Freitag, 31. Januar 2020
GZUZ: Donuts
Und pötzlich reden scheinbar alle über Gangstarap. Bloß weil der Spiegel eine Titelstory bringt, sind die Blogs, Podcasts und andere Medien voll von Widerreden, Kritiken, Auseinandersetzungen. Es wird diskutiert, was falsch daran ist, wenn ein weißer Wohlstandspapa über die Vorliebe seines Sohnes spricht. Es wird betont, dass Gangstarap was mit Herkunft zu tun hat, dass Rap schon lange Pop ist, dass es nicht funktioniert unausgesprochene Werte anzulegen und auf dieser Folie zu diskutieren. Teilweise sehr schlau. Und trotzdem frage ich mich: Warum jetzt? Warum nicht vor zwei Jahren als Gzuz, Bonez MC, die 187 Straßenbande und Raf Camora die wirklich neuen Überflieger waren? Als sie erstmals die Chartsspitze stürmten und dort blieben?
Ich finde, das zeigt ganz gut das Dilemma von deutschem Gangstarap. Er wird halt dann zum Thema, wenn Medien von außen, die gar nichts mit ihm zu tun haben, ihn problematisieren. Nicht zu dem Zeitpunkt, da er tatsächlich an Relevanz gewinnt. Also hohe Chartplatzierungen, volle Gigs, goldene und platine Schallplatten. Irgendjemand sagt: Lass uns mal was über Gangstarap machen und Gzuz aufs Titelbild nehmen - und schon ist das Thema wichtig. Nicht, weil Gzuz eine neue Produktion in der Pipeline hat. Nicht, weil der oder die ein Album angekündigt haben.
Ist Gangstarap nun also angekommen? Ist Gzuz nun ein ernstzunehmender Popstar? - Ich fürchte, morgen ist das Thema schon wieder eiskalt. Die Aufregungsindustrie braucht neue Skandale. Was haben die Hamburger da wirklich zu bieten?
Gleichzeitig gibt dieser Medienhype den bösen Jungs auch recht: Um überhaupt wahrgenommen zu werden, müsst ihr so brutal und mies sein, wie die euch umgebende gnadenlose kapitalismusbürgerliche Welt. Wahrnehmung heisst dann noch nicht ernst genommen - wenigstens aber gesehen wurde man.
Witzig ist dann irgendwie auch, was alles so in einen Topf geworfen wird. Ohne jetzt wirklich die Subsubgenres des HipHop zu kennen, finde ich es schon lustig, dass so jemand wie Capital Bra unter dem Label Gangsta firmiert. Jaja, der hat auch seine Ghetto-Vergangenheit und haut gern mal verbal auf die Kacke. Mehrheitlich sind seine Tracks doch aber Kinderlieder und Blödelei. "Komm lass uns spielen!", ist die Aufforderung in jedem zweiten Song.
Hier soll's aber um Gzuz gehen. Immerhin hat er ganz aktuell Donuts unter die Leute gebracht. Und vertraut da auf das sichere Rezept: die eigene Coolness feiern, den Weg von ganz unten in den Pophimmel bejubeln, möglichst viele kleinkriminelle Versatzstücke einbauen, behaupten, dass es niemanden gibt, der stärker, besser, reicher ist. Im Video dann noch ein brennender Polizei-Wagen. Das Feindbild ist klar.
Funktioniert offenbar weiter ganz gut. Neben all dem Popschmalz, der so kursiert, freuen sich die Minderjährigen aus den Einfamilienhaussiedlungen über jemanden, der so konsequent auf alles scheißt. Vielleicht gibt es sogar wirklich ein paar aus der Schicht der Abgehängten, für die Gzuz ein Sprachrohr ist. Sprachrohr der Wut. Wenn man selber schon nicht schreien kann und seine Würde einfordern, dann ist es gut, dass es jemand stellvertretend tut.
Womit wir wieder bei der Diskussion sind: Wer äußert sich da eigentlich? Sicher, auch Gzuz gehört zu den Underdogs - wenn auch teilweise selbstgewählt. Das oft und gern zitierte Argument, der richtige Gangstarap könne nur von Menschen kommen, die aufgrund ihrer Herkunft schlechter gestellt und diskriminiert sind, humpelt hier ganz schön. Gangstarap ist nicht einfach eine Sache der kulturellen Abstammung. Oder ist Gzuz etwa kein "echter" Gangstarapper? Hat sich der Spiegel gar geirrt?
Egal, wie doof man Gzuz und seine Tracks auch findet - dadurch, dass sich nun alle über ihn ereifern, behält er recht. Sei einfach laut, unangepasst und vor allem unter der Gürtellinie, und schon bist du der Star. Schräge Zeiten.
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