Freitag, 26. Januar 2018
Martin garrix & David Guetta (Feat. Jamie Scott & Romy Dya):
So Far Away
Was genau ist der Unterschied zwischen So Far Away von Martin Garrix & David Guetta und einer beliebigen Erfolgsproduktion von den Chainsmokers?
Und genau das ist das Problem an diesem Song. Zwei EDM-Recken, die durchaus das Genre geprägt und beeinflusst haben, tun sich zusammen und kopieren gängige Produktionsweisen. Ja, das ist der Sound der Stunde – der Erfolg war einkalkuliert – aber wo bleibt das Visionäre? Oder – wenn man Visionen ohnehin nicht so mag – wo bleibt das Eigene? Das ist David Guetta schon seit einiger Zeit abhanden gekommen. Und Martin Garrix? Genaugenommen war sofort nach seinem Durchschlagshit Animals Schluss mit Unverwechselbarkeit. Schade.
Wenn man also musikalisch schon nicht so wahnsinnig viel Aufregendes zu bieten hat, dann muss man eben beim Video ordentlich klotzen. Und da kommt So Far Away schon mit ein paar eindrucksvollen Effekten und Bildern daher.
Das ist schon ganz schön ordentlicher Romantik-Bombast. Rosen, die mit mindestens giftigem Nebel beschossen werden, aber trotzdem überleben. Uiuiui.
Na gut – Kitsch gab und gibt es zu jeder Zeit. So sieht er also 2018 aus. Spannend ist da höchstens, dass sich die Zeichen scheinbar über Jahrhunderte nicht verändern. Die Rose zum Beispiel als die besondere Blume der Liebe, des Zusammengehörens, der Romantik.
So Far Away ist also für heute junge Menschen (und ältere) das, was Rosamunde Pilcher für Menschen ist, die so zwischen 1930 und 1950 geboren wurden. Oder die nie so richtig aus ihrem Heimatdorf rausgekommen sind.
Insofern: Erfolgreich: ja - bedeutend oder gar andauernd: nein.
Freitag, 19. Januar 2018
Ofenbach Vs. Nick Waterhouse: Katchi
Für mich gibt es ganz eindeutig ein Musikvideo aus 2017, dass den Spitzenplatz auf bootube verdient hat: Be Mine vom französischen DJ-Duo Ofenbach. Zwei kleine Jungs träumen feucht und haben das Gefühl, dass das jetzt der Mittelpunkt der Welt wäre - peinlich.
Immerhin hat Be Mine als gut eingängiger Track ordentlich Ohrwurmcharakter gehabt und sich so auch über den letzten Sommer zum HIt entwickelt. Tatsächlich war die Mischung aus Housebeats und Gitarrenakkorden zwar nicht wirklich neu, aber sehr passgenau zusammengefügt. Die richtige Mischung zur richtigen Zeit.
Beim Nochfolger Katchi ist es ganz ähnlich. Auch wenn mir der Gesang von Nick Waterhouse dann doch schon eine Nummer zu aufgesetzt cool daher kommt. Das ist insgesamt zu viel gewollt, zu bewusst inszeniert – dadurch auch immer mit einem ironischen Abstand. Will ich das: Ironisch tanzen?
Das Video entspricht dem musikalischen Eindruck. Eine völlig schräge Inszenierung mit einem Gestalten-Sammelsurium aus der Faschingskiste. Kann man machen, kann man lustig finden, ist aber insgesamt eher belanglos langweilig. Vor allem, weil es in seiner Abstrusität keine Steigerung erfährt. Da sind Robin Schulz & Hugel doch um Längen überraschender.
Den Zeitgeist haben Ofenbach mit Katchi ganz gut getroffen. Der Song ist jetzt schon erfolgreicher als sein Vorgänger. Nummer 1 in Frankreich, Top 10 in Deutschland. Das ist auch ein bisschen schade, weil es mich vermuten lässt, dass die beiden unfertigen Jungs jetzt ganz schnell nochmal das gleiche Rezept anwenden und dann ist es wirklich nur noch Modern Talking. Ich bin mir sicher, dass ein paar Jahre mehr an Lebenserfahrung nicht nur den DJs sondern garantiert auch ihren Produktionen sehr gut tun würden.
Freitag, 12. Januar 2018
G-Eazy & Halsey: Him & I
Tatsächlich gibt es seit ein paar Wochen immer wieder mal so einen verrückt-süßlichen Popsong voller Romantik und Liebesschwüre, der durch die Shisha-Bars der Stadt singt und ziemlich krass im Gegensatz zu dem Elektro-TropicHouse und Deutschrap steht, der ansonsten überall zu vernehmen ist. ZAYN & SIA, Louis Tomlinson & Bebe Rexha, auch die neueren Songs von Rita Ora und hier G-Eazy & Halsey.
Tatsächlich erinnert die Kombi bei Him & I ein wenig an die Bonnie & Clyde-Geschichte von ZAYN & SIA. Auch wenn es stilistisch komplett anders zugeht. G-Eazy als die Reinkarnation von EMINEM - authentisch cool und auch ganz schön abgerotzt bringt er den Straßencharme in den Song. Halsey, zumindest im Video auch ordentlich auf Vorstadtbraut getrimmt, fügt mit ihrem Gesang die emotionale Seite hinzu. So richtig klebrig wird's aber dann vor allem durch den textlosen Refrain. Der sitzt im Ohr und lässt mich nicht mehr los.
Die ziemlich klassische Rollenverteilung wird dann glücklicherweise gebrochen indem G-Eazy tatsächlich auch über die Schönheit von Zweisamkeit rapt: Gemeinsam Party feiern, auf Drogen abstürzen und einander vertrauen. Das ist wirklich mal eine aufrichtige Liebeserklärung ganz fernab von Rosamunde Pilcher und anderem Romantik-Geschwafel. Halsey wie schon erwähnt ist alles andere als das kleine Mädchen, das nur auf den Traumprinzen gewartet hat. Nicht nur im Video ist sie frech, selbstbewusst, könnte ganz gut auch allein durchs Leben gehen, sie hat kein Problem damit zuzugeben, dass es ihr nicht unbedingt leicht fällt, die Wahrheit zu sagen. Und trotzdem kann sie am Ende bekennen, dass es den Einen gibt und es jetzt genau darauf ankommt.
Mit dieser sehr gleichwertigen Präsenz der beiden hebt sich der Song schön ab von dem, was sonst ganz gern bei der Kombination Rapper-Sängerin rauskommt. Und wirklich überzeugend ist, dass das Ergebnis deswegen keineswegs weniger sexy ist.
Zu guter Letzt ist dem Song ein wirklich authentisches Video hinzugefügt. Verwackelte Kamera, unscharfe Bilder, Alltagsszenen. Das Paar beim Rumalbern in der U-Bahn, beim Kochen, abhängend in irgendeiner Bar. Verliebtheit hat viel mit Alltäglichkeit zu tun, die dann einfacher, schöner, lustiger, unbeschwerter verläuft. So viel Realismus kommt selbst in reinen Rap-Tracks nur ganz selten vor.
Freitag, 5. Januar 2018
Nico Santos: Rooftop
Das Interessante an Nico Santos ist wohl weniger sein aktueller Hit, als vielmehr seine musikalische Biographie. Mark Forster, Shindy, Bushido, Helene Fischer – ein wildes Sammelsurium verschiedenster Genres und Stile. Die jungen Pop-Autoren lassen sich von nichts abschrecken. Positiv formuliert sind sie einfach vielseitig, talentiert und ein guter Song ist und bleibt ein guter Song, egal ob es als weichgespülter Schlager oder harter Straßenrap daher kommt. Negativ drauf geschaut, ließe sich auch behaupten: kein Rückgrat, beliebig, Durchschnittsware. Kann sich jed*r selbst aussuchen, welche Sicht der Dinge die eigene ist.
Was diese Einsätze über alle Grenzen hinweg auf alle Fälle schön demonstrieren: Die in manchen Sparten gern vorgeführte martialische Opfer- oder auch Übermensch-Haltung des einen puren Stils, der besonders lebensnah oder echt ist, die wird schön vorgeführt als Show. Wer es also immer noch nicht begriffen hat: erfolgreicher DeutschRap ist nichts anderes als Schlager mit anderen Mitteln. Wenn also während der nächsten Malle-Saison wieder die Strassenbande aus allen Boxen dröhnt, dann ist das schon genau der richtige Ort für die Jungs, die sich so gern als Krieger inszenieren.
In diesem Umfeld platziert sich also der erste Solohit von Nico Santos Rooftop. Internationaler Poprock – das ist die Schublade. OneRepublic und Welshly Arms standen musikalisch Pate. Nico Santos selbst verleiht dem Song per Video dann noch eine gehörige Portion Teenie-Popstar-Glanz. Fertig ist der Song über den verliebten jungen Mann, der seine Liebe, sein Glück, sein Verlangen vom Dach herunterschreit.
Das alles ist ein schönes Popmärchen. Auch schön zeitlos. Und wahrscheinlich ist genau das das Geheimnis von Nico Santos. Er weiß in seinen Songs ganz gut das zu beschreiben, was ihn bewegt. Damit ist er nah dran an den Stimmungen einer jungen Generation, die in ganz vielen Dingen gar nicht so anders ist als die Generationen zuvor.
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