leichte Nummer, sich hier zu positionieren. Erst mal lassen mich die Bläser im Latin-Stil aufhorchen. Dann ist da ein doch eher ungewöhnlicher Rhythmus – das ist alles reichlich faszinierend und auch überzeugend bis mitreißend. Der Mann dahinter hatte sich gerade von seinem Label DefJam getrennt, zeugt durchaus von einer gehörigen Portion Aberwitz. Zumal DefJam jetzt auch nicht die allerschlechteste Referenz im Musikgeschäft sind. Aber dann ist da dieser Text, der mich irgendwie beim Mitwippen stört. Was singt /rappt der da eigentlich? Das ist überaus sexualisiert – ok, solche Momente sind absolut eine geile und anmachende Nummer. Aber ist das wirklich in Ordnung für die Frau? Wird sie hier nicht zum bloßen Triebbefriedigungsgegenstand? Naja – sie ist ja zumindest stimmlich auch ordentlich präsent und lässt sich mit ihrem “What’s my motherfucking name?” garantiert nicht die Butter vom Brot nehmen. Allerdings: wir leben im Jahr 2013 – Ironie ist immer noch die allgegenwärtige Haltung. Wer spielt da eigentlich mit wem?
Und nach einer Weile bin ich mir bei der Art des Refrains auch nicht mehr sicher. Ganz allein in meinem Zimmerchen kann ich gut drauf, aber sobald der Sound etwas lauter und in größeren Räumen ertönt, klingt er schon ganz schön anbiedernd und cheesy. Ist der Track womöglich gar nicht cool? Mir ist es jedenfalls ordentlich peinlich zuzugeben, dass ich Rosana irgendwie auch mag. Vor allem wenn ich das Video dazu anschaue. Das ist schon witzig: Mexikanerhüte, Oberlippenbärte, die mindestens angeklebt sind und ein Rapper, der vor allem verstört und bescheuert rüber kommt. WAX kann sich ganz gut auch selber auf die Schippe nehmen.
Aber dann ist da auch diese eher Schenkelklopfnummer auf Musikantenstadlniveau: jede Szene spielt mit unseren allertriebhaftesten Phantasien spielt. Spielt? Wirklich? - Nach der ersten Variation hab ich’s doch gecheckt und weiß schon was kommt. Da ist dann maximal lustig, was WAX noch so alles einfällt. Überraschend ist das gar nicht so sehr.
Trotzdem lach ich (fast ) bei der einen oder anderen Stelle. Der Herr hat es also offenbar drauf mich zu foppen und auf falsche Fährten zu locken. Und vielleicht ist es auch das, was mich dann wieder überzeugt. Auch wenn ich es eigentlich ziemlich doof finde, dass nur die Dame im heißen Bikini oder in Unterwäsche durchs Video hüpfen muss. WAX selber trägt ganz macho-like Schlabber-Boxershorts und ein nicht mal sexy Unterhemd. Sind die Rollen also doch ordentlich ungerecht verteilt. Und Klischees über Mexikaner auszupacken ist doch eigentlich auch doof, oder?
Wie gesagt: die Kritik funktioniert dann jeweils nur halb, weil es genügend Brüche gibt. Welcher Rap-Künstler schafft es schon, sich ordentlich zum Affen zu machen und als Volltrottel hinzustellen? Welcher HipHop-Song von einem Mann erzählt schon, dass der Typ das sexuelle Verlangen der Frau irgendwie nicht richtig packt? - Ist das der Grund, warum Rosana im Moment nur in deutschsprachigen Raum ein Hit ist? In den Gebieten, in denen die Jungs den Text automatisch verstehen, klappt's nicht so gut. Weil die meisten Jungs eben doch nicht zu Idioten gemacht werden wollen. (Obwohl sie es ja durchaus oft genug sind. Aber das zuzugeben benötigt schon ordentlich Größe.)
Und damit gelingt WAX auf jeden Fall, sich komplett und auf mehreren Ebenen dem zu entziehen, was wir so gern zelebrieren: Einordnung und Bewertung. Die Welt ist nunmal nicht schwarzweiß. Und so ist es auch nicht Pop-Musik. Und auch nicht HipHop. Und Rollenbilder erst recht nicht. Das finde ich ordentlich anerkennenswert. Auch wenn ich trotzdem niemandem sagen werde, dass ich den Track tatsächlich auf meinem mp3-Player gebunkert habe.
PS: Ganz zufällig erwischte ich mich kürzlich bei einer belgischen Band in genau derselben Situation. Frag ich mich nun: Machen Vive la Fête nicht genau dasselbe? Fette Coolness auf der einen Seite und die totale Proleten-Nummer auf der anderen? Und viel viel Spielraum dazwischen. - Ich denke, wir werden uns künftig noch einige male mit dieser Art der Uneindeutigkeit beschäftigen müssen.
Schon mit der allerersten Begegnung ist mir klar: das wird keine leichte Nummer, sich hier zu positionieren. Erst mal lassen mich die Bläser im Latin-Stil aufhorchen. Dann ist da ein doch eher ungewöhnlicher Rhythmus – das ist alles reichlich faszinierend und auch überzeugend bis mitreißend. Der Mann dahinter hatte sich gerade von seinem Label DefJam getrennt, zeugt durchaus von einer gehörigen Portion Aberwitz. Zumal DefJam jetzt auch nicht die allerschlechteste Referenz im Musikgeschäft sind. Aber dann ist da dieser Text, der mich irgendwie beim Mitwippen stört. Was singt /rappt der da eigentlich? Das ist überaus sexualisiert – ok, solche Momente sind absolut eine geile und anmachende Nummer. Aber ist das wirklich in Ordnung für die Frau? Wird sie hier nicht zum bloßen Triebbefriedigungsgegenstand? Naja – sie ist ja zumindest stimmlich auch ordentlich präsent und lässt sich mit ihrem “What’s my motherfucking name?” garantiert nicht die Butter vom Brot nehmen. Allerdings: wir leben im Jahr 2013 – Ironie ist immer noch die allgegenwärtige Haltung. Wer spielt da eigentlich mit wem?
Und nach einer Weile bin ich mir bei der Art des Refrains auch nicht mehr sicher. Ganz allein in meinem Zimmerchen kann ich gut drauf, aber sobald der Sound etwas lauter und in größeren Räumen ertönt, klingt er schon ganz schön anbiedernd und cheesy. Ist der Track womöglich gar nicht cool? Mir ist es jedenfalls ordentlich peinlich zuzugeben, dass ich Rosana irgendwie auch mag. Vor allem wenn ich das Video dazu anschaue. Das ist schon witzig: Mexikanerhüte, Oberlippenbärte, die mindestens angeklebt sind und ein Rapper, der vor allem verstört und bescheuert rüber kommt. WAX kann sich ganz gut auch selber auf die Schippe nehmen.
Aber dann ist da auch diese eher Schenkelklopfnummer auf Musikantenstadlniveau: jede Szene spielt mit unseren allertriebhaftesten Phantasien spielt. Spielt? Wirklich? - Nach der ersten Variation hab ich’s doch gecheckt und weiß schon was kommt. Da ist dann maximal lustig, was WAX noch so alles einfällt. Überraschend ist das gar nicht so sehr.
Trotzdem lach ich (fast ) bei der einen oder anderen Stelle. Der Herr hat es also offenbar drauf mich zu foppen und auf falsche Fährten zu locken. Und vielleicht ist es auch das, was mich dann wieder überzeugt. Auch wenn ich es eigentlich ziemlich doof finde, dass nur die Dame im heißen Bikini oder in Unterwäsche durchs Video hüpfen muss. WAX selber trägt ganz macho-like Schlabber-Boxershorts und ein nicht mal sexy Unterhemd. Sind die Rollen also doch ordentlich ungerecht verteilt. Und Klischees über Mexikaner auszupacken ist doch eigentlich auch doof, oder?
Wie gesagt: die Kritik funktioniert dann jeweils nur halb, weil es genügend Brüche gibt. Welcher Rap-Künstler schafft es schon, sich ordentlich zum Affen zu machen und als Volltrottel hinzustellen? Welcher HipHop-Song von einem Mann erzählt schon, dass der Typ das sexuelle Verlangen der Frau irgendwie nicht richtig packt? - Ist das der Grund, warum Rosana im Moment nur in deutschsprachigen Raum ein Hit ist? In den Gebieten, in denen die Jungs den Text automatisch verstehen, klappt's nicht so gut. Weil die meisten Jungs eben doch nicht zu Idioten gemacht werden wollen. (Obwohl sie es ja durchaus oft genug sind. Aber das zuzugeben benötigt schon ordentlich Größe.)
Und damit gelingt WAX auf jeden Fall, sich komplett und auf mehreren Ebenen dem zu entziehen, was wir so gern zelebrieren: Einordnung und Bewertung. Die Welt ist nunmal nicht schwarzweiß. Und so ist es auch nicht Pop-Musik. Und auch nicht HipHop. Und Rollenbilder erst recht nicht. Das finde ich ordentlich anerkennenswert. Auch wenn ich trotzdem niemandem sagen werde, dass ich den Track tatsächlich auf meinem mp3-Player gebunkert habe.
PS: Ganz zufällig erwischte ich mich kürzlich bei einer belgischen Band in genau derselben Situation. Frag ich mich nun: Machen Vive la Fête nicht genau dasselbe? Fette Coolness auf der einen Seite und die totale Proleten-Nummer auf der anderen? Und viel viel Spielraum dazwischen. - Ich denke, wir werden uns künftig noch einige male mit dieser Art der Uneindeutigkeit beschäftigen müssen.
Freitag, 12. April 2013
James Arthur: Impossible
Und damit haben wir also den ersten Hit des Jahres 2013, der durch die Superstar-Maschine entstand: Impossible.
Der Titel ist mittlerweile knapp drei Jahre alt ohne dass jemand hierzulande von ihm groß Notiz genommen hätte. Im September 2010 veröffentlichte die barbadische Sängerin Shontelle die Single. Damals versuchte man mit ihr noch so etwas wie eine zweite Rihanna zu etablieren. Das hat nicht ganz geklappt – vielleicht war es Shontelle selber auch zu langweilig.
2010 war zumindest eine Zeit, in der das Musikpublikum in den USA noch nicht viel von “New Electronic Music” gehört hatte, David Guetta war dort nahezu unbekannt und R’n’B ungebrochen erfolgreich. So brachte es dann auch Impossible mit bekanntem Pathos zu einigem Erfolg in den Staaten und in Großbritannien. Mit dem eher sparsam instrumentierten Beginn des Liedes ließ sich durchaus erahnen, dass der Song einige Qualitäten hat. Spätestens beim Einsetzen des Refrains aber mit Echo-Effekt war dann Schluss. Zu viel Weichspüler für den Kontinentaleuropa, das sich mit Lady Gaga, KE$HA und stromae gerade auf eher synthetischen Dancefloor-Sound orientiert hatte. Für ein paar verkaufte Singles reichte es immerhin.
Dass Impossible berühren kann, war in der einen oder anderen Version zu spüren, die von Fans und hoffnungsvollen Amateur-Talenten auf diversen Plattformen hochgeladen wurden. 2010 – da war das Phänomen Amateur-Coverversion noch relativ jung. Da wurde noch nicht so gnadenlos jede noch so beknackte Komposition nachgesungen.
Nun, der Song gelangte auch in diverse Casting-Shows und Ende letzten Jahres zum britischen X Factor . James Arthur wurde mit seiner Version Sieger und zum Star. Das mag nun die meisten Über-20-Jährigen ziemlich kalt lassen: wer will schon was von Casting-Stars wissen? Allerdings bedeutet Superstar oder Idol zu sein in Großbritannien noch mal etwas anderes als in Deutschland. Klar sind diese Art von Shows mindestens genauso verhasst wie hierzulande, alle Jahre wieder gibt es Aktionen und Versuche mit Sinnlos-Downloads die sichere Nummer 1 für den Sieger oder die Siegerin zu verhindern. Auch die Kritik an der künstlichen Produktion von Pop-Stars und der Riesenvermarktungsmaschine drumrum wird immer wieder geäußert. Allerdings haben die Briten da wohl noch nie die deutsche Variante erlebt. Zumindest haben die meisten der Gewinner und Gewinnerinnen doch tatsächlich was auf dem Kasten, hin und wieder sogar einen eigenen Stil und sie sind eben nicht 15 oder 16, sie sind Mitte 20 oder auch älter und haben schon einige Erlebnisse mehr hinter sich. Was man an den Interpretationen durchaus hört.
Im Fall von James Arthur und seiner Version von Impossible wird das ganz schön deutlich. Der junge Mann mit dem Waschbärgesichtchen darf nämlich vor allem eines: mit viel Inbrunst singen und sogar die Brüchigkeit seiner Stimme zeigen. Zum Abschluss der Show mit aller Freude und Überwältigung über den Sieg natürlich noch ein Stückchen mehr als auf der sauberen CD-Aufnahme.
Nun ist so ein Sieg natürlich wirklich eher ein Hindernis im Business. Alle, die nicht Woche für Woche mitfieberten winken ab und so ein Titel hat nirgendwo ernsthaft eine Chance. Und ein Sieger aus Großbritannien? Noch uninteressanter. So blieb also auch James Arthur erstmal der europaweite Erfolg verwehrt. Ein kleiner Achtungsaufenthalt in den deutschen Singlecharts im Januar, das war’s dann auch schon. Da brauchte es also auch hier eine Initialzündung. Und die kam mit der zweiten Mottoshow der aktuellen DSDS-Staffel. Ricardo Bielecki sang den Song und plötzlich finden ihn Millionen von Teenies geil und laden den Track. Passiert jede Woche mit mindestens einem Titel immer wieder. Ungewöhnlich ist dagegen, dass der Titel auch eine Woche danach noch gefragt ist, dass auch andere Medien beginnen den Titel einzusetzen. Das dürfte dann schon daran liegen, dass dieser Titel eben auch abseits von TV-Inszenierungen funktioniert. Auch ohne Milchbubikandidatenhintergrundwissen.
Natürlich lässt sich auch eine ganze Menge kritisieren an Impossible. Die gerade gepriesene Hörbarkeit der Gefühle ist mit Sicherheit ordentlich kalkuliert. Authentizität ist nicht erst seit ein paar Tagen ein Verkaufsvorteil, Passenger macht nichts anderes, nur verheimlicht er eher, dass auch sein Hit von ausgeklügelter Produktion und Technik abhängt. Deshalb funktioniert’s bei vielen auch noch besser. (Und deshalb kriegt man umso mehr Schelte, wenn man es ausspricht.)
Es lässt sich an James Arthur auch bemängeln, dass die Streicher im Hintergrund wirklich ganz schön fett aufgetragen sind und die Tränendrüsen arg bedrängen. Und auch das ordentlich vordergründige Schlagzeug ist eher nervend…
Aber nochmal: man sollte in diesem Fall auch das Umfeld in Betracht ziehen und schauen, wo diese Produktion herkommt. Für ein sehr genau kalkuliertes Casting-Produkt ist Impossible erstaunlich überzeugend. Wer’s nicht glaubt, der/dem sei noch mal das deutsche Superstar-Ergebnis von 2012 ans Ohr gelegt.
Der Titel ist mittlerweile knapp drei Jahre alt ohne dass jemand hierzulande von ihm groß Notiz genommen hätte. Im September 2010 veröffentlichte die barbadische Sängerin Shontelle die Single. Damals versuchte man mit ihr noch so etwas wie eine zweite Rihanna zu etablieren. Das hat nicht ganz geklappt – vielleicht war es Shontelle selber auch zu langweilig.
2010 war zumindest eine Zeit, in der das Musikpublikum in den USA noch nicht viel von “New Electronic Music” gehört hatte, David Guetta war dort nahezu unbekannt und R’n’B ungebrochen erfolgreich. So brachte es dann auch Impossible mit bekanntem Pathos zu einigem Erfolg in den Staaten und in Großbritannien. Mit dem eher sparsam instrumentierten Beginn des Liedes ließ sich durchaus erahnen, dass der Song einige Qualitäten hat. Spätestens beim Einsetzen des Refrains aber mit Echo-Effekt war dann Schluss. Zu viel Weichspüler für den Kontinentaleuropa, das sich mit Lady Gaga, KE$HA und stromae gerade auf eher synthetischen Dancefloor-Sound orientiert hatte. Für ein paar verkaufte Singles reichte es immerhin.
Dass Impossible berühren kann, war in der einen oder anderen Version zu spüren, die von Fans und hoffnungsvollen Amateur-Talenten auf diversen Plattformen hochgeladen wurden. 2010 – da war das Phänomen Amateur-Coverversion noch relativ jung. Da wurde noch nicht so gnadenlos jede noch so beknackte Komposition nachgesungen.
Nun, der Song gelangte auch in diverse Casting-Shows und Ende letzten Jahres zum britischen X Factor . James Arthur wurde mit seiner Version Sieger und zum Star. Das mag nun die meisten Über-20-Jährigen ziemlich kalt lassen: wer will schon was von Casting-Stars wissen? Allerdings bedeutet Superstar oder Idol zu sein in Großbritannien noch mal etwas anderes als in Deutschland. Klar sind diese Art von Shows mindestens genauso verhasst wie hierzulande, alle Jahre wieder gibt es Aktionen und Versuche mit Sinnlos-Downloads die sichere Nummer 1 für den Sieger oder die Siegerin zu verhindern. Auch die Kritik an der künstlichen Produktion von Pop-Stars und der Riesenvermarktungsmaschine drumrum wird immer wieder geäußert. Allerdings haben die Briten da wohl noch nie die deutsche Variante erlebt. Zumindest haben die meisten der Gewinner und Gewinnerinnen doch tatsächlich was auf dem Kasten, hin und wieder sogar einen eigenen Stil und sie sind eben nicht 15 oder 16, sie sind Mitte 20 oder auch älter und haben schon einige Erlebnisse mehr hinter sich. Was man an den Interpretationen durchaus hört.
Im Fall von James Arthur und seiner Version von Impossible wird das ganz schön deutlich. Der junge Mann mit dem Waschbärgesichtchen darf nämlich vor allem eines: mit viel Inbrunst singen und sogar die Brüchigkeit seiner Stimme zeigen. Zum Abschluss der Show mit aller Freude und Überwältigung über den Sieg natürlich noch ein Stückchen mehr als auf der sauberen CD-Aufnahme.
Nun ist so ein Sieg natürlich wirklich eher ein Hindernis im Business. Alle, die nicht Woche für Woche mitfieberten winken ab und so ein Titel hat nirgendwo ernsthaft eine Chance. Und ein Sieger aus Großbritannien? Noch uninteressanter. So blieb also auch James Arthur erstmal der europaweite Erfolg verwehrt. Ein kleiner Achtungsaufenthalt in den deutschen Singlecharts im Januar, das war’s dann auch schon. Da brauchte es also auch hier eine Initialzündung. Und die kam mit der zweiten Mottoshow der aktuellen DSDS-Staffel. Ricardo Bielecki sang den Song und plötzlich finden ihn Millionen von Teenies geil und laden den Track. Passiert jede Woche mit mindestens einem Titel immer wieder. Ungewöhnlich ist dagegen, dass der Titel auch eine Woche danach noch gefragt ist, dass auch andere Medien beginnen den Titel einzusetzen. Das dürfte dann schon daran liegen, dass dieser Titel eben auch abseits von TV-Inszenierungen funktioniert. Auch ohne Milchbubikandidatenhintergrundwissen.
Natürlich lässt sich auch eine ganze Menge kritisieren an Impossible. Die gerade gepriesene Hörbarkeit der Gefühle ist mit Sicherheit ordentlich kalkuliert. Authentizität ist nicht erst seit ein paar Tagen ein Verkaufsvorteil, Passenger macht nichts anderes, nur verheimlicht er eher, dass auch sein Hit von ausgeklügelter Produktion und Technik abhängt. Deshalb funktioniert’s bei vielen auch noch besser. (Und deshalb kriegt man umso mehr Schelte, wenn man es ausspricht.)
Es lässt sich an James Arthur auch bemängeln, dass die Streicher im Hintergrund wirklich ganz schön fett aufgetragen sind und die Tränendrüsen arg bedrängen. Und auch das ordentlich vordergründige Schlagzeug ist eher nervend…
Aber nochmal: man sollte in diesem Fall auch das Umfeld in Betracht ziehen und schauen, wo diese Produktion herkommt. Für ein sehr genau kalkuliertes Casting-Produkt ist Impossible erstaunlich überzeugend. Wer’s nicht glaubt, der/dem sei noch mal das deutsche Superstar-Ergebnis von 2012 ans Ohr gelegt.
Freitag, 5. April 2013
P!NK Featuring Nate Ruess: Just Give Me A Reason
Die neue, aktuelle P!NK ist irgendwie auf Balladen abonniert. Auf kraftvolle Balladen, aber es ist doch irgendwie getragener, was sie da so von ihrem Album The Truth About Love auskoppelt. Vielleicht liegt es am Thema. Auch ihre aktuelle Single Just Give Me A Reason ist wieder so ein Song: energetisch und laut, aber irgendwie auch gezügelt, auf eine Art gefühlvoll. – Und die Menschen mögen es derartig, dass sie sich mit jeder neuen Single mehr in die Riege der erfolgreichsten Künstlerinnen aller Zeiten drängelt.
Über P!NK hab ich hier allerdings schon ein bisschen was geschrieben, das könnte ich an dieser Stelle wiederholen – macht nicht so viel Spaß. Da ist es ganz gut, dass Just Give Me A reason einen Namen vorstellt, den ich ganz gern noch etwas genauer durch den Kakao ziehe: Nate Ruess dürfte den meisten Musikinteressierten seit dem letzten Frühjahr ein Begriff sein, als seine Band FUN. nämlich mit dem schönen Titel We Are Young für einigermaßen Aufsehen sorgte. Das war eine etwas komplizierte Produktion, nicht gleich so Tageshit-eingängig, trotzdem eine absolute Hymne und am Ende doch ein Ohrwurm. Und der setzte sich dann auch recht gut durch.
Die Erwartungen waren also hoch an das, was da folgen sollte. Und die Band macht es einem auf keinen Fall leicht, sie einfach so zu mögen. Schon Some Nights lieferte einen recht düsteren Einblick in die Gedankenwelt und das wilde Durcheinander an Gefühlen und Ungewissheiten der Band. Militärgetrommel, patriotische Verse, Gottesfurcht, Heldentum; Familienbande … Versatzstücke, die im Jahr 2012 nicht so ohne Weiteres in einem Pophit vorkommen. Und zumindest Fragezeichen aufwerfen, wenn sie dann schon mal aus der Kiste geholt werden. Auch FUN. haben sich damit doch recht nahe einer neo-konservativen Haltung positioniert – nicht mal ironisch gebrochen.
Gleichzeitig reflektieren diese kruden Gedankensplitter und Fragezeichen sehr genau die komplizierte Welt. Das mit der Urangst und den Ungewissheiten lässt eben schnell zu einfachen Antworten aus vorigen Jahrhunderten greifen. Da passiert es ganz schnell und eine komplette Generation verliert mehr oder weniger die Übersicht. Und Gut und Böse gibt es so rein ja auch schon eine ganze Weile nicht.
P!NK hat sich offenbar irgendwie angezogen gefühlt, von der (neuen) Art all diese Unwägbarkeiten und unklaren Halbgedanken auszusprechen und dabei auch laut seine Verzweiflung (oder Freude) kund zu tun. Und so wagt die gestandene Rocklady direkt den Schulterschluss mit der nächsten Musikergeneration. Das passt ganz gut. Laut und direkt – das ist P!NK ja ohnehin gern. Hin und wieder etwas abwegig oder auch mal zu fix mit dem was sie so in die Welt setzt, ist sie auch. Jetzt kombiniert sie also ihre sehr authentische Art mit ein wenig Abwegigkeit mehr und mit einer eher prägnanten Stimme – in diesem Zusammenhang lässt sich das durchaus als Glamour beschreiben.
So gesehen ist Just Give Me A Reason tatsächlich ein bisschen mehr als ein weiterer Herzschmerz-Song. Bezeichnend ist an dieser Stelle, dass vor allem die Live-Version dieses Titels deutlich mehr an Emotion transportiert als die dann doch ein wenig zu glatt produzierte Studioversion. Wenn es dann nur noch Radio-Rockpop ist, dann verliert auch die schönste Kombination ihren Reiz. Könnte trotzdem gut sein, dass sich dieses Duett zu einem Klassiker entwickelt, der auch in 20 Jahren noch von Casting-Kandidaten mit viel Inbrunst interpretiert wird.
Über P!NK hab ich hier allerdings schon ein bisschen was geschrieben, das könnte ich an dieser Stelle wiederholen – macht nicht so viel Spaß. Da ist es ganz gut, dass Just Give Me A reason einen Namen vorstellt, den ich ganz gern noch etwas genauer durch den Kakao ziehe: Nate Ruess dürfte den meisten Musikinteressierten seit dem letzten Frühjahr ein Begriff sein, als seine Band FUN. nämlich mit dem schönen Titel We Are Young für einigermaßen Aufsehen sorgte. Das war eine etwas komplizierte Produktion, nicht gleich so Tageshit-eingängig, trotzdem eine absolute Hymne und am Ende doch ein Ohrwurm. Und der setzte sich dann auch recht gut durch.
Die Erwartungen waren also hoch an das, was da folgen sollte. Und die Band macht es einem auf keinen Fall leicht, sie einfach so zu mögen. Schon Some Nights lieferte einen recht düsteren Einblick in die Gedankenwelt und das wilde Durcheinander an Gefühlen und Ungewissheiten der Band. Militärgetrommel, patriotische Verse, Gottesfurcht, Heldentum; Familienbande … Versatzstücke, die im Jahr 2012 nicht so ohne Weiteres in einem Pophit vorkommen. Und zumindest Fragezeichen aufwerfen, wenn sie dann schon mal aus der Kiste geholt werden. Auch FUN. haben sich damit doch recht nahe einer neo-konservativen Haltung positioniert – nicht mal ironisch gebrochen.
Gleichzeitig reflektieren diese kruden Gedankensplitter und Fragezeichen sehr genau die komplizierte Welt. Das mit der Urangst und den Ungewissheiten lässt eben schnell zu einfachen Antworten aus vorigen Jahrhunderten greifen. Da passiert es ganz schnell und eine komplette Generation verliert mehr oder weniger die Übersicht. Und Gut und Böse gibt es so rein ja auch schon eine ganze Weile nicht.
P!NK hat sich offenbar irgendwie angezogen gefühlt, von der (neuen) Art all diese Unwägbarkeiten und unklaren Halbgedanken auszusprechen und dabei auch laut seine Verzweiflung (oder Freude) kund zu tun. Und so wagt die gestandene Rocklady direkt den Schulterschluss mit der nächsten Musikergeneration. Das passt ganz gut. Laut und direkt – das ist P!NK ja ohnehin gern. Hin und wieder etwas abwegig oder auch mal zu fix mit dem was sie so in die Welt setzt, ist sie auch. Jetzt kombiniert sie also ihre sehr authentische Art mit ein wenig Abwegigkeit mehr und mit einer eher prägnanten Stimme – in diesem Zusammenhang lässt sich das durchaus als Glamour beschreiben.
So gesehen ist Just Give Me A Reason tatsächlich ein bisschen mehr als ein weiterer Herzschmerz-Song. Bezeichnend ist an dieser Stelle, dass vor allem die Live-Version dieses Titels deutlich mehr an Emotion transportiert als die dann doch ein wenig zu glatt produzierte Studioversion. Wenn es dann nur noch Radio-Rockpop ist, dann verliert auch die schönste Kombination ihren Reiz. Könnte trotzdem gut sein, dass sich dieses Duett zu einem Klassiker entwickelt, der auch in 20 Jahren noch von Casting-Kandidaten mit viel Inbrunst interpretiert wird.
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