Freitag, 19. September 2014

CRO: Bad Chick

Ich kenne eine Menge Leute, die gut und gerne als Kenner von Popmusik durchgehen oder sich sogar selbst so beschreiben würden. So unterschiedlich sie sein mögen, sie alle hassen CRO. Sie finden ihn schlimm, dumm, sexistisch, langweilig, weichgespült ...

Ich gehöre vermutlich eher zu der Gruppe der Nicht-Wisser, denn was so abgrundtief schlimm und schrecklich an CRO ist, hat sich mir bislang noch nicht erschlossen. Ich nehme vor allem wahr: Da kommt einer, bleibt insgesamt dann doch recht bodenständig, und weiß wie er die Kids (und auch die ein wenig Älteren) begeistern kann. Ist CRO einer, an dem man den Generation-Gap festmachen kann?

Und auch wenn ich mir seine Auftritte in den Medien anschaue, dann denke ich eher häufig: Schlägt sich nicht schlecht, der Bursche. Ohne sich von noch dümmeren und oberflächlicheren Fragen und Bemerkungen verrückt machen zu lassen, bleibt er ruhig, kann auch mal über einen Spaß lachen, nimmt sich sogar selbst auf die Schippe und sieht dabei trotzdem nicht doof aus. Die Superstar-Moderatoren-Teams sehen dagegen ganz schön hohl und doof aus. Die neue Gelassenheit der nächsten Generation?

Naja, nun hat CRO mit Bad Chick endlich mal auch einen Single-Hit, der wirklich ganz eindeutig angreifbar ist. "Chick" – das darf man doch nicht sagen. Das ist definitiv frauenverachtend und damit sexistisch. Erwischt!

Aber natürlich hinkt dieser Vergleich ganz enorm. Denn im Jahr 2014 ist es ja fast schon wieder out, dass sich junge Frauen Strickmützen mit dem Aufdruck "Bitch" oder "Schlampe" aufsetzen. Die BitchBritneys und ElektroPunk Icona Pops haben bereits seit Jahren Gesellschaft aus dem NeoHippie/Hipster-Mainstream erhalten. Darf jetzt also auch ein Mann von seiner "Chick" singen, wenn sie jung, großstädtisch und cool ist?

Darüber dürfen wir gern noch ein Weilchen streiten. Und es kann durchaus passieren, dass doch eine dieser jungen coolen Frauen die Betitelung sehr Scheiße findet. Das darf sie dann auch sagen, auch laut – und hat guten Grund dazu. Der Typ, der gar nichts Böses wollte, muss das dann hinnehmen. Aus Versehen erschossen ist auch tot. Muss man vorher überlegen wo man hinzielt.

Mister CRO, der macht es noch ein klein wenig gewitzter. Der singt nämlich nicht von den Chicks allgemein, sondern nur von seiner. Und die scheint es tatsächlich ordentlich drauf zu haben. Könnte mir gut vorstellen, dass sie auf die Liebkosung als Huhn sogar ein bisschen stolz ist. Aber das weiß man nicht. Und fragen kann ich sie auch nicht.
Denn eigentlich weiß man bei CRO ja jetzt auch nicht genau, ob diese Frau überhaupt existiert. Der Junge ist ja verpeilt genug, da könnte dieses ominöse Chick wahrhaftig eine coole Ausrede sein, niemand hat sie gesehn, niemand kennt sie. Gibt es solche Frauen überhaupt?

Und weil sich dieses besungene Bad Chick als virtuelles Hirngespinst, nicht mal als Traum-Abziehbild entpuppt, rutschen auch die ganzen Kritiker von CRO mit ihren Vorwürfen ab. In dem Moment, in dem CRO sein Hühnchen ins Gespräch bringt, denunziert er sich selbst als Loser und Nicht-Draufhaber. Da muss er jetzt fast schon aufpassen, dass das nicht auch seine Freunde nervt.

Bislang finden die das richtig gut. CRO ist einer von ihnen. In gewisser Weise also ein Normcore-Star. Hier aber mal ganz positiv besetzt. Durchschnittlich sein, einfach und normal sein, und trotzdem gut drauf sein – das ist im Vergleich zu den überpotenten Gangster-Rap-Kings richtig wohltuend. Vielleicht ist CRO ernsthaft eine andere Art Star. Und vielleicht ist es das, was die vielen Musik- und Pop-Kenner nicht mögen. Mit solchen Normal-Stars muss man nämlich ganz anders umgehen. Nicht einfach.

Als Nicht-Auskenner bin ich darüber ein bisschen froh. Ja, CRO will sich nicht so recht festlegen und äußern, aber das ist mir allemal lieber als das unreflektierte Anbiedern an eine breite Massenmeinung wie sie beispielsweise Andreas Bourani vorführt. Und trotz aller Ironie ist CRO nie so peinlich debil wie all die Y-Tittis und Lochis, die ja auch nichts anderes wollen als Spaß. Und wenn ich dann lese, dass gerade die hochgetunten und zu Tode inszenierten Tokio Hotel ein Comeback starten, dann bin ich über die Normalität eines CRO noch 100 mal mehr froh. Im Vergleich zu den Magdeburgern sind seine Tracks doch prall von Leben.

Ob das alles genügt, um auch von der Kulturkritik ernstgenommen zu werden, das müssen andere entscheiden. Mir macht es erstmal noch eine Weile Spaß.

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