Künstler aus Russland, die es in Deutschland zu Erfolg und Bekanntheit brachten gibt es nur wenige. Da gab es in grauen Vorzeiten Alexandra, die mit ihrer Herkunft kokettierte und sich gern als irgendwie russisch inszenieren ließ. In Wirklichkeit war da aber nicht so viel zu holen, selbst ihr Geburtsort liegt auf heute litauischem Staatsgebiet. Da gab es Dschingis Khan, die aber auch nichts weiter als eine deutsche Marketingerfindung waren. Ach ja – und da gab es vor zwei Jahren auch einen Alexander Rybak, der für Norwegen den Eurovision Song Contest gewinnen konnte und mit Fairytales dann sogar kommerziell und im Radio abräumen konnte. Allerdings auch hier – geboren in Weißrussland und seit seinem vierten Lebensjahr in der Nähe von Oslo beheimatet.Exil- oder Fake-Russen gibt es also einige im Pop-Business. Wie klingt sie aber wirklich, die Musik, die in Russland entsteht, dort erfolgreich ist und auch in nicht-russischsprachigen Gebieten Anhänger findet?
Seit 2002 steht das Mädchenduo t.A.T.u. für russischen Pop. Sie brachten es weltweit zu mindestens einem Hit namens All The Things She Said brachten. In Europa konnte knapp drei Jahre später auch All About Us nochmal punkten. Russischer Sound läßt sich allerdings auch hier nur mit großer Nachsicht attestieren – zumindest der Durchbruch der beiden Frauen gelang erst, nachdem sie Material noch einmal komplett vom Briten Trevor Horn hatten neu produzieren lassen. Aber eventuell haben sie mit ihrem Erfolg den Weg geebnet für andere Künstler aus Russland wie zum Beispiel Dima Bilan. Seit Anfang der 2000er ist er in seiner Heimat ein Superstar – für Europa reichte es 2006 fast als er zweiter beim Eurovision Song Contest wurde. Zwei Jahre später traf er dann den Geschmack, gewann mit Believe und konnte im Nachhinein die eine oder andere Single in Deutschland verkaufen. Produziert wurde der Titel damals von niemand geringerem als Timbaland.
Im Sommer 2009 tauchte dann ein Rapper in den deutschen Charts auf, der in Moskau zu Hause ist und ebenfalls in seiner Heimat Superstar-Status genoß: Timati. Unterstützt von Snoop Dogg wurde Get Your Groove On so etwas wie ein Mini-Hit. Auf seinem Album The Boss aus dem selben Jahr befanden sich weitere Collaborationen mit zum Beispiel Xzibit, Busta Rhymes oder Mario Winans. Und auch ein Titel namens Welcome To St. Tropez. Den weiblichen Refrain-Part hatte hier Blue Marine übernommen.
Anfang 2011 taucht eben jenes Welcome To St. Tropez wieder auf. Auf englisch mit Part von DirtyMoney-Girl Kalenna und im Remix des Schweizer DJ Antoine. Und dann geht es fast ununterbrochen nach oben. Der Remix wird ein Clubhit, die Digitalsingle kann sich gut verkaufen und entert Anfang April die deutschen Charts. Wenige Wochen später wird der Track auch auf CD veröffentlicht – der Track firmiert jetzt unter DJ Antoine vs Mad Mark Remix – und er verkauft sich besser und besser. Aus fensteroffenen Jugendzimmern und Autoradios kann man den Sound hören und schließlich wird er jetzt noch so etwas ähnliches wie ein inoffizieller Sommerhit. Mittlerweile ist Welcome To St. Tropez auch in den deutschen Verkaufscharts angekommen – im Moment wird Platz 6 gemeldet – und alle drei offiziell beteiligten Artists können also einen eigenen Top 10 Hit ihr eigen nennen. (Kalenna hatte ja bereits als Teil von DirtyMoney bereits Anfang des Jahres die Gelegenheit dazu.) Timati ist damit erst der zweite russische Künstler, der es überhaupt zu solchem Erfolg schafft und DJ Antoine beendet zumindest eine knapp dreijährige Abstinenz Schweizer Acts in den deutschen Top 10.
Das Thema von Welcome To St. Tropez ist „klassisch“: ein Leben mit zu viel Geld und Drogen, das beinahe schon langweilt … Angesichts der Verhältnisse, die in Russland (und auch in weiten Teilen Europas) herrschen, fast schon zynisch. Offensichtlich reicht es aber nach wie vor als Traumabziehbild, das Video mit schnellen Jachten, Poolparties und jeder Menge herumgespritztem Champagner hat da einiges zu bieten an hedonistischem Neureichenleben. Der Sound des Remix – global clubtauglich und ganz im Stil von David Guetta etc.. Ob in St. Tropez, Lausanne, auf Sylt in Rio, Tokio, New Yorkoder Moskau … das funktioniert überall. Um jetzt den „typisch“ russischen Sound zu finden, muss man vielleicht das Original mit Blue Marine bemühen. Das ist noch einen Tick süßlicher und vor allem nicht so aufgepumpt mit Bass. Ob es jetzt russischer ist, abgesehen von der Sprache, das darf jedeR für sich selbst entscheiden. Am Ende ist es vielleicht auch gar nicht relevant von wo der Sound eigentlich kommt.
Das russische Original:
Der Remix:
Nicht verkehrt zum Reinschauen auch:
Homepage von Timati
Homepage von DJ Antoine
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen