Hab ich irgendwann mal behauptet, David Guetta bringe es nicht mehr? – Großer Irrtum.
Der Beweis liegt hiermit vor. Das neue Album Listen gibt es ab jetzt – die Single lovers on the sun hat bereits den Spätsommer bestimmt und nun schiebt der DJ und Produzent also Dangerous nach. Mit geballter Ladung.
Allein seine Inszenierung lässt nichts zu wünschen übrig. Formel 1 muss es sein – dekadenter und glamouröser geht es nicht. Irgendwie auch kaum an Sinnlosigkeit zu übertreffen. Denn was bitte ist die Formel 1 anderes als völlig abgehobene Selbstdarstellung. Es geht lediglich um die Befriedigung des eigenen Egos – bei den Technikern mindestens so wie bei den Fahrern.
Demzufolge haut David Guetta dann auch solche Sätze raus wie: "I Push Myself To The Limit. Even Harder." – Ja, das ist ein Mann, der über seine Grenzen hinaus wachsen kann. Logisch liegen ihm die Frauen wie kleine Häschen zu Füßen und wackeln willig mit ihren Ärschen.
Das sind also die Macho-Träume der Masse. Die BILD ist täglich voll davon. Und wenn man solch ein Klischee bedient, dann fliegen natürlich alle drauf.
Seltsamerweise macht David Guetta musikalisch eher einen Schritt weg vom Brachialsound. Klar, der Refrain ist immer noch nahe dran am Stadion-Hochgefühl. Dafür ist das Intro mit Klavier und Streichern geradezu zart im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen. Was folgt, ist in der Instrumentierung fast schon ein französischer Chanson – das hat Sebastien Tellier vor gut fünf Jahren mindestens genauso gemacht. Und wenn ich mir dann noch den Remix von Everybody's Darling Robin Schulz reinziehe, dann erkenne ich Herrn Guetta gar nicht mehr wieder. So soft und lauschig dahinplätschernd?
Spannend an Dangerous ist auch oder besonders, dass hier – obwohl es um nichts Natürlicheres geht als sich aufeinander einzulassen – eine große Gefahr hervorbeschworen wird. Hat Byung Chul Han tatsächlich recht? Sind wir bereits so ent-erotisiert, dass jeglicher Kontakt - ob nun rein körperlich oder tatsächlich in einer Art Beziehung - als Gefahr empfunden wird. Wofür? – Das Ego? Meine individuellen Macho-Träume? Meine Freiheit?
Hmm – irgendwie kann ich mich an dieses Gesellschaftsbild noch nicht recht gewöhnen. Kontakte, Begegnungen machen doch Spaß! Sich aufeinander einlassen ist doch spannend. Ich muss mich dabei keineswegs aufgeben – ich lerne mich dabei gerade erst besser kennen. Klar – mit einem Trip durch die Wüste oder in den Dschungel, mit wilden Formel 1-Fahrten mache ich auch tolle Selbsterfahrungen. Find ich auch wichtig. Ich würde einfach das Menschliche dabei nicht verdrängen und beiseite schieben wollen.
Aber klar: wer tatsächlich die lebensbedrohende Gefahr sucht, der kommt beim physischen Extrem-Exkurs sehr viel schneller und mehr auf seine Kosten. Da sind solche Beziehungs-Kisten vielleicht doch etwas geschmeidiger. Obwohl ... das Leben versauen kann man sich hier auch ganz schnell, wenn man nicht aufpasst. Da hat dann der Herr Guetta vielleicht doch nicht ganz unrecht.
Ein bisschen weniger Eitelkeit und Selbstinszenierung würde ihm trotzdem besser stehen. Denn das ist dann wirklich der Unterschied zum Rennwagen: Menschen lassen sich nicht einfach so steuern und lenken. Da muss man nochmal andere Fähigkeiten wie Empathie und vielleicht auch ein bisschen Sensibilität, auf alle Fälle aber Interesse am Gegenüber haben, sonst geht's direkt zum Totalschaden. Und das kann man im Gegensatz zu allen möglichen technischen Fähigkeiten eben nicht in irgendeiner Ausbildung lernen.
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