Montag, 29. August 2011

Jupiter Jones: Still

Was gibt es eigentlich zu Jupiter Jones und ihrem Hit Still noch zu sagen?
Die Band, bestehend seit mehr als neun Jahren hat schon eine Menge Erfahrung im Musikbusiness und weiß wohin sie will. Bis zum letzten Sommer hatten sie ihr zu Hause auf dem Independent Label Mathilda und Titus’ Tonträger. Im vergangenen Sommer – anch vier veröffentlichten Alben – kam dann der Wechsel zum Major Columbia Berlin /Sony. Offensichtlich hatten sie dort einen ganz vernünftigen Deal geschlossen bzw. sich von vornherein ein paar Details zur Vermarktung garantieren lassen. Zum Beispiel, dass sie nicht als die nächste großartige deutschsprachige Band fix verramscht werden… Stattdessen begann im Soätherbst eine eher langsame und seriöse Promotion für das kommende Album und die Lead-Single Still. Sie hatten Auftritte im TV, aber vor allem eher in Sendungen,die ich als Erwachsenenunterhaltung bezeichnen würde, so etwas wie Ina’s Nacht beispielsweise. Folgerichtig kursierten zunächst auch diese Versionen als Video bzw. Download. Am 4. März dann erschien die Single Still, eine Woche nachdem das Album Jupiter Jones veröffentlicht wurde. Auch das eine eher ungewöhnliche Entscheidung und ein Zeichen dafür, dass Band und Label von der Qualität des Songs enorm überzeugt waren. Auch, dass Jupiter Jones sich keineswegs nur als Albumact versteht.



Ganz allmählich setzte sich die Ballade als Hit durch. Vielleicht war der Weg geebnet worden durch Revolverheld & Marta Jandová, die mit Halt dich an mir fest nur wenige Monate zuvor schon ordentliche Erfolge feiern konnten. Vielleicht war es auch die Unaufdringlichkeit mit der die Band sich inszenierte. Ein paar Auftritte im TV explizit für ein jüngeres Publikum wurden eingestreut ohne den Ruf zu verderben, und das muss man erstmal schaffen: aufrecht einen Einsatz in einer Serie wie Hand aufs Herz zu absolvieren. Und schließlich interessierten sich ganz ganz langsam auch die Radiostationen für den Titel. Im Mainstream hat es deutschsprachiges ja nicht unbedingt leicht und es braucht Monate bis so ein Titel sich in den Playlists durchsetzen kann. Dann allerdings bleibt er wie angenagelt fast ewig im Programm. Sill steht gerade aktuell auf Platz 6 der Nielsen Airplay-Liste, Tendenz immernoch steigend.

Ein klein wenig schneller und eigenständiger reagierte die Gruppe der Musikkäuferinnen. Über Wochen stiegen die Umsätze, schließlich erreichten sie Mitte Juni – drei monate nach Veröffentlichung – ihren Höhepunkt und Top 10 Status in den offiziellen deutschen verkaufscharts von media control. Höhepunkt ist in diesem Fall allerdings als relativ anzusehen, denn noch immer wird der Titel gern gekauft bzw. geladen. Nach wie vor befindet sich Still unter den 20 umsatzstärksten Titeln und ein Abflauen des Interesses ist kaum zu bemerken.



Wahrscheinlich wird man zum Ende des Jahres 2011 in den Rückblicken an Jupiter Jones und Still nicht vorbei kommen. Auch wenn es eventuell nicht reicht, um erfolgreichster deutschsprachiger Song des Jahres zu werden. Da hat vermutlich Tim Bendzko noch einen Hauch die Nase vorn. Aber … Ende September geht der Bundesvision Song Contest über die Bühne und hier stehen auch Jupiter Jones auf der Bühne. Für gewöhnlich hat dieses Ereignis enorme Auswirkungen auf Verkäufe und Popularität, egal wie gut oder schlecht die Bands in der eigentlichen Show abschneiden. Hier könnte also noch einiges passieren in den nächsten Wochen. Eventuell erleben wir auch einen würdigen Nachfolger.





Freitag, 19. August 2011

David Guetta Feat. SIA: Titanium

Dieser Tage kommt man im Mainstream-Popbusiness an einem Mann nicht vorbei: David Guetta. Für den 29. August hat er sein neues Album Nothing But The Beat angekündigt und seit Wochen läuft die Promotion-Maschine. Zwei Singles wurden im Vorfeld bereits veröffentlicht Where Them Girls At und Little Bad Girl – beide fanden reißenden Absatz, konnten sich in Deutschland als Hits durchsetzen. Seit 5. August tritt der Werbefeldzug in die Endphase. Drei (Digital-)Singles sollen in kurze Folge veröffentlicht werden, die erste Titanium am 5. August, seit 15. August gibt es auch Lunar und schließlich wird in Kürze noch Night Of Your Life folgen. Auffällig an den bisher erschienenen Tracks ist, dass sich David Guetta offensichtlich sehr sehr am Massenmarkt orientiert. Das ist alles nicht zu sehr am Dancefloor orientiert und setzt auch gern mal auf bekannte Namen wie Taio Cruz oder Flo Rida.



Im Falle der aktuellen Promotional-Veröffentlichung Titanium ist die vorgestellte Künstlerin in Kontinental-Europa fast gänzlich unbekannt: Sia Furler. Lediglich durch ein paar Soundtrack-Beiträge für Kinofilme und Serien ist sie aufgefallen. Für’s Anheizen setzt David Guetta offensichtlich darauf, dass er selbst und sein Sound überzeugend genug sind. Scheint zu funktionieren – auch oder vielleicht gerade weil der Track erstaunlich farblos bleibt. Es beginnt mit einem Gitarrenintro, welches sehr an den Beginn von Every Breath You Take von Police erinnert, in der Vergangenheit bereits mehrfach zitiert und im Popgedächtnis lebendig gehalten. Es folgt Sia Furlers Gesang, der sich mehr und mehr steigert und schließlich zum breiten Leinwandrefrain getrieben wird. Eine Formel, die in den Medien offenbar ebenso beliebt ist wie unter den Konsumenten.Und ich könnte mir vorstellen, dass hier der Effekt des immer und immer wieder Hörens tatsächlich so etwas auslöst wie ein Sich-Dran-Gewöhnen und schließlich sogar Mögen.



Die spannende Geschichte hinter Titanium ist die Tatsache, dass der Track ursprünglich mit Mary J. Blige aufgenommen wurde, in dieser Version auch kursiert, aber offensichtlich irgendeine Vereinbarung getroffen wurde, dann doch Sia als Sängerin einzusetzen. Die Gründe für diese Entscheidung sind nicht bekannt, eventuell ist es ein Zugeständnis an die doch etwas verschiedenen funktionierenden Märkte in Amerika und Europa. Mary J. Blige fühlt den Song etwas mehr mit Wärme und Soul, das könnte wenigstens in Nordamerika etwas besser ankommen. Aber das sind alles wilde Spekulationen …



Wie auch immer, mit Titanium landet David Guetta einmal mehr in der breiten Aufmerksamkeit, das Doppel-Album dürfte also mit Gewissheit einschlagen. Richtig spannend wird es aber erst mit der gerade veröffentlichten nächsten Promo-Single Lunar. Das ist nämlich der erste Track von der zweiten CD des kommenden Albums, welches nur Instrumentaltitel enthält und etwas cluborientierter daherkommt. Ob das dem breiten Publikum auch so zusagt wie der Radio- und Musikfernsehensound? In 10 Tagen wissen wir mehr – bislang ist in den iTunes Charts noch nichts von dem Track zu sehen.




Freitag, 12. August 2011

Jason Derulo: Don't Wanna Go Home

Es ist natürlich das Recht einer jeden neuen Generation, die Musikgeschichte auf eigene Faust zu entdecken, Klassiker auszugraben und neu zu interpretieren. Für diejenigen, die dann schon etwas älter dabei sind, tut das manchmal ziemlich weh … aber haben sie es nicht selbst auch einstmals so getan? Die Zeiten, in denen alles noch komplett neu und einmalig war sind seit Jahrzehnten vorüber. Trotzdem ist es natürlich schwer, sich daran zu gewöhnen, denn es heißt auch, immer wieder alle Gewissheiten über Bord zu werfen und neu nach Maßstäben zu suchen.

Jason Derulo – oder Derülo bzw. Desrouleaux wie er sich gern schreibt – ist ein Star solch einer jungen Generation. Mit Autotune und breitem Ravesound ist er seit etwas mehr als eineinhalb Jahren enorm erforlgreich. Und gern bedient er sich auch mal in der Geschichte. Mit seiner neuesten Single zum Beispiel bei Robin S. und Harry Belafonte – ein Mischung, die selbst zu Hochzeiten des Pop-Geschredders noch ungewöhnlich gewesen wäre. Nun also die Variante 2011.



Es fängt an mit dem Signet-Refrain des Banana Boat Songs, bestens bekannt in der Version von Harry Belafonte aus dem Jahr 1956. Ursprünglich ein traditioneller jamaikanischer Song, wurde das Lied mehrfach aufgenommen ehe es mit der Version von Harry Belafonte ein weltweiter Hit wurde. In Deutschland setzte sich die Version für drei Monate an die Spitze der Verkaufshitparade und wurde in der Jahresauswertung Platz 2 hinter Margot EskensCindy Oh Cindy.



Während Harry Belafonte in seiner Version noch ziemlich nah an den Ursprüngen des Liedes blieb, nämlich den Bananenpflückern, die sich nach ihrer Nachtschicht auf ein Glas Rum freuen, dreht sich bei Derulo im Jahr 2011 der Inhalt komplett: hier ist es die Party, die nicht enden soll, der anbrechende Tag steht für den Heimweg, die Langeweile, vielleicht auch Einsamkeit – auf alle Fälle nicht für Spaß. Und das ist vielleicht das interessante an der derzeitigen Popmusik: beschworen wird immer wieder die Party, das Clubleben als der Ort der Verheißung und Erfüllung – sehr deutlich also das Öffentliche Leben. In real sieht das mit der öffentlichen Party ja komplett anders aus -– zumindest dürfen sich sowohl Clubbetreiber als auch Partyveranstalter immer höherer Auflagen freuen. Und Party im wirklich öffentlichen Raum – vergiss es!

Natürlich ist Jason Derulos Single alles andere als ein Protestsong – am Ende geht es auch bei ihm heim zur Privatparty. Natürlich mit mehreren willigen Frauen und einer Menge Champagner. Bereits vorher hat er schon klar gemacht „Bitch, I’m A Star“. Es sind die alten Macho-Träume, die Herr Derulo da heraufbeschwört und die von der Generation der 14–21jährigen brav nachgebetet werden. Hier sollte vermutlich die Kritik ansetzen. Allerdings ist massenkompatible Popmusik schon seit längerem alles andere als irgendwie gesellschaftskritisch. Eher biedern sich Sound und Texte ganz mächtig einem desinteressierten Partypublikum an, das nichts weiter will als ungestört konsumieren. Das ist vermutlich sogar völlig nachvollziehbar, leider aber auch ungewollt ganz enorm politisch. Und an dieser Stelle könnte dann vielleicht auch Harry Belafonte ein wenig verstört sein über die naiv-sorglose Wiederentdeckung des Banana Boat Songs.






Freitag, 5. August 2011

Dj Antoine vs Timati feat. Kalenna: Welcome To St. Tropez

Künstler aus Russland, die es in Deutschland zu Erfolg und Bekanntheit brachten gibt es nur wenige. Da gab es in grauen Vorzeiten Alexandra, die mit ihrer Herkunft kokettierte und sich gern als irgendwie russisch inszenieren ließ. In Wirklichkeit war da aber nicht so viel zu holen, selbst ihr Geburtsort liegt auf heute litauischem Staatsgebiet. Da gab es Dschingis Khan, die aber auch nichts weiter als eine deutsche Marketingerfindung waren. Ach ja – und da gab es vor zwei Jahren auch einen Alexander Rybak, der für Norwegen den Eurovision Song Contest gewinnen konnte und mit Fairytales dann sogar kommerziell und im Radio abräumen konnte. Allerdings auch hier – geboren in Weißrussland und seit seinem vierten Lebensjahr in der Nähe von Oslo beheimatet.Exil- oder Fake-Russen gibt es also einige im Pop-Business. Wie klingt sie aber wirklich, die Musik, die in Russland entsteht, dort erfolgreich ist und auch in nicht-russischsprachigen Gebieten Anhänger findet?

Seit 2002 steht das Mädchenduo t.A.T.u. für russischen Pop. Sie brachten es weltweit zu mindestens einem Hit namens All The Things She Said brachten. In Europa konnte knapp drei Jahre später auch All About Us nochmal punkten. Russischer Sound läßt sich allerdings auch hier nur mit großer Nachsicht attestieren – zumindest der Durchbruch der beiden Frauen gelang erst, nachdem sie Material noch einmal komplett vom Briten Trevor Horn hatten neu produzieren lassen. Aber eventuell haben sie mit ihrem Erfolg den Weg geebnet für andere Künstler aus Russland wie zum Beispiel Dima Bilan. Seit Anfang der 2000er ist er in seiner Heimat ein Superstar – für Europa reichte es 2006 fast als er zweiter beim Eurovision Song Contest wurde. Zwei Jahre später traf er dann den Geschmack, gewann mit Believe und konnte im Nachhinein die eine oder andere Single in Deutschland verkaufen. Produziert wurde der Titel damals von niemand geringerem als Timbaland.

Im Sommer 2009 tauchte dann ein Rapper in den deutschen Charts auf, der in Moskau zu Hause ist und ebenfalls in seiner Heimat Superstar-Status genoß: Timati. Unterstützt von Snoop Dogg wurde Get Your Groove On so etwas wie ein Mini-Hit. Auf seinem Album The Boss aus dem selben Jahr befanden sich weitere Collaborationen mit zum Beispiel Xzibit, Busta Rhymes oder Mario Winans. Und auch ein Titel namens Welcome To St. Tropez. Den weiblichen Refrain-Part hatte hier Blue Marine übernommen.

Anfang 2011 taucht eben jenes Welcome To St. Tropez wieder auf. Auf englisch mit Part von DirtyMoney-Girl Kalenna und im Remix des Schweizer DJ Antoine. Und dann geht es fast ununterbrochen nach oben. Der Remix wird ein Clubhit, die Digitalsingle kann sich gut verkaufen und entert Anfang April die deutschen Charts. Wenige Wochen später wird der Track auch auf CD veröffentlicht – der Track firmiert jetzt unter DJ Antoine vs Mad Mark Remix – und er verkauft sich besser und besser. Aus fensteroffenen Jugendzimmern und Autoradios kann man den Sound hören und schließlich wird er jetzt noch so etwas ähnliches wie ein inoffizieller Sommerhit. Mittlerweile ist Welcome To St. Tropez auch in den deutschen Verkaufscharts angekommen – im Moment wird Platz 6 gemeldet – und alle drei offiziell beteiligten Artists können also einen eigenen Top 10 Hit ihr eigen nennen. (Kalenna hatte ja bereits als Teil von DirtyMoney bereits Anfang des Jahres die Gelegenheit dazu.) Timati ist damit erst der zweite russische Künstler, der es überhaupt zu solchem Erfolg schafft und DJ Antoine beendet zumindest eine knapp dreijährige Abstinenz Schweizer Acts in den deutschen Top 10.

Das Thema von Welcome To St. Tropez ist „klassisch“: ein Leben mit zu viel Geld und Drogen, das beinahe schon langweilt … Angesichts der Verhältnisse, die in Russland (und auch in weiten Teilen Europas) herrschen, fast schon zynisch. Offensichtlich reicht es aber nach wie vor als Traumabziehbild, das Video mit schnellen Jachten, Poolparties und jeder Menge herumgespritztem Champagner hat da einiges zu bieten an hedonistischem Neureichenleben. Der Sound des Remix – global clubtauglich und ganz im Stil von David Guetta etc.. Ob in St. Tropez, Lausanne, auf Sylt in Rio, Tokio, New Yorkoder Moskau … das funktioniert überall. Um jetzt den „typisch“ russischen Sound zu finden, muss man vielleicht das Original mit Blue Marine bemühen. Das ist noch einen Tick süßlicher und vor allem nicht so aufgepumpt mit Bass. Ob es jetzt russischer ist, abgesehen von der Sprache, das darf jedeR für sich selbst entscheiden. Am Ende ist es vielleicht auch gar nicht relevant von wo der Sound eigentlich kommt.

Das russische Original:


Der Remix:




Nicht verkehrt zum Reinschauen auch:
Homepage von Timati
Homepage von DJ Antoine