Freitag, 22. Januar 2016

The Weeknd: The Hills



Während sich in den deutschen Hitlisten nicht allzu viel Neues tut – ok, Adele ist nicht mehr Nr.1, aber ihre Nachfolger lümmeln auch schon eine ganze Weile als Hits herum – während sich also der deutsche Musikmarkt ausruht, nutze ich die Gelegenheit und schaue mir einfach mal einen Mann an, den ich für einen der aufregendsten Künstler des Moments halte: The Weeknd.

Auch wenn ihm der ganz ganz große Hitstatus hierzulande noch verwehrt bleibt, seine Single The Hills spielt mit Platz 14 immer noch eine wichtige Rolle beim Verkauf. und das mehr als ein halbes Jahr nach Veröffentlichung.

The Weeknd zu mögen ist nicht unbedingt einfach. Zu dreckig, verstörend, obszön ist das, was er da singt. Der eine oder andere seiner Titel könnte musikalisch vielleicht noch als Untervariante von Soul oder R'n'B durchgehen – durchaus mit Pop-Charakter wie bei Earned It – aber spätestens, wenn man den Text mitbekommt, ist es aus mit der Beschaulichkeit. Dann wird es nämlich ernst und wir blicken in die Abgründe der menschlichen Lüste und Gefühlswelten. Da muss man schon ziemlich heutig verortet sein und nicht gerade die Landhausidylle leben, um daran Spaß zu finden.

The Hills beispielsweise beschreibt ziemlich schonungslos das zerstörerische Begehren, die Sucht nach dem Verbotenen, dem umso Attraktiveren – ein Gemisch aus Drogenrausch, Trance, Sucht, Verlangen immer mit dem Wissen um den bevorstehenden und stets drohenden Absturz und Entzug. Der das Ganze ja überhaupt erst so intensiv macht. "No risk no fun." wäre in den 90ern wahrscheinlich der Spruch dazu gewesen. 2015 klingt das viel zu harmlos für den Wahnsinn und die Verzweiflung, mit der da nach dem Kick gesucht wird.

Musikalisch garniert ist dieser Psycho-Ausflug mit einer verrückten Mischung aus diversesten Stilen und Sub-Genres. Wäre The Hills möglich ohne die Crossover-Experimente in den 2000ern? Ohne das neue, verstörende Aufleben von TripHop? Ohne Trap?
Rhythmuswechsel, harte Unterbrechungen in der Art zu singen, verstörende Geräusche, das sind die Mittel dieses Songs. Das fängt bereits mit den Eingangsakkorden an: Das soll Musik sein? Sogar ein Single-Hit? Das klingt alles eher nach Alptraum.

Offenbar ist es ein sehr faszinierender und einnehmender Alptraum. Auch wenn wir schon längst am Ende sind, den Crash gerade so überlebt haben, geht es doch immer weiter. Halbtot, aber lebendig; gerade noch fähig zu laufen, trotzdem immer weiter in die selbe Richtung, von einem Desaster in das nächste. Nach dem Rausch kommt der kalte Entzug, die nächste Grenzerfahrung, der nächste Horror.

Die Videobilder erzählen das entgegen der gerade herrschenden Geschwindigkeitshysterie mit unglaublicher Langsamkeit und Statik. Der Autocrash, der langsam in der Abenddämmerung versinkt, die Straße, die zum nicht enden wollenden Tunnel gerät. Und mitten drin der geschundene Abel Tesfaye.



Obwohl kaum etwas passiert in diesem Video, ist es trotzdem nicht weniger drastisch. Die Straßenaufnehmen allein würden vielleicht schon reichen, aber Leute, wir leben im 21. Jahrhundert, deshalb wechselt zum Ende die Szenerie noch mal komplett und wir befinden uns endgültig in der kranken Welt von David Lynch. So ähnlich, nicht ganz so mysteriös aufgeladen, hat das BOOTS bereits 2014 mit Mercy durchgespielt.



Natürlich kann man beides kaum miteinander vergleichen. Und trotzdem lassen sich ein paar Parallelen aufspüren, die uns vielleicht etwas über unsere Welt erzählen. Kann sein, dass The Weeknd/BOOTS den sicheren Weg ins Chaos beschreiben, den Verlust von allen möglichen Normen, Verabredungen und Sicherheiten. Kann sein, dass das verunsichert. Kann allerdings auch die konsequente Entsprechung und der einzig mögliche Umgang sein, mit der uns umgebenden Komplexität. Wenn wir die schon nicht beherrschen können, wenn um uns rum sowieso gar nichts mehr mit Sicherheit echt ist, dann lass uns wenigstens den Schritt wagen uns als menschliche Wesen zu vergewissern, unsere Fehlerhaftigkeit und unsere Endlichkeit zu spüren. Das hat zumindest den Anschein von Selbstbestimmtheit.

1 Kommentar:

  1. und wer es noch kaputter und noch brutaler mag, der/die schaut sich am besten "In The Night" an - http://www.vevo.com/watch/USUMV1500396?syndicationid=bb8a16ab-1279-4f17-969b-1dba5eb60eda&shortlink=LcS6j5&country=US

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