Freitag, 22. September 2017

LAUV: I Like Me Better



Es beginnt mit ein paar quietschenden Streichakkorden am Anfang und ich horche auf. Das kann man sich also trauen im Alltagsradiobrei. Da muss doch eigentlich jeder für einen Moment aufmerksam werden.
Ich schätze mal, dieses Intro trägt ganz wesentlich dazu bei, dass I Like Me Better zum Hit wurde.

Denn was danach kommt ist schon reichlich Allerweltsliedermachersound.
Ein paar sentimentale Gitarrenklänge und eine durch und durch leidende Stimme. Der Weltschmerz ist allgegenwärtig. Denn dieses großartige Gefühl, zu jemandem zu gehören, das kann ja gar nicht ewig währen. Das muss ja irgendwann zu Ende gehen. Und darüber lohnt es sich jetzt schon zu klagen.

LAUV gehört zu der jungen Generation, die es nicht gelernt hat, den Augenblick zu genießen, das Jetzt. Er weiß zwar ziemlich genau, wenn etwas gut und schön ist, aber seine Ansprüche sind so hoch, so unermeßlich, dass diese unerreichbar sind. Ewig dauernde Liebe zum Beispiel. Und weil er spürt, dass die Schönheit zerbrechlich ist, dass es jeden Moment zu Ende gehen kann, nur ein Windhauch und alles fällt in sich zusammen - deshalb bemitleidet er sich und das Leben.

So wird dieser schöne Gesang, der auch hätte ein wahnsinniges Kompliment an die Geliebte sein können, dieser Gesang wird zur flehentlichen Bitte
Stay awhile stay awhile, oh
Stay awhile stay awhile
Stay here with me
Right here with me


Eigentlich ist das auch ein bisschen schade, dass es offenbar heute gar nicht mehr so einfach ist, aufrichtig zu sagen: Du machst mein Leben schöner!
Das ist in etwa so wie die tausendfachen Instagram-Inszenierungen, die es nicht schaffen zu sagen: Das ist mal ein geiler Moment, ich fühle mich gut und schön. - Immer steht da noch was Ironisches dabei.
Nur damit man nicht Position beziehen muss.

Ich glaub, das ist auch das, was mich an I Like Me Better langweilt. Der Song hätte Potenzial zur Liebeserklärung zu werden, aber er verzweifelt im Weltschmerz. Er hätte eine wunderbare Schönheit aus schiefen Akkorden zaubern können – Coco Rosie machen das seit Jahren wunderbar vor – aber er nimmt dann doch lieber die Romantik-Gitarre um bloß nichts Neues zuzulassen. Er könnte einen einmaligen Moment in musikalische Form bringen, aber er versinkt im Alltagsgedudel.

Wahrscheinlich ist genau das der Grund, wieso ich immer denke: I Like Me Better, das ist doch diese DeepHouse-Schnulze ... und jedesmal wieder bin ich überrascht, dass es gar kein bisschen DeepHouse ist.
Das muss man erstmal schaffen, in solche Assoziationsräume zu kommen.

Und so starre ich in meiner Enttäuschung auf das Video, welches ebenfalls ganz schön sein könnte in seiner Kombination von jungem und reifem Glück. Aber alles was ich sehe ist weißer Mittelstand und konventionelle Glücksvisionen. Gesicherte Existenz, kreative Tätigkeiten voller Selbstverwirklichung und überbordende Blumensträuße. Irgendwie ist das ganz schön RTLII-Heile-Welt und damit Normcore in Reinform.

Ich steh da doch eher auf das schräge Geknarze mit Überraschungen.

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