Da hab’ ich doch gedacht, ich käme drumrum um den Fußball-Song-Verriss. Aber die deutsche Mannschaft musste ja den Weltmeistertitel erkämpfen und das Land dreht quasi durch. Alles, was hier die große Euphorie nicht vorbehaltlos teilt, landet also automatisch in der Kiste “Spielverderber”. Ok – dann mal los!
Zunächst mal das Positive: Die WM-Songs, die sich in den letzten 8 Jahren durchgesetzt haben, kommen allesamt betont international daher. Zeit, dass sich was dreht von Herbert Grönemeyer Feat. Amadou & Mariam (und inoffiziell Hips Don’t Lie von Shakira & Wycleff Jean) im Jahr 2006, K’Naan mit Wavin’ Flag und (schon wieder) Shakira (featuring Freshly Ground mit Waka Waka 2010 und nun schließlich Pitbull Featuring Jennifer Lopez & Cláudia Leitte mit We Are One (Ole Ola) (und noch einmal Shakira mit Dare (La la la)). Es geht um das Gemeinschaftsgefühl, um den gemeinsamen Spaß, darum, dass die Welt eine Einheit ist und das gemeinsame Spiel verbindet. Wie schön!
Im Jahr 2014 ist es dann aber doch die inoffizielle Hymne Auf uns von Andreas Bourani, die den eigentlichen Songs die Show stiehlt. Es ist immer noch das Wir-Gefühl, das hier zelebriert wird, aber von der ganzen Welt ist nicht mehr die Rede. Da wird schon deutlicher eine Grenze gezogen: Wo es ein Wir gibt, da gibt es auch ein Ihr. Und dieses Ihr, das ist zumindest potenziell immer auch ein Gegner.
Im deutschen Fussball (und Sport) geht es demzufolge auch nicht um das gemeinsame Spiel – es geht immer um den Sieg. Alles andere ist nicht akzeptabel. Und das Ganze endet dann folgerichtig beim Gaucho Tanz. Auch wenn es nur als ein harmloser Witz gemeint war, den Sieg zu holen allein reichte offenbar nicht, der Verlierer muss es auch ertragen können, dass man sich in seiner Freude lustig über ihn macht. Da waren die Gesten nach dem Spiel gegen Brasilien irgendwie kollegialer, respektvoller und angenehmer. Aber da war ja auch der Titel noch nicht gewonnen.
Vom Fußballfeld zurück zur Hymne, die in diesem Jahr tatsächlich nicht gerade vor Überraschungen strotzt. Ist also kein Wunder, dass sich so ein selbstfeierndes Lied mehr durchsetzen konnte. Pitbull als Hauptact zu setzen ist angesichts seiner derzeitigen, weltweiten Verkaufsstatistik nicht mal mehr berechnend zu nennen. Das ist anbiederndes Volksmusikgebaren. Es braucht dann auch nur wenige Sekunden um mitzukriegen, dass Pitbull allerhöchstens noch als Lachnummer zu akzeptieren ist. Die südafrikanische Band Die Antwoord haben da auch gleich ein prima Video zu gemacht: Pitbull Terrier.
Der Song wird dann in ein irgendwie südamerikanisch klingendes Melodie- und Soundgewand gepackt … und prompt gibt es Reaktionen aus dem Land der WM: Warum um alles in der Welt muss es denn so ein klischeebeladener Pop-Ethno sein? Gibt es nicht genügend brasilianische Musik und Interpreten? – Doch gibt es, aber wer versteht das schon in anderen Regionen dieser Welt?
Mit Brasilien hat der Song also nicht so viel zu tun – auch wenn sich das in Mitteleuropa und Deutschland irgendwie immer so anhört. Mit Fußball nur bedingt. Wenigstens bringt das Video ganz schön die Momente voller überschäumender Freude rüber. Wenn das Glück so groß ist, dass man ausnahmslos alle umarmen könnte und mit allen zusammen feiern. In Realität hat das der Song dann aber leider doch nicht hingekriegt. Vielleicht ist Shakira wirklich einfach die bessere Ganze-Weltmusikerin.
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