Erzähl mir was über die 187 Strassenbande. Sie sind diejenigen, die seit einem Jahr die Charts aufmischen. In den unterschiedlichsten Konstellationen. Ihr aktueller Sampler 4 schafft es zwei Wochen hintereinander die Album-Charts anzuführen. Das kommt derzeit eher selten vor und ist vor allem solchen Acts vorbehalten wie Helene Fischer oder Ed Sheeran. Sie stehen auf dicke Autos - Fast & Furious lässt grüßen. Und sie inszenieren sich ganz gern als die harten Jungs. Runtergepitschte Stimme, die möglichst böse klingt - rüde Sprüche mit Nutten, Koks und jeder Menge Verachtung für alles, was irgendwie nach Legalität, Recht oder Ordnung klingt - Gangster-Style in Reinform. Und natürlich ist Geld und Luxus das A und O. Nichts anderes macht sexy, anerkannt, mächtig.
Davon träumen heimlich die deutschen Jungs. Es gibt sehr kluge Jungmänner, die sich gern und offen dem 187-Fantum hingeben. So rotzfrech möchten sie eigentlich auch sein. Und wenn dann Gzuz die Bundesliga kommentiert, dann kriegen sie mindestens einen Ständer.
Die 187 Strassenbande sind richtige Männer, keine Weicheier. Witzig, dass mir genau hier der Film Moonlight einfällt. Ist schon schwierig, im aktuellen Medienzitatendschungel mit einer knallharten Haltung verschont zu bleiben von doofen Vergleichen, Häme und Spott. Wobei sich die Medien in Sachen Strassenbande eigentlich ziemlich einig sind. Das ist irgendwie das sehr verunsichernde. Wenn HipHop-Experten ungefähr der gleichen Meinung sind wie die Autoren des Kommerz-Mainstream-Magazins, dann ist das irgendwie schon komisch. - Aber gut, Vin Diesel ist ja auch ein Medienstar in allen möglichen Kanälen.
Und warum ist es Millionär, das so ungemein durch die Decke geht?
Sicherlich ist das Zitat aus dem Popcharts der 90er ganz gehörig schuld dran. Mit Zombie von den Cranberries sind die heutigen Jungmänner aufgewachsen. Die Melodie jetzt zu hören setzt etwas Unterbewusstes frei. Wie schön war es doch als kleiner Junge. Cowboy und Indianer, gut und böse - das war alles klar eingeteilt. Und als Draufgänger war man natürlich immer der wilde Haudegen. Oder war gerade das verboten und jetzt mit 18...19...20 kann ich nochmal richtig meine Träume ausleben?
Ist an dieser Stelle wahrscheinlich nur eine ganz lächerliche Seitennotiz, dass Zombie so ziemlich das Gegenteil von dem verkörpert, was die Strassenbande gerade fordert. Aber auch das ist ja nix Sensationelles im Pop der 10er. Gerade das Umdeuten, Verkehren und Ausweiden ist derzeit ganz gern die Quelle für Spaß und Lacher.
Wenn die Gangster sich also richtig abfeiern, dann kann ich ruhig auch ne Mallorca-Verkleidung anhaben. Bloß ernst nehmen darf ich das Ganze nicht.
Freitag, 28. Juli 2017
Freitag, 21. Juli 2017
Miami Yacine: Bon Voyage
Defintiv hat die neue Generation deutscher Rapper nun die Herrschaft übernommen. Bushido der böse Junge hat es zwar vor gut einem Monat noch auf Platz 1 gebracht, im Streaming aber waren seine Albumtracks ganz schnell wieder raus aus der Liste. In dieser Woche schafft es der selbsternannte King Kollegah mit seinem Album Legacy grad noch auf Platz 2 hinter der 187 Strassenbande. Die stürmen gleichzeitig mit 15 Tracks auch die Singles-Charts ... müssen sich aber wiederum ihren ärgsten Konkurrenten geschlagen geben, nämlich Miami Yacine von der Dresdner KMN Gang. Sieht so aus, als ob gerade der albernere und näher am Schlager gebaute HipHop wesentlich mehr Erfolge feiert. Was ja auch klar ist, denn auf Miami Yacines Bon Voyage können garantiert mehr Leute als auf die doch brutaler inszenierten Tracks der 187 Strassenbande.
Spannend finde ich, dass trotz des offensichtlichen Spaßfaktors so einer wie Miami Yacine dann doch auch so etwas wie Ansehen in der Szene genießt. Hat es der deutsche Rap nun endlich geschafft so Mainstream wie in den USA zu sein, also unverhohlener Pop, und trotzdem die Erzählung von den Jungs aus dem Ghetto aufrecht zu erhalten. Alle Achtung! Nach 20 Jahren Rumgegurke setzen sich also auch hierzulande internationale Standards durch.
Bezeichnend auch, dass das im Fall der KMN Gang tatsächlich die Outlaws der Gesellschaft sind. Braucht man nur jedes x-beliebige Presseprodukt der letzten Monate aufzuschlagen und da findet man was von den kriminellen Marokkanern und Libanesen, die sich nicht zusammenreißen können, deutsche Frauen angrabschen und sowieso nur Drogen dealen.
Dieses Stereotyp greift Miami Yacine gern auf. Und rankt drumrum die beliebtesten Reiseziele aus dem Neckermann-Katalog sowie die typische Liste von Luxusmarken bis hin zu Yohji Yamamoto(!). Das dazu natürlich der unbegrenzte Konsum von Rausch- und Genußmitteln aller Art (polizeideutsch: Drogen) gehört, bei Miami Yacine keine Frage. Hier geht es eben nicht nur um Schwanzvergleich sondern um wirklichen Spaß. Bekifft und bekokst sein als Lebensinhalt. Macht mit Ladies natürlich mehr Spaß, da aber jeder weiß dass das nicht immer so gut zusammen geht mit dem Ganja und dem Sex, sind die Frauen dann doch eher Nebensache. Oder Dekoration. Weil's halt im Business so dazu gehört.
Es tut sich also einiges im Geschäft. Bon Voyage hat kein Problem damit, zu Beginn ein Gitarrengeklimper zu präsentieren, wie es in Despacito auch vorkommt. Liegt natürlich nahe – sind ja auch nur Machos, aber eben glattgebügelte aus dem Mainstreamfernsehen. Davor hat Miami Yacine nun wirklich keine Angst. Er präsentiert seinen Körper als wär er das nächste Germany's Top Model: gut durchtrainiert, ganzkörperepiliert und in chice Fummel gesteckt. Was war noch mal der Unterschied zu Heidi's Girls?
Jetzt können sich die harten Jungs mal schön darüber aufregen, wie Scheiße das ist. Der nächste Diss-Track kommt bestimmt. Wobei ... ist das eigentlich noch HipHop? Cro nimmt doch auch niemand von den Hartgesottenen ernst.
Wahrscheinlich ist es eher so wie mit Helene Fischer: Als wirklich qualitätsvoll würde die niemand bezeichnen, hören und abfeiern danach tun aber alle. Ich denk' mal Miami Yacine ist bereits in diesen Club aufgenommen und darf sicherlich bald im ZDF-Samstagabendprogramm auftreten. Gratulation!
Freitag, 14. Juli 2017
/\ (Axwell/\Ingrosso): More Than You Know
So ganz ohne Hits lässt es sich dann wohl doch nicht leben. Denn ursprünglich waren Axwell /\ Ingrosso nach dem Split der Swedish House Mafia etwas mehr in Richtung rauem Dancefloor unterwegs. Waren zumindest so ihre Aussagen. So ganz unterschreiben würde ich das nicht ... aber natürlich ist das auch immer eine Frage des Ausgangspunktes. Und wenn man von Mainstream-Höhen à la Swedish House Mafia kommt, dann ist eine Neuerfindung des Techno im Stile von Louisahhh!!! eben nicht zu erwarten.
Das ist ein bisschen das Problem von Axwell /\ Ingrosso: Es gibt eben wirklich sehr viel aufregendes Dancefloor-Zeug neben ihnen zu entdecken. Und deshalb kann ich bei ihren Produktionen irgendwie doch nie so richtig in Jubelstimmung fallen.
Wobei ich auch sagen muss: More Than You Know hat mich dann doch überrascht. Irgendwie hatte ich diesen Pop-Appeal des Songs nicht erwartet. Was ja dann auch heißt, dass Axwell /\ Ingrosso es doch irgendwie geschafft haben, sich als mehr oder weniger abseitig zu inszenieren.
Vielleicht ist es aber auch diese Reminiszenz an alte AVICII-Hits wie Wake Me Up!, die bewusst oder unbewusst eingebaut ist. Beginn mit Gitarre und Stimme von Kristoffer Fogelmark. Dann folgt ein sanfter Beat und nach dem ersten Refrain den Break in den gebrochenen Trompeten-Beat.
Das Video liefert passend dazu die Geschichte einer eskalierenden Party-Nacht. Das ist Hochtempo, nicht immer ganz nachvollziehbar und bis an die Grenze gehend. Ich weiß nicht so genau, wie es danach weitergeht. Möglich ist alles.
Was bleibt von diesem Song? Im besten Fall ein paar Impressionen. Wie Filmstills. Wahrscheinlich aber eher lediglich die Möglichkeit, den Return-Button zu drücken und sich nochmal reinzuschmeißen. Auch wenn die Batterie gleich völlig runter ist.
Schöne Konsequenzlosigkeit.
Freitag, 7. Juli 2017
French Montana Featuring Swae Lee: Unforgettable
Es gibt Riesenungerechtigkeiten auf dieser Welt und vor allem zwischen den Kontinenten. Das ist ein Allgemeinplatz, der nicht nur während eines G20-Gipfels präsent ist. Trotzdem wird dieser Fakt in der westlichen Welt ganz gern ignoriert. Es lässt sich einfacher über das eigene kleine Unwohlsein jammern als zu bemerken: Wir leben in purem Luxus.
Ein paar Künstler und Künstlerinnen haben trotz aller Lust auf ein schönes Leben, Unterhaltung und Ablenkung nicht vergessen, dass es eben nicht überall nur lustig ist. Häufig haben diese Menschen das richtige Scheiß-Leben selbst mitgemacht. French Montana zum Beispiel. Seine Biographie liest sich vor allem in den Kinder- und Jugendjahren reichlich katastrophal. Kaputte Träume, minimale Chancen, Gewalt in seinem Umfeld ... gute Voraussetzungen für eine kriminelle Laufbahn. Die er aber nicht einschlug.
Dazu gehört eine Menge Rückgrat, zumal gerade im Rap und HipHop-Business neben ausgestelltem Blingbling gern auch eine gehörige Portion Gangstertum zum guten Ton gehört: Wer kein Rüpel ist, ist kein guter Rapper.
Ohne sich zum Engel hochzuschwingen macht French Montana also sein Ding. Gründet sein eigenes Label, arbeitet mit allen möglichen Größen des HipHop zusammen und erlangt nach und nach Erfolg und Bekanntheit. Mit 32 schaut er zurück, erinnert sich an den Mist, den er und seine Familie erlebt haben und nimmt Unforgettable auf.
Ja, der Song dient einem guten Zweck. 100.000 $ wurden an das Ugandas Mamas Hope gespendet. Und trotzdem ist er kein weinerlich-pathetisches Ding, sondern ein cooler Hit mit einem positiven Video. Wir sehen zwar den Dreck und die Armut in Kampala, aber vor allem sehen wir die Kids, die Spaß an der Musik haben und auch ohne Goldketten und dicke Autos ganz gut aussehen. Und trotzdem gelingt es dem Video, nicht zum Sozialkitsch zu werden. Die gute Laune ist zwar echt, der Blick in den Gewehrlauf aber nur drei Sekunden entfernt.
Die ungefilterte Realität lässt den ganzen inszenierten Gangsterkram, der gerade besonders beliebt bei deutschen Rappern ist, ordentlich albern aussehen. Das Leben hier ist mal krass, nicht euer scheiß Drogendealerleben. Einer der wenigen, der das begriffen hat, ist vielleicht Marteria. Nicht umsonst ist der nicht nur aktuell in Südafrika unterwegs sondern war schon vor vier Jahren auf Musikersuche in Uganda.
Wahrscheinlich ist es genau dieser Gegensatz zum testosterongetränkten deutschen HipHop, der mir an Unforgettable so gut gefällt. Und einigen anderen offenbar auch. Die Beats sind nicht fitnessstudioaufgepumpt, sondern liegen einfach auf der Tonspur, treiben uns voran ohne Bombastdonner und machen Spaß. Ich muss mich auf der Tanzfläche nicht als der ultracoole Macker beweisen, ich kann einfach mitmachen, auch mal einen Schritt daneben machen und trotzdem gehöre ich zur Crowd.
Ähnlich die Lyrics, die von Begehren und Lust erzählen, auf das ständige Bitch-Gesülz aber verzichten. Eine Angebetete kriege ich eben eher mit Komplimenten an meine Seite als mit dummen Sprüchen. Und ich schätze, dass der Sex zu Unforgettable 1000x befriedigender ist als zu einem Karnickel-Rammelbeat. Sorry, auch wenn ich NIMO oder Mert vielleicht sogar lustig finde, mit wirklichem Leben hat deren Inszenierung nichts zu tun. Nach einem ganzen Tag im virtuellen Raum hab ich zu Hause dann eher keinen Bock mehr auf noch mehr Breitleinwandfantasien.
Ich find, ein bisschen mehr Entspanntheit in der Art von Unforgettable täte unserer Welt tatsächlich gut. One Dance ist ja mittlerweile auch schon mehr als ein Jahr her.
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