Dienstag, 30. September 2014

Calvin Harris Feat. John Newman: Blame



Es ist der zweite Hit für Calvin Harris in diesem Jahr. Und es schwappt in die Radios und unser Bewusstsein mit dem beginnenden Herbst – die Sommerhits verlieren langsam an Faszination, neue Musik muss her.
Die Kombination Calvin Harris – John Newman ist clever, wenn auch im Endeffekt wenig überraschend. Das was der Sänger solo hinbekommen hat, eindrucksvoll Gefühl transportieren trotz elektronischer Produktion, das geht mit Calvin Harris dann doch zu großen Teilen verloren. Zu viel Großraum-Party und Rave-Signal.

Schade.


Freitag, 19. September 2014

CRO: Bad Chick

Ich kenne eine Menge Leute, die gut und gerne als Kenner von Popmusik durchgehen oder sich sogar selbst so beschreiben würden. So unterschiedlich sie sein mögen, sie alle hassen CRO. Sie finden ihn schlimm, dumm, sexistisch, langweilig, weichgespült ...

Ich gehöre vermutlich eher zu der Gruppe der Nicht-Wisser, denn was so abgrundtief schlimm und schrecklich an CRO ist, hat sich mir bislang noch nicht erschlossen. Ich nehme vor allem wahr: Da kommt einer, bleibt insgesamt dann doch recht bodenständig, und weiß wie er die Kids (und auch die ein wenig Älteren) begeistern kann. Ist CRO einer, an dem man den Generation-Gap festmachen kann?

Und auch wenn ich mir seine Auftritte in den Medien anschaue, dann denke ich eher häufig: Schlägt sich nicht schlecht, der Bursche. Ohne sich von noch dümmeren und oberflächlicheren Fragen und Bemerkungen verrückt machen zu lassen, bleibt er ruhig, kann auch mal über einen Spaß lachen, nimmt sich sogar selbst auf die Schippe und sieht dabei trotzdem nicht doof aus. Die Superstar-Moderatoren-Teams sehen dagegen ganz schön hohl und doof aus. Die neue Gelassenheit der nächsten Generation?

Naja, nun hat CRO mit Bad Chick endlich mal auch einen Single-Hit, der wirklich ganz eindeutig angreifbar ist. "Chick" – das darf man doch nicht sagen. Das ist definitiv frauenverachtend und damit sexistisch. Erwischt!

Aber natürlich hinkt dieser Vergleich ganz enorm. Denn im Jahr 2014 ist es ja fast schon wieder out, dass sich junge Frauen Strickmützen mit dem Aufdruck "Bitch" oder "Schlampe" aufsetzen. Die BitchBritneys und ElektroPunk Icona Pops haben bereits seit Jahren Gesellschaft aus dem NeoHippie/Hipster-Mainstream erhalten. Darf jetzt also auch ein Mann von seiner "Chick" singen, wenn sie jung, großstädtisch und cool ist?

Darüber dürfen wir gern noch ein Weilchen streiten. Und es kann durchaus passieren, dass doch eine dieser jungen coolen Frauen die Betitelung sehr Scheiße findet. Das darf sie dann auch sagen, auch laut – und hat guten Grund dazu. Der Typ, der gar nichts Böses wollte, muss das dann hinnehmen. Aus Versehen erschossen ist auch tot. Muss man vorher überlegen wo man hinzielt.

Mister CRO, der macht es noch ein klein wenig gewitzter. Der singt nämlich nicht von den Chicks allgemein, sondern nur von seiner. Und die scheint es tatsächlich ordentlich drauf zu haben. Könnte mir gut vorstellen, dass sie auf die Liebkosung als Huhn sogar ein bisschen stolz ist. Aber das weiß man nicht. Und fragen kann ich sie auch nicht.
Denn eigentlich weiß man bei CRO ja jetzt auch nicht genau, ob diese Frau überhaupt existiert. Der Junge ist ja verpeilt genug, da könnte dieses ominöse Chick wahrhaftig eine coole Ausrede sein, niemand hat sie gesehn, niemand kennt sie. Gibt es solche Frauen überhaupt?

Und weil sich dieses besungene Bad Chick als virtuelles Hirngespinst, nicht mal als Traum-Abziehbild entpuppt, rutschen auch die ganzen Kritiker von CRO mit ihren Vorwürfen ab. In dem Moment, in dem CRO sein Hühnchen ins Gespräch bringt, denunziert er sich selbst als Loser und Nicht-Draufhaber. Da muss er jetzt fast schon aufpassen, dass das nicht auch seine Freunde nervt.

Bislang finden die das richtig gut. CRO ist einer von ihnen. In gewisser Weise also ein Normcore-Star. Hier aber mal ganz positiv besetzt. Durchschnittlich sein, einfach und normal sein, und trotzdem gut drauf sein – das ist im Vergleich zu den überpotenten Gangster-Rap-Kings richtig wohltuend. Vielleicht ist CRO ernsthaft eine andere Art Star. Und vielleicht ist es das, was die vielen Musik- und Pop-Kenner nicht mögen. Mit solchen Normal-Stars muss man nämlich ganz anders umgehen. Nicht einfach.

Als Nicht-Auskenner bin ich darüber ein bisschen froh. Ja, CRO will sich nicht so recht festlegen und äußern, aber das ist mir allemal lieber als das unreflektierte Anbiedern an eine breite Massenmeinung wie sie beispielsweise Andreas Bourani vorführt. Und trotz aller Ironie ist CRO nie so peinlich debil wie all die Y-Tittis und Lochis, die ja auch nichts anderes wollen als Spaß. Und wenn ich dann lese, dass gerade die hochgetunten und zu Tode inszenierten Tokio Hotel ein Comeback starten, dann bin ich über die Normalität eines CRO noch 100 mal mehr froh. Im Vergleich zu den Magdeburgern sind seine Tracks doch prall von Leben.

Ob das alles genügt, um auch von der Kulturkritik ernstgenommen zu werden, das müssen andere entscheiden. Mir macht es erstmal noch eine Weile Spaß.

Freitag, 12. September 2014

The Script: Superheroes

Wie oft darf man sich eigentlich wiederholen? – Das ist die Frage, die mir durch den Kopf ging, als ich The Scripts neue Single Superheroes hörte, mit der die Band ihr viertes Album No Sound Without Silence ankündigt.

Obwohl sie es in ihren besten Songs schaffen, so etwas wie Feingefühl zu transportieren, oder auch mal mit etwas stilleren Tönen zu überzeugen, mit ihren Singles wollen sie vor allem eines: Die Leute mit Bombast-Sound wegbrettern. Das ist sogar erklärtermaßen ihr Ziel, wenn man den Entstehungslegenden glauben schenken darf. Denn angeblich wurde das Album eingespielt während ihrer 3 World Tour. Sozusagen runter von der Bühne, rein ins mobile Studio. Völlig überdreht und massenhysterisch infiziert wird losgespielt. Heraus kommt genau das: Pathetischer Monstersound.

Ebenso ist das Thema ihrer Single ganz groß aufgezogen. Es geht um Superheroes. Und damit nehmen sie den Faden ihrer Erfolgssingle Hall Of Fame auf. Sie haben sich offenbar noch nicht genug abgearbeitet an den überlebensgroßen Vorbildern und Anforderungen. Immer noch befinden Sie sich mitten drin in der kapitalischen Leistungsgesellschaft. Mehr mehr mehr, größer, weiter, schneller, besser.

Und so besingen The Script ganz ungebrochen den Weg, wie wir alle zu Superhelden werden können:
When you've been fighting for it all your life
You've been struggling to make things right
That's how a superhero learns to fly


Nie aufhören mit dem kämpfen, niemals klein beigeben, den Druck, den Schmerz verwandeln in Kraft. - Das klingt heldenhaft. Und es klingt vor allem unglaublich angepasst. Statt die Kraft zu benutzen, mit Mut und Geschick anzuwenden, um die Verhältnisse zu ändern und tatsächlich ein eigenes Leben zu führen, wird hier nur die Bestätigung dessen propagiert was uns umgibt. Kämpfe, sei hart und werde Teil des Systems. Dann hast du es geschafft und darfst mitspielen.



Es gibt eine Menge anderer Beispiele, wie mit Heldenträumen und Lust nach Mehr umgegangen werden kann. David Bowie hat schon in den 70ern erkannt: Held sein, das kann man auch nur einen Moment lang. Das Gefühl ist kein bisschen weniger heroisch oder erhebend. Nur der Weg ist wesentlich einfacher: Statt ein Leben lang Schläge einzustecken muss man sich lediglich auf einen Menschen einlassen.

Oder auch Friedrich Liechtenstein: der überzieht die Supergeil-Superhelden-Fantasien mit Ironie. Mehr und besser und härter und schöner und stärker ist eben vor allem eines: Albern.

Und noch ein Beispiel: Schauen wir uns Praia do futuro an, das gerade in die Kinos kommt. Karim Aïnouz zeigt hier motorisierte Superhelden, die hinter ihrer Maskerade alles andere als unverletzlich, heldenhaft und unbesiegbar sind. Und trotzdem ist das Ganze nicht weniger ein Märchen.

Nach wie vor würde ich Danny O'Donoghue ein bisschen mehr Realitätsnähe wünschen. Oder nicht mal das, denn dass das Leben kein ewiges Stadionrockkonzert ist, wissen The Script ja schon längst. Zumindest wenn ich ihren Albumtitel ernst nehme. Ich wünsche den Jungs einfach, in ihren Träumen ein klein wenig vom Maximalanspruch runterzukommen. Superhelden, die ihr ganzes Leben dafür leiden und kämpfen müssen um einmal fliegen zu können, sind ziemlich arme Wichte. Eine Welt, in der sich alle nur noch mehr panzern, um irgendwann mal unbesiegbar zu sein, ist eine Welt von sozial Gestörten im Egorausch.

Die echten Superhelden wären ihre harte Schale gern einmal los. Oder können sie sogar ablegen. Echte Superhelden kämpfen nicht ihr Leben lang um noch besser und noch superer zu werden – sie versuchen eher wie normale Menschen zu sein: verletzbar, schwach und einfach.



Samstag, 6. September 2014

MAROON 5: MAPS

Und da sind wieder MAROON 5. Das fünfte Album am Start, simpel betitelt V und vorab hingelegt die Single MAPS. Schon mit der ersten Begegnung ist klar: Nach den Pop-Ausflügen mit Overexposed im Jahr 2012 geht es nun wieder zurück zu den Ursprüngen. Da wo Maroon 5 herkommen.

Adam Levines' Stimme steht im Vordergrund – für meine Begriffe hier ein wenig zu sehr im Kopfstimmenbereich – begleitet von Gitarrenklängen und Schlagzeug. Mehr Rock, weniger Produktion – bis dann der Refrain einsetzt.

Das klingt erstmal nach mehr Authentizität, erinnert mich aber ganz schön stark an Sting und seine Band Police, und ich weiß gar nicht genau, warum hier doch recht deutlich Bezug auf den Poprock der 80er genommen wird. Sind unsere Lebensumstände wirklich so ähnlich?

Natürlich gibt es ein zwei Effekte, die vor 30 Jahren so noch nicht eingesetzt wurden. Dennoch bleibt das Ganze schön artig in den Grenzen, die der klassische Mainstream-PopRock seit einigen Jahrzehnten vorgibt. Dazu dürfte auch wesentlich Mister Ryan Tedder beigetragen haben, der für diesen Song nicht nur als Co-Komponist, sondern auch Co-Produzent verantwortlich zeichnet. Der hat seine Stärken vor allem dann, wenn er sich in eher poporientierten Gefilden herumtreibt. Dann fügt sein Stil dem Ergebnis etwas eher Ungewöhnliches und Spannendes hinzu, so wie kürzlich geschehen bei Ella Hendersons Ghost.

Die Geschichte, welche MAPS erzählt, ist bekannt und auch von Maroon 5 bereits mehrfach dargebracht worden. Er trauert über den Verlust seiner Liebsten. Offenbar hatten die beiden nahezu das Paradies auf Erden, aber irgendetwas lief da schief und nun ist das Glück verloren. Der starke Kerl kann sich das alles nicht erklären und alles was im bleibt ist ein trauriges, sehr sehr melancholisches Lied zu schreiben. Adam Levine gibt hier also zum wiederholten Male den verletzten und sensiblen Macho.

Dazu passt die Video-Bebilderung, welche die Fehlentscheidung und -handlung in eine recht drastische Story packt. Regisseur Peter Berg gelingt es so, das Drama noch einmal mehr emotional zu veranschaulichen. Wer jetzt nicht mit Adam Levine Mitleid hat, der ist wirklich ein hölzerner und gefühllpser Vollpfosten.



Allerdings erzählt die Geschichte auch einiges über die Sorglosigkeit und Beeinflussbarkeit junger Menschen im Jahr 2014. Offenbar schmeckt Adam Levine der Tequila ja gar nicht, und knutschen wollte er mit der Partyschönheit auch nicht. Aber natürlich ist es immer einfacher auf die vermeintlichen Freunde und die Mehrheit zu hören, einfach sich gehen lassen, mitmachen, bloß keine Position beziehen (was natürlich sehr viel Kraft und Selbstbewusstsein fordert), bloß nicht darüber nachdenken, was das eigene Handeln verursachen könnte. Im Video zu MAPS führt das konsequenterweise zum Tod der Geliebten. Im wahren Leben übrigens auch: Keine Meinung haben tötet Menschen.

Schön, dass Peter Berg das so schonungslos zeigt. Adam Levine allein (bzw. mit Band) bekommt solche Geradlinigkeit meist nicht so richtig hin. Wahrscheinlich fehlt es ihm auch einfach am Mut, Dinge so direkt zu benennen wie sie sind. Poetische Andeutungen sind offener, weicher und tun weniger weh. Übertragen auf das gesamte fünfte Album verheißt das wenig Überraschungen, aber eine Menge kaufhauskompitablen Hintergrundsound.