Samstag, 20. April 2013

WAX: Rosana

Es gibt einen Titel zur Zeit, der ist auf eine Art enorm entspannt, sogar ein klein wenig abwegig, so dass es für eine gewisse Coolness reicht und dann ist dieser Titel gleichzeitig auch total daneben und peinlich. Ich rede von Rosana und dem Mann dahinter WAX.



Schon mit der allerersten Begegnung ist mir klar: das wird keine leichte Nummer, sich hier zu positionieren. Erst mal lassen mich die Bläser im Latin-Stil aufhorchen. Dann ist da ein doch eher ungewöhnlicher Rhythmus – das ist alles reichlich faszinierend und auch überzeugend bis mitreißend. Der Mann dahinter hatte sich gerade von seinem Label DefJam getrennt, zeugt durchaus von einer gehörigen Portion Aberwitz. Zumal DefJam jetzt auch nicht die allerschlechteste Referenz im Musikgeschäft sind. Aber dann ist da dieser Text, der mich irgendwie beim Mitwippen stört. Was singt /rappt der da eigentlich? Das ist überaus sexualisiert – ok, solche Momente sind absolut eine geile und anmachende Nummer. Aber ist das wirklich in Ordnung für die Frau? Wird sie hier nicht zum bloßen Triebbefriedigungsgegenstand? Naja – sie ist ja zumindest stimmlich auch ordentlich präsent und lässt sich mit ihrem “What’s my motherfucking name?” garantiert nicht die Butter vom Brot nehmen. Allerdings: wir leben im Jahr 2013 – Ironie ist immer noch die allgegenwärtige Haltung. Wer spielt da eigentlich mit wem?

Und nach einer Weile bin ich mir bei der Art des Refrains auch nicht mehr sicher. Ganz allein in meinem Zimmerchen kann ich gut drauf, aber sobald der Sound etwas lauter und in größeren Räumen ertönt, klingt er schon ganz schön anbiedernd und cheesy. Ist der Track womöglich gar nicht cool? Mir ist es jedenfalls ordentlich peinlich zuzugeben, dass ich Rosana irgendwie auch mag. Vor allem wenn ich das Video dazu anschaue. Das ist schon witzig: Mexikanerhüte, Oberlippenbärte, die mindestens angeklebt sind und ein Rapper, der vor allem verstört und bescheuert rüber kommt. WAX kann sich ganz gut auch selber auf die Schippe nehmen.

Aber dann ist da auch diese eher Schenkelklopfnummer auf Musikantenstadlniveau: jede Szene spielt mit unseren allertriebhaftesten Phantasien spielt. Spielt? Wirklich? - Nach der ersten Variation hab ich’s doch gecheckt und weiß schon was kommt. Da ist dann maximal lustig, was WAX noch so alles einfällt. Überraschend ist das gar nicht so sehr.



Trotzdem lach ich (fast ) bei der einen oder anderen Stelle. Der Herr hat es also offenbar drauf mich zu foppen und auf falsche Fährten zu locken. Und vielleicht ist es auch das, was mich dann wieder überzeugt. Auch wenn ich es eigentlich ziemlich doof finde, dass nur die Dame im heißen Bikini oder in Unterwäsche durchs Video hüpfen muss. WAX selber trägt ganz macho-like Schlabber-Boxershorts und ein nicht mal sexy Unterhemd. Sind die Rollen also doch ordentlich ungerecht verteilt. Und Klischees über Mexikaner auszupacken ist doch eigentlich auch doof, oder?

Wie gesagt: die Kritik funktioniert dann jeweils nur halb, weil es genügend Brüche gibt. Welcher Rap-Künstler schafft es schon, sich ordentlich zum Affen zu machen und als Volltrottel hinzustellen? Welcher HipHop-Song von einem Mann erzählt schon, dass der Typ das sexuelle Verlangen der Frau irgendwie nicht richtig packt? - Ist das der Grund, warum Rosana im Moment nur in deutschsprachigen Raum ein Hit ist? In den Gebieten, in denen die Jungs den Text automatisch verstehen, klappt's nicht so gut. Weil die meisten Jungs eben doch nicht zu Idioten gemacht werden wollen. (Obwohl sie es ja durchaus oft genug sind. Aber das zuzugeben benötigt schon ordentlich Größe.)

Und damit gelingt WAX auf jeden Fall, sich komplett und auf mehreren Ebenen dem zu entziehen, was wir so gern zelebrieren: Einordnung und Bewertung. Die Welt ist nunmal nicht schwarzweiß. Und so ist es auch nicht Pop-Musik. Und auch nicht HipHop. Und Rollenbilder erst recht nicht. Das finde ich ordentlich anerkennenswert. Auch wenn ich trotzdem niemandem sagen werde, dass ich den Track tatsächlich auf meinem mp3-Player gebunkert habe.


PS: Ganz zufällig erwischte ich mich kürzlich bei einer belgischen Band in genau derselben Situation. Frag ich mich nun: Machen Vive la Fête nicht genau dasselbe? Fette Coolness auf der einen Seite und die totale Proleten-Nummer auf der anderen? Und viel viel Spielraum dazwischen. - Ich denke, wir werden uns künftig noch einige male mit dieser Art der Uneindeutigkeit beschäftigen müssen.




2 Kommentare:

  1. Nicht persönlich nehmen: Aber nimmst du die Sache nicht viel zu ernst? Mir ist durchaus bewusst, dass der Song nicht die große Botschaft vermittelt... Ich höre diese Musik trotzdem gerne, man muss ja nicht auf den Text hören. Die Sexismus-Debatte neu zu befeuern muss nun wirklich nicht sein.
    Das der Song nur in anderssprachigen Ländern Erfolge zu feiern mag, gibt dir ein Stück weit Recht, aber es zeigt auch die deutsche Mentalität: Humorvoll wie ein Stein...

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  2. Ich find den Titel auch lustig - und das Video erst recht. Und ich mag den Song auch - hab ich ja geschrieben.
    Trotzdem find ich's blöd, wenn Menschen wegen Äußerlichkeiten in eine Schublade gesteckt werden. Oder über sie Witze gemacht werden. Leider ist das eben nicht lustig, wenn man die Person ist um die es da gerade geht.
    Bei WAX ist es wenigstens so, dass er auch über sich selber lachen kann - das mag ich. Und deshalb find ich ihn auch keinesfalls schlimm.

    PS: wenn der Text eigentlich unwichtig ist, dann könnte man ihn doch auch weglassen. Oder einfach nur Lalala singen. Wär der Titel dann immer noch so cool oder lustig?

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