Freitag, 14. April 2017
Die Toten Hosen: Unter den Wolken
Ob es eine Punkrock-Band wirklich cool findet, wenn sie plötzlich so etwas wie nationale Superhelden sind und Hits quasi am laufenden Band produziert?
Könnte ja darauf hinweisen, dass die Menschen in diesem Land um einiges cooler geworden sind. Schnoddriger. Weniger verbissen. Vielleicht sogar anarchistischer?
Könnte aber auch heißen, dass Punkrock gar nicht mehr so gesellschaftskritisch, beißend und radikal ist, wie es vielleicht noch vor 30 Jahren der Fall war.
Angesichts des Erfolgs von solchen Bands wie Broilers, Böhse Onkelz oder auch Terrorgruppe kann man schonmal ins Grübeln kommen. Und mit der neuen Hitsingle der Toten Hosen Unter den Wolken erst recht. Denn so richtig klingt das gar nicht mehr nach Punkrock. Rock - ok, hat ja paar E-Gitarren zu bieten, aber Punkrock? Ist ein halb geschrieener Refrain das einzige, was von der Kritik an der spießbürgerlichen Gesellschaft und der Verweigerung übrig geblieben ist.
Wenn ich mir den Text von Unter den Wolken anhöre, dann ist da tatsächlich nicht viel Konkretes zu finden. Alles bleibt schön im Vagen:
Die Welt steht grad auf ihrem Kopf
Der Wind hat sich gedreht
Ein grauer Schatten liegt auf unserm Weg
Irgendwie haben wir ein mulmiges Gefühl, irgendwas läuft hier nicht richtig. Aber was genau da falsch ist – unklar.
Sind die Toten Hosen nicht mehr fähig, das zu beschreiben, was sie ärgert? Geben Sie tatsächlich lediglich der allgemeinen Unsicherheit eine Stimme, die sich dann ganz gern auch mal in Denkzettel-Protestwahlen oder seltsamen Spaziergängen niederschlägt? Ist es so kompliziert geworden in unserem Leben, dass nicht mal mehr eine konkrete Ansage funktioniert? Hat sich Punk nicht irgendwann mal einen Dreck drum geschert, ob man aneckt oder nicht? Hauptsache erstmal gesagt, was man Scheiße findet?
Vielleicht sind die Toten Hosen ein bisschen verwöhnt oder besoffen vom Erfolg. Tage wie diese wurde ja zu so etwas wie einer nationalen Hymne durch alle Schichten hinweg. Das hat dem Lied leider nicht so gut getan. Selbst die kurz vor der Rente stehenden Jugendtrainer waren Fan von dem Titel. Punkrock als Konsens – irgendwie fühlte sich das auch komisch an. Für mich zumindest.
Bei den Toten Hosen bin ich mir nicht so sicher. Unter den Wolken zielt mir zu sehr auf den Mainstream. Laut genug um mir ein semi-wildes Rocker-Dasein vorzuspielen, aber gezügelt genug um ins Format-Radio zu passen. Und auf die ECHO-Preisverleihungsshow. Der Auftritt dort ist ja so ein bisschen dran schuld, dass plötzlich ganz ganz viele Menschen den Song auf ihren Abspielgeräten haben wollen.
Achja, und dann gab es rund um den ECHO noch diese putzige Geschichte mit Jan Böhmermann. Der hat eine ziemlich ungeschminkte Kritik an der neuen deutschen Liedermacher-Pop-Romantik vom Stapel gelassen, inklusive musikalischer Parodie. Vielleicht nicht bis ins letzte gerecht oder richtig - aber mindestens den Kern ziemlich genau treffend. Und obendrein lustig. Könnte man beinahe als Punk bezeichnen, wenn es nicht so glatt produziert daher käme.
Für Campino ist Jan Böhmermann dagegen eher das Feindbild: Der doofe Fernsehmacher des Establishment. Da verteidigt er doch lieber in der Öffentlichkeit die Schlager-Liedermacher, und Böhmermann, der zumindest mal den Finger auf was gerichtet hat ist ein Störenfried ... hmmm ... mindestens eine seltsame Position für einen Punk.
Es hat sich also einiges verschoben im Koordinatensystem unserer Werte. Satire im öffentlich-rechtlichen ist Scheiße – kommerzielle Preisverleihungsshows mit Rieseneinschaltquote für die komplette Familie sind cool. Wie war das nochmal mit dem Punkrock auf Platz 1 der Charts?
Unter den Wolken ist auch wegen dieser Geschichten drum herum nicht unbedingt die Sternstunde des Genres.
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