Freitag, 21. Juni 2013

sportfreunde stiller: applaus!! applaus!!



Um es gleich vorweg zu nehmen: wenn ihr die Sportfreunde Stiller mögt, dann hört am besten hier sofort auf zu lesen. Was jetzt kommt wird euch weder gefallen, noch werdet ihr dem zustimmen können. Ich kann nämlich mit den Sportfreunden Stiller nichts anfangen– konnte ich noch nie. Und anlässlich des durchschlagenden Erfolges von applaus!! applaus!! versuche ich nun rauszukriegen, warum eigentlich nicht.

Punkt 1: ich kann überhaupt nichts mit Fußball anfangen. Aber was heißt das schon? Ich hab viele Freunde, die absolute Fußballfanatiker sind, mit denen bin ich gern zusammen und die find ich sogar cool. Nur gemeinsam Fußball-Schauen, das geht halt nicht. Da diesen Freunden das auch völlig Wurscht ist, ob ich mich da nun begeistere oder nicht, können wir sehr viele Dinge gemeinsam unternehmen, sogar in Urlaub fahren und es fetzt. Dann gibt es noch ein paar Freunde, die versuchen mich immer mal wieder zu überzeugen: "Ach, komm doch mit zum Public Viewing …" Das ist dann schon anstrengend. "Nö danke, eigentlich nicht …" Irgendwie komm’ ich da schon fast in Rechtfertigungszwang, warum ich denn nicht ballsportfanatisch bin. Das ist ein Punkt, da wird's schwierig. Irgendwie kann ich mich da nicht mehr ungezwungen so verhalten wie ich nunmal bin. Irgendwas ist da im Weg – irgendwie fühl ich mich plötzlich unnormal.

Bei Sportfreunde Stiller, die ja ganz ordentlich bekennend Fußballfans sind, geht's mir durchaus ähnlich. Sie singen gern von ihrer Leidenschaft und ich bin außen vor. Was soll ich mit so einer Hymne auf diesen Mannschaftssport anfangen? Das geht ins Leere. Ist auch nicht schlimm. Man muss nicht alle Lieder dieser Welt mögen.

Punkt 2: Laut wikipedia-Artikel sind die Sportfreunde eine Indie-Rock-Band. Hmm – also Indie (Independent = unabhängig), was bedeutet denn das? Unabhängig von einem großen Label? Wohl eher nicht. UNIVERSAL als Mutter ist alles andere als Independent. Unabhängig von bestimmten Soundentwicklungen? Vielleicht von Elektronik? – Das könnte schon sein. Die Sportfreunde lieben akustische Instrumente und Live-Auftritte. Und ehrlich gesagt hätten ihre Songs vermutlich genauso wie heute schon 1993 entstehen können. Damals hätten sie vielleicht nicht so viel Freude bei den Massen ausgelöst, aber wirklich anders geklungen hätten sie vermutlich nicht.

Das finde ich für Musik schon auch eine problematische Geschichte. Irgendwie hab' ich es lieber, wenn mir Musik auch etwas mehr zumutet als nur einen schönen Text und eine hübsche Melodie. Sicher, manchmal reicht das. Aber so richtig spannend wird’s doch erst wenn sich der Effekt einstellt: boah – das hab’ ich jetzt aber wirklich so noch nicht gehört. Dieser Effekt stellt sich für mich bei den Sportfreunden überhaupt nicht ein. Auch das ist überhaupt nicht schlimm. Wie gesagt, es ist völlig in Ordnung, wenn Musik einfach dadurch überzeugt, ein einmal für gut befundenes Konzept mit gutem Handwerk zu wiederholen. Vorwärts geht es damit allerdings nicht.

Punkt 3: Die Stimme und der Gesangsstil von Sänger Peter Brugger sind mir irgendwie zu langweilig. Obwohl ich es ganz angenehm finde, wenn Menschen so sind wie sie sind. Und ich mag es auch, wenn jetzt nicht so sehr gestelzt formuliert gesungen wird. Also vom Prinzip schreie ich Hurra, wenn jemand Alltagssprache benutzt – und auch so singt. Und trotzdem hab ich bei den Sportfreunden das Gefühl: naja, Gesang ist das ja irgendwie nicht. Das können vielleicht Gesangstrainer wiederlegen – wahrscheinlich ist es sogar total schwer so ganz normal zu singen, so als würde man gar nicht singen. Mir kommt das immer ein bisschen zu schnoddrig vor. So in der Art: ich weiß auch nicht so genau, was ich hier tu, aber es ist ja auch egal. Egale Musik will ich aber nicht wirklich hören. Ich will gemeint sein als Zuhörer und ich will, dass der Mensch, der da singt auch tatsächlich singen will. Sonst soll er halt seine Texte sprechen – das ist auch schön. Anne Clarke und LEBENdIGITAL haben das wunderbar vorgeführt. Das ist mindestens genauso Indie und manches sogar genauso akustisch – und es macht mir trotzdem Spaß da zuzuhören. Ich mag es sogar.

Punkt 4: Die Geschichten, welche die Sportfreunde Stiller erzählen, sind nicht meine. Und das ist vermutlich das ganz ganz große Problem. Was genau von diesen Texten habe ich denn nicht schon mal gehört? Oder anders: was davon ist überraschend neu? Die Fußballhymne ist es nicht. Das Liebeslied, das ist natürlich etwas sehr individuelles. Vielleicht ist da Ein Kompliment tatsächlich der ungewöhnlichste Moment, weil die Erklärung “Ich wollte nur mal sagen …” auch ein kleines Eingeständnis ist, dass die Situation schwierig ist, unbekannt, und irgendwie weiß er jetzt auch nicht, wie er das ausdrücken soll, dass er diese Frau mag. Bei applaus!! applaus!! ist es schon wieder viel mehr Mainstream-Rollenverständnis: der Mann ist zu schnell aufgebracht, ballt die Fäuste und will mit dem Kopf durch die Wand. Die Frau ist die beruhigende, sanfte, diejenige welche weiß wie die Situation zu entschärfen ist, die Emotionale. Das sind Bilder die wir tagtäglich überall vorgeführt bekommen. Sie sind natürlich auch manchmal zutreffend. Allerdings meist nicht in der Plattheit und Verkürzung wie sie weitergegeben werden. Und das fehlt mir an dieser Stelle: der Punkt an dem das Hochglanzabziehbild gebrochen wird.

Natürlich sind Liebeslieder auch dafür da, den oder die Angebetete in den Himmel zu heben. Bei applaus!! applaus!! scheint dieser Himmel allerdings nicht ganz so hoch zu hängen. Das ist recht normal: ein paar Worte, ein bisschen Händchenhalten. Dafür gibt es dann auch Applaus. – Mir wäre das jetzt etwas zu wenig. Oder zu bieder. Ein Danke wär’ mir da vielleicht lieber als der Wunsch “Hör niemals damit auf!” – und das auch noch unter Beifall. - Aber ich bin auch keine Frau.

Wirklich schlimm finde ich die Heroisierung der Provinz. Ein Album New York – Rio – Rosenheim zu nennen ist das Eine. Das kann sogar witzig sein. Das aber damit zu begründen, dass Rosenheim "sehr viel reizvoller" sei als Tokyo – uiuiui, da lehnen sich drei Kleinstädter aber ordentlich weit aus dem Fenster. Und ich frage mich auch, haben die drei Jungs jemals in Tokyo gelebt? Sicher – auch das Leben in einer kleinen Stadt hat Reize und Vorzüge. Von diesen aber zu behaupten, dass sie alles das aufwiegen, was eine große Stadt zu bieten hat, das halte ich für ordentlich gewagt. Und übertrieben.

Vielleicht mögen die drei Jungs es ja, dass es kein großes Kulturangebot gibt, oder dass man erst mit dem Auto in die nächste Stadt muss um sich vernünftige Klamotten oder auch nur eine Kinokarte zu kaufen. Rumhängen auf dem leergefegten Marktplatz oder an der Tanke als Freizeitbeschäftigung einer ganzen Jugend – sehr aufregend. Vielleicht ist es ihnen recht, dass sie seit ihrer Kindheit alle kennen und eigentlich ist auch schon klar, mit wem sie ihren Lebensabend verbringen. Ja – das gibt schon auch Sicherheit. Aber – noch einmal – es ist zu ganz ganz weiten Teilen enorm statisch und unveränderbar. Leider ja auch in den Dingen, die nicht funktionieren und ätzend sind. Zum Beispiel die Gleichstellung von Mann und Frau, die Möglichkeit so zu leben, wie es einem gefällt, jenseits von traditionellen heterosexuellen Kleinfamilien. Nein, nein – Provinz ist nicht der Super-Gegenentwurf zur ziemlich durchgequirlten und zersplitterten, auch sehr kaputten Großstadtgesellschaft des Jahres 2013. Auch wenn es gerade eine unglaubliche Welle von Versuchen gibt, dieses Bild zu vermitteln. Kleinstadt und Provinz – das ist in all diesen Versuchen nichts weiter als eine romantische, nicht existierende, idealisierende Traumlandschaft. Provinz – das ist nämlich an vielen Stellen einfach auch einengend und ätzend.

An den Sportfreunden Stiller kann man ganz gut ablesen, was Provinz und Kleinstadt mit Menschen macht. Es bringt sie dazu sich nahezu komplett an der herrschenden Mehrheit zu orientieren und nichts zu tun, was davon abweichen könnte. Die Sportfreunde sind so derartig affirmativ zum Mainstream – da ist gar nichts independent. Und das ist es, was mich so langweilt, beinahe schon annervt. Und das ist es auch, was ihnen einen derartigen Erfolg beschert.

Mir sind Kraftklub als Großstadtlebenhasser wesentlich näher. Die kann man wenigstens aus ganzem Herzen doof finden. Nicht mal das klappt bei den Sportfreunden.






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen