Freitag, 14. Februar 2014

REVOLVERHELD: Ich lass für dich das Licht an



Wenn eine deutsche Band es schafft, überzeugende Liebeslieder zu schreiben und dann auch noch genauso überzeugend aufzunehmen, ohne dabei in den kompletten Kitschtopf zu fallen, dann sind das wahrscheinlich REVOLVERHELD. Na gut, Jupiter Jones haben da auch schon ordentlich Maßstäbe gesetzt. Aber die habe ich irgendwie in den letzten beiden Jahren doch nicht mehr so wahrgenommen.

Ich lass für dich das Licht an berührt mich als erstes durch den Text. Das was Johannes Strate da aufzählt ist ein bisschen die Fortführung von der Idee: “Du bist das Wasser ich bin der Fisch“– allerdings viel viel uneitler. Was ist eigentlich wichtig, außer dem geliebten Menschen? – Diese Bedingungslosigkeit ergreift mich wirklich. Ja – das ist Hingabe. Das ist Liebe.

Das ist natürlich auch ordentlich romantisch und vielleicht sogar ein bisschen weltfremd – würde ich wirklich meine Plattensammlung verbrennen? In der zunächst ganz sparsamen Instrumentierung, in der Reduzierung einfach auf dieses Geständnis und in der ziemlich ungeschminkten Art, wie Johannes Strate das vorträgt – in dieser Interpretation glaub’ ich trotzdem dran. Für diesen einen Augenblick ganz bestimmt. Wer so ehrlich ist, sich so gar nicht versteckt, sich traut an die eigenen Grenzen zu gehen, den muss man doch erhören, oder? Wenn nicht diese Liebe Berge versetzen kann – was dann?

Und ich höre wie dem Sänger beinahe die Stimme wegbleibt, ich hab’ sogar richtig Angst, dass er den Ton vielleicht nicht 100% trifft – egal, eigentlich kann es gar nicht schief gehen. Tut es auch nicht. Und deshalb ist dann auch der Heiratsantrag vielleicht nicht perfekt inszeniert in Worten ausgedrückt, aber eben aufrichtig und ehrlich und schön.



Natürlich sind solche Heiratsanträge in der Öffentlichkeit echt eine schwierige Nummer. Zuviele Bachelor- und Herz-sucht-Dich-TV-Shows haben aus diesem eigentlich intimen und privaten Moment schon alles rausgepresst, was an Gefühlsduselei nur geht. Ich will das gar nicht mehr mit 1.000 000 Menschen gleichzeitig verfolgen wie zwei sich entscheiden, ewig miteinander zu leben. Die überbordende Heiratswerbemaschinerie auf allen Kanälen und in allen Zeitungen scheint die komplette Gesellschaft derzeit in eine Art wahnhaften Rausch zu peitschen. Da krieg ich angesichts von millionenfachem Hochzeitsglück und Brautpaaren des Jahres fast schon das Kotzen. Was wollen Menschen im Jahr 2013 eigentlich damit beweisen, dass sie wie bescheuert und vor allem recht häufig völlig überstürzt heiraten? Die Ehe als der letzte Zufluchtsort der Sicherheit? (Oder wahlweise auch der erste, denn dann geht’s ja alles viel leichter mit Kredit und Hausnestbau und und und...) Deshalb auch der große politische Streit darüber, wer nun ab wann eine richtige Familie ist und warum Paare ohne den Zettel weniger wert sind, nicht alle Vorteile genießen dürfen, die Verheiratete automatisch erhalten...

Trotz dieser ganzen Fragezeichen – und bei mir ja sogar eher Ablehnung der neokonservativen Heiratssucht – trotz aller Kritik an diesem Moment, ist das Video zu Ich lass für dich das Licht an der wahrscheinlich schönst Liebesschnulzenfilm seit Jahren. Ich sitz’ da, heule vor lauter Gefühlsquatsch, ein bisschen peinlich ist das Ganze natürlich auch, und kann nicht anders. – Das muss ein Video oder ein Lied erstmal so hinkriegen.

Dass das nicht einfach ist und keineswegs immer funktioniert, lässt sich an Revolverheld selber ausprobieren. Ihr Vorgänger Das kann uns keiner nehmen ist für mich so ein Beispiel. Da komme ich mit den seltsam biederen Blicken auf das Leben überhaupt nicht zurecht. Da ist mir der ganze Verkleidungs- und Inszenierungszirkus zu viel, zu unecht, der hymnenhafte Refrain ist mir nur peinlich …

Gut – lass ich die Vorgängersingle einfach das sein was sie ist: vorbei und gar nicht mehr so relevant. Ich lass für dich das Licht an versöhnt mich tatsächlich. Und irgendwie wünsch’ ich mir, dass die Jungs von Revolverheld künftig noch viel mehr und konsequenter auf Club-Act machen und die großen Konzerthallen und Stadien meiden. Lieber kleine private Geburtstagspartygeschichten mit individuellen und subjektiven Fehlurteilen als pompöse Lebensrückschauen mit Allgemeingültigkeitsplätzen. Das ist wahrscheinlich schwieriger zu machen, vor allem auf Dauer, aber irgendwie scheint's mir ehrlicher. Und schöner. Bei Ich lass für dich das Licht an hat's ja schonmal richtig gut funktioniert.





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